Hoch, höher, Höhener

Peter Höhener vereint als Gewerbekletterer die Fertigkeiten des Zimmermanns mit seiner Leidenschaft für das Klettern. Bild: PD

«Du hängst ganz schön in den Seilen!» – Im Fall von Peter Höhener ist diese Bemerkung bewundernd gemeint. Denn in den Seilen zu hängen, gehört zum Beruf des Herisauers, seit bald zwei Jahrzehnten schon. Ein Beruf, den der ausgebildete Zimmermann quasi selbst erfunden hat – aus dem einfachen Grund, weil es diesen Job bis dato in der Schweiz nicht gab.

Der 49-Jährige ist Gewerbekletterer, und auch diese Berufsbezeichnung ist seine Eigenkreation. «Ich habe eine ganze Weile überlegen müssen, welcher Begriff meine Arbeit am besten umschreibt», sagt er. Kein Wunder angesichts der Vielfalt: Ob im Fussballstadion Basel eine Werbefolie in schwindelerregender Höhe anbringen, Fassaden oder Silos reinigen, eine eingeklemmte Fahne unter dem Zeiger der Kirchturmuhr herausschneiden, Skulpturen aufhängen, Brücken restaurieren, Storen montieren, Bahnhoffassaden flicken – die Liste seiner Aufträge ist lang. Jeder Job bedeutet eine neue Herausforderung, manchmal kann es auch gefährlich werden. Genau das gefällt dem Pionier: «Man muss sich dabei einiges überlegen – und genügend Biss haben», sagt er und erzählt, wie er neulich mit seinen Mitarbeitern bei 40 Grad Hitze ein Silo innen gereinigt hat. «Nach drei Stunden bist du fix und fertig.» Dabei hat gerade Höhener mehr als genug Biss. Je kniffliger und anspruchsvoller sich ein Auftrag gestaltet, desto mehr kommt er in Fahrt.

So schnell und ungebremst, wie er spricht, lebt er auch – immer direkt in Richtung Ziel. Dass er Zimmermann werden wollte, wusste er schon in der dritten Klasse. Erst kürzlich habe seine Mutter einen Aufsatz von damals ausgegraben, in dem er seinen Berufswunsch deklarierte. Nach der Lehre ging der unternehmungslustige Berufsmann nach Chateau d’Oex. Er wollte Französisch lernen und Chaletbau: «Die können das dort am besten, schönere Chalets gibt es nirgends.»

Zurück in der Ostschweiz, versuchte er sich als Angestellter einer Zimmerei. Doch diese Phase war von kurzer Dauer. Jung war er damals, ein Freigeist und gesegnet mit einer unbändigen Lust auf Eigenständigkeit. Er machte sich als Zimmermann selbstständig, erhielt sofort einen grossen Auftrag für einen Hausumbau, später einen zweiten, diesmal in Kolumbien. Und dann kam jener Tag in Zürich, als er wegen einer gesperrten Strasse eine ganze Küche bis zur Wohnung des Kunden tragen musste. Dies weil an einem Haus mit einem Pneukran ein Taubenschutz montiert wurde.

«Die schiessen mit Kanonen auf Spatzen», dachte Höhener, «das könnte man doch am Seil viel einfacher und vermutlich günstiger machen, und die Strasse müsste nicht gesperrt werden.» Dieser Gedanke liess den passionierten Kletterer nicht mehr los. Er recherchierte nach gewerblichen Berufskletterern – und fand nichts. Er suchte im Sportgeschäft, wo er als Stammkunde sein Klettermaterial kauft, nach einer Ausrüstung fürs Gewerbe – und fand nichts. Dafür traf er just dort auf einen Mann, der dringend einen Fassadenkletterer für Arbeiten am Swisscom-Gebäude auf dem Säntis brauchte. Daraus wurde der erste Auftrag als Gewerbekletterer.

Die Ausrüstung entwickelte Höhener – wie die Berufsbezeichnung – kurzerhand selber. Heute ist er mit seinem Team aus Freelancern in der ganzen Schweiz unterwegs. Einen Unfall hat er in all den Jahren nie gehabt, die Begeisterung für seinen selbst erfundenen Beruf ist so gross wie am ersten Tag. Am grössten aber, wenn er Brücken restaurieren darf: «Dann schlägt mein Zimmermannsherz höher.»

«Ich habe eine ganze Weile überlegen müssen, welcher Begriff meine Arbeit am besten umschreibt.»

hid

Veröffentlichung: 24. August 2017 / Ausgabe 34/2017

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