Via Hotdog zum Hockey

Der 30-Jährige Michi Ungricht (links) trainiert in seiner Freizeit die U20-Top der ZSC Lions. Bild: PD

Leute. Feierabend! Wenn andere die Füsse hochlegen, das Bier kalt stellen oder sich aufs Bike schwingen, geht es für Michi Ungricht erst richtig los.

«Ich hatte als Kind coole Trainer und dachte damals schon: So einer möchte ich auch mal werden», sagt Ungricht. Nicht, dass er in den Stunden zuvor gefaulenzt hätte: Als Verkaufsberater Bau und Holz für die Gyso AG ist der gelernte Schreiner den ganzen Tag in der Ostschweiz unterwegs. Danach geht es schnurstracks Richtung Zürich: Der 30-Jährige gehört zum Trainerteam der U20-Top der ZSC Lions. «Ich bin froh, dass ich das machen darf», sagt er und lacht. Gut und gern zehn Monate im Jahr hält ihn sein Hobby auf Trab. Jetzt, während der Saison, ist er ausser mittwochs täglich im Einsatz. Im Sommer, während der matchlosen Zeit, ist es mit «nur» vier Trainings in der Woche etwas ruhiger. Dennoch klage seine Freundin manchmal, er sehe «seine Jungs» viel mehr als sie. Er lacht wieder: «Ja, es ist intensiv, und trotzdem kann ich mir nichts Besseres vorstellen.» Gäbe es diese lästige Folge einer Verletzung nicht, die sein Bein immer wieder gefühllos werden lässt, hätte er sich auch eine Karriere als Hockeyspieler vorstellen können. Doch dem trauert er nicht nach, zu sehr erfüllt ihn seine heutige Aufgabe: «Ich hatte als Kind coole Trainer und dachte damals schon: So einer möchte ich auch mal werden.» Eishockey gehört für ihn seit seiner Kindheit zum Leben wie das Zähneputzen. «Jedes Mal, wenn ich in die Eishalle komme, ‹heimelt› mich die Kälte, die Oberfläche des frisch präparierten Eises oder der Geruch nach Perskindol in der Garderobe an. Die Schnelligkeit des Sports, die Präzision, der Teamgeist – und das alles auf zwei Kufen – ist eine Kombination, die mich immer wieder neu fasziniert.» Damit ist er nicht allein: Auch seine beiden Brüder sind Eishockeytrainer, genau wie einst der Vater.

Begonnen hatte der Familiensport mit einem Hotdog: Eigentlich sei sein Bruder mit seinem Vater einst nur deswegen in die Eishalle Herisau AR gegangen, habe sich dann aber doch den Match angeschaut. «Ja, und bald spielten wir alle Hockey.» Später übernahm Ungricht das Training der Kleinen – ausgestattet mit Tipps seines Vaters, einem dicken Übungsordner und Ausbildungskursen. Mit den Jüngsten fühlte sich der Herisauer von der ersten Stunde an wohl. Was er hingegen nicht bedacht hatte, war die Elternarbeit. «Die Kids sind schnell zufrieden, aber man muss ja auch die Eltern ins Boot holen und für Ämtli wie Fahrdienste oder Kuchenbacken begeistern.» Heute, mit den jungen Erwachsenen, habe sich das verlagert: «Da rücken die Eltern in den Hintergrund, dafür bin ich eine Vertrauensperson für meine Spieler.» Just als er das sagt, trifft eine SMS ein – einer der Jungs teilt mit, dass er gut in die RS gestartet sei. Ungricht hat schon bei Schwierigkeiten in der Lehre vermittelt oder sich quälenden Liebeskummer angehört. Das Zwischenmenschliche ist ihm wichtig: «Ich will Partner sein auf Augenhöhe. Wenn jemand von einem Problem so absorbiert ist, dass er auf dem Eis nicht alles geben kann, sage ich schon mal: Es ist okay, wenn du heute nicht zum Training kommst.»

Doch so sehr er in seinem Tun auch aufgeht – Berufstrainer zu werden, steht für ihn aktuell nicht zur Debatte. Lieber fokussiert er sich auf seinen Job als Verkaufsberater. Der passt mindestens so gut zu ihm wie seine Aufgabe als Trainer. «En Schnurri», nennen ihn seine Kollegen gern. Auch bei seiner Kundschaft ist ihm die partnerschaftliche Begegnung wichtig. Und auch hier geht die Liebe durch die Nase: «Immer, wenn ich eine Schreinerei betrete und das Holz rieche, fühle ich mich wie zu Hause.»

Franziska Hidber

Veröffentlichung: 06. Februar 2023 / Ausgabe 5/2023

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