Hardcore aus Schweizer Hölzern

Urs Kuratle (44) gründete vor sechs Jahren seine Firma Saitenkraft und hat im E-Gitarren-Bau seine Berufung gefunden. Bild: Caroline Schneider

«Der schönste Moment kommt ganz am Schluss. Wenn der Kunde den Koffer öffnet, sein ‹Baby› erblickt, leicht feuchte Augen kriegt und sich seine Mundwinkel langsam nach oben ziehen. Es ist dieses Kompliment seiner Sprachlosigkeit, das auch mich berührt», sagt Gitarrenbauer Urs Kuratle.

Der Schreiner hat seit seiner Selbstständigkeit vor sechs Jahren weit über 50 elektrische Gitarren gebaut. Und noch heute tut es ihm weh, wenn er eine seiner Gitarren weggeben «muss». Je nach Modell baut er bis zu 100 Stunden an einer elektrischen Gitarre. In seinem Keller verbringt er Stunden mit Schleifen, Feilen, Sägen, Bohren oder Lackieren. Dabei entwickelt sich gleichzeitig auch eine Art Beziehung zum Instrument. Kuratle ist kein typischer Gitarrenbauer. Er hat seine Linie. «Ich habe mich eines Tages entschieden, nur noch Instrumente aus Schweizer Hölzern zu bauen.» Damit ist er einer der wenigen Gitarrenbauer in der Schweiz. «Ich konnte es zunehmend weniger mit meinem Gewissen vereinbaren, wenn ich Tropenholz aus Brasilien bestellte, das womöglich noch aus Raubrodungen stammte.» Grundsätzlich sei der Bau einer E-Gitarre mit allen Hölzern möglich. Da er nicht deckend lackiere, suche er solche mit einer schönen Struktur. Für Decken und Korpus arbeitet er am liebsten mit Nussbaum, Riegelahorn, Kirsch- oder Zwetschgenholz. Für die Rückseite mit Räuchereiche, Nussbaum oder Esche. Er habe zwei Modelle entwickelt.

Kuratle zeigt auf sein Exklusivmodell. Hergestellt aus gestocktem Nussbaum, wobei durch die ins Holz eingedrungenen Pilze einmalige Musterungen entstanden sind, erinnert dieses eher an ein Kunstobjekt.

Er sei aber offen für Neues, sagt der 44-Jährige. Manchmal kämen Kunden auch mit eigenen Skizzen. Bei 1:1-Kopien von bekannten Gitarren blocke er jedoch ab. «Auf die Kopfplatte hat der Kunde keinen Einfluss. Die ist unverrückbar – untouchable.» Kürzlich hat er eine Einladung von der europäischen Vereinigung der Gitarrenbauer für die Messe «The Holy Grey Guitar Show» erhalten. «Im Mai kann ich dort meine Gitarren präsentieren.» Dieses Jahr besucht er zudem die Messe «Guitars and more» in Wettingen und das «Guitar Fest» in Langenthal. Noch kann der Schreiner nicht ausschliesslich vom Gitarrenbau leben. Das sei sein grösster Traum. «Einmal werde ich meine Familie damit ernähren können.» Mit dem Gitarrenspiel hat Kuratle kurz vor der Schreinerlehre angefangen.

Sein Gitarrenlehrer baute selbst Instrumente, und so stellte er zusammen mit ihm sein eigenes Instrument her. «Von da an hat es mich nicht mehr losgelassen.» Einige Zeit später, er hatte unterdessen seine Frau kennengelernt, reiste Kuratle nach Formentera zur Gitarrenbauschule. «Vier Tage vor der Hochzeit kam ich voller neuer Ideen zurück.» Doch bis er sich selbstständig machte, zogen noch ein paar Jahre ins Land – bis der Tag kam, als ihn sein damaliger Arbeitgeber aus wirtschaftlichen Gründen entliess. «Ich war nicht deprimiert. Denn ich wusste, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, den Schritt zu wagen.» Und so gründete Kuratle seine Firma «Saitenkraft».

Mittlerweile spielt er seit beinahe 30 Jahren E-Gitarre. Mit seiner Band «Keesel» steht er seit 15 Jahren auf den Bühnen von kleinen Clubs. «Wir sind alle von der harten Fraktion», sagt der sanftmütige Mitvierziger.

Ihre Musik sei ein Mix aus Metal, Hardcore und Hip-Hop. Das Spezielle daran: «Wir spielen ausschliesslich Lieder mit schweizerdeutschen Texten.» Kuratle bleibt auch hier seiner Linie treu.

«Ich habe mich eines Tages entschieden, nur noch Gitarren aus Schweizer Hölzern zu bauen.»

cs

Veröffentlichung: 08. Februar 2018 / Ausgabe 6/2018

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