Historischer Luxus für heute

Die grosszügige Eingangspartie wird von durchgehenden Stufen unterstrichen. Bild: Werthmüller AG

Rückbauen.  Das Casino Theater Burgdorf sollte wieder den Charme seiner besten Zeiten erhalten. Durch die drei Haupteingangstüren dringt er heute wieder auf die Strasse. Um neue Türen in alter Manier zu bauen, mussten die Schreiner und Planer jedoch einige Hürden überwinden.

In Burgdorf BE gab es schon sehr lange den Wunsch, das Casino Theater umzubauen. 1874 war das Gebäude eingeweiht worden. Damals enthielt es zwei Säle für verschiedene Bevölkerungsschichten. Entsprechend gab es auch zwei Eingänge mit Foyers auf zwei Hausseiten, damit die Besucher sich nicht begegnen konnten. 1931 wurde das Casino erstmals mit einem grossen Umbau den neuen Bedürfnissen angepasst.

Auch in den 1970er-Jahren gab es weitreichende Anpassungen, bei denen beispielsweise der Haupteingang mit seinen drei Doppeltüren und dem grossen Foyer dahinter massive Veränderungen erfuhr. Die beiden äusseren Türen wurden dabei auf Fenstergrösse reduziert, dahinter entstanden abgetrennte Räume. Den verbleibenden Eingang schloss eine einflüglige Stahltür, die keinen Bezug mehr zu früher hatte.

Zurück zum Anfang, aber zeitgemäss

Im Frühling 2019 konnte nach 16 Monaten Umbauzeit die dritte grosse Veränderung des Theatergebäudes mit einer Einweihungsfeier abgeschlossen werden.

Die im Ort ansässige Werthmüller Schreinerei AG hatte den Auftrag erhalten, die Eingangstüren ins grosse Foyer nachzubauen. Der Sprung in die heutige Zeit war nicht ganz einfach, da sich die technischen Ansprüche bezüglich Türen seit 1874 massiv verändert haben. Man wollte mit dem Umbau den ursprünglichen Charakter des Baus mit einer durchgängigen Gestaltungslinie erreichen, welche dem alten Gebäude sowie dem Theatersaal aus den 1930er-Jahren gerecht wird.

Mit minimalsten Grundlagen

Das Foyer erhielt mit den drei Doppeltüren wieder seine ursprüngliche Grösse. Als einzige Grundlage für die Wiederherstellung dieser Eingangspartie diente der Bauherrschaft, der Denkmalpflege und der Schreinerei ein Schwarz-Weiss-Foto, das während des ersten Umbaus gemacht worden war und nur wenige Details zeigte. Die intensive Suche nach weiteren Bildern und Plänen, auch in den Archiven der schon lange im Ort verankerten Schreinerei, blieben erfolglos. Es konnte dafür mit Stilmustertafeln sowie Profilschablonen der Schreinerei aus dieser Zeit nach den erforderlichen Detaillösungen gesucht werden. So liess sich die Authentizität des Gebäudes inklusiv sei- ner Bauteile wieder erreichen – eine zwar interessante, aber auch zeitintensive Arbeit, welche diverse Sitzungen dieser drei Parteien mit sich zog.

Für diese Planung, und auch für Musterelemente, war von Anfang an seitens der Bauherrschaft ein fixer Betrag eingeplant worden, um einen solchen Weg überhaupt gehen zu können. Nach dieser schwierigen Detailfindung konnte mit der eigentlichen Ausführungsplanung der Türen begonnen werden. Ein Türfachplaner für das ganze Gebäude hätte manches vereinfacht, ist sich Stefan Liechti, der Geschäftsführer bei Werthmüller, sicher.

Ergänzend arbeiten

Bei der Massaufnahme waren die äusseren Türbereiche noch zugemauert, und im zukünftigen Foyer hatte es Trennwände, welche den Zugang erschwerten. Es zeigte sich, dass die zu planenden Türen nicht wirklich gleich gross gefertigt werden konnten, da es Differenzen bei den Steineinfassungen gab. «Wir mussten für jede Tür separate Schablonen herstellen», sagt Stefan Liechti. Ausserdem gab es zu beachten, dass im Verlauf der Bauarbeiten besonders die Sandsteinarbeiten exakt nach Vorgabe ausgeführt wurden. Eine Zusammenarbeit, die sehr gut funktioniert hat.

Moderne Anforderungen

Um historisch korrekt wirkende Türen bauen zu können, welche die heutigen Anforderungen an ein öffentliches Theatergebäude erfüllen, kommt man um den einen oder anderen Kompromiss nicht herum. Die Eingangstüren mussten natürlich massiv in Eiche ausgeführt werden und über Zapfenverbindungen verfügen. Sie wurden auf konventionellen Maschinen hergestellt, was den Denkmalpfleger sehr freute. Auch mussten sie wärme- sowie schalldämmend ausgeführt sein. Schliesslich sollen die Geräusche aus dem grossen Foyer nicht die Bewohner der umliegenden Häuser belästigen. Auf geprüfte Elemente konnte da allerdings nicht zurückgegriffen werden.

Bei Haupteingangstüren handelt es sich automatisch auch um Fluchttüren. Sie müssen nach aussen aufgehen und dürfen keinerlei Stolperfallen haben. Da die Türen von innen angeschlagen werden mussten, stehen die Türblätter 90 Grad geöffnet im 1360 Millimeter grossen Lichtmass der Sandsteinlaibungen. Das bedeutete, der Durchgang wird mindestens um zwei Türdicken kleiner.

Entscheide mussten gefällt werden

Senkschwellen und jeweils eine doppelte Dichtungsebene haben zwar nicht jedem zugesagt, sind aber Pflicht, um gute Dämmwerte zu erreichen. Bei den Isolierglaselementen half die Verwendung von drei Gläsern in unterschiedlichen Dicken, um den Schall zu dämmen. Auf die Innenseite kam ein Verbundglaselement und aussen ein einzelnes Antikglas, wie es auch bei allen Fenstern verwendet wurde. Die Türblattdicke ist mit 70 Millimetern gar nicht allzu mächtig ausgefallen. Bei geschlossenem Standflügel bleibt ein Gehflügel-Durchgang von etwas mehr als 550 Millimeter, was eigentlich für heutige Verhältnisse zu schmal ist. Darauf wurde seitens der Schreinerei schriftlich hingewiesen und eine alternative Lösung mit nur einem Türblatt vorgeschlagen.

Letztlich schön ist, dass ein Weg gefunden wurde, womit die Doppeltüren abgenommen werden konnten: Das Haus hat viele Eingänge, und die drei Doppeltüren dienen ausschliesslich den Gästen für ihr Kommen und Gehen. Dann stehen jeweils alle Türblätter offen und sind arretiert. Das reichte auch für die Abnahme.

Zugeständnisse für die Sicherheit

Fluchttüren brauchen Schlösser mit Panikfunktion und damit auch einen Drücker am Standflügel – nicht ganz das, was seitens der Denkmalpflege gewünscht wäre. Aber Sicherheit geht vor. Ähnlich verlief auch die Lösungssuche nach Türschliessern. Durch die notwendige Schliessfolgeregelung liess sich kein geeigneter Beschlag finden, der unsichtbar montiert werden konnte. Bei den Drückergarnituren hat die Schreinerei schriftlich darauf hingewiesen, dass keine historischen Beschläge erhältlich sind, welche die Vorschriften bezüglich Paniktüren erfüllen. Die historisch korrekte Lösung wurde aber gewünscht und dann auch abgenommen.

Der normale Spielbetrieb hat nach der Sommerpause wieder angefangen, und die Besucher schätzen den grossartig wirkenden Zugang, der mit durchaus zeitgemässen Mitteln das Flair einer feudalen vergangenen Zeit vermittelt.

www.werthmuellerag.chwww.theaterburgdorf.ch

ab

Veröffentlichung: 14. November 2019 / Ausgabe 46/2019

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