«Ich will die Branche weiterbringen»

Als Experte Sicherheit und Gesundheitsschutz führt Thomas Müller (39) für die Suva Betriebskontrollen in Schreinereien durch. Bild: Suva

Sicherheitscoach.  In seiner Tätigkeit als Sicherheitsexperte der Suva hat Thomas Müller schon einige wertvolle Erfahrungen sammeln können. Als gelernter Schreiner, Holzingenieur FH und Sicherheitsingenieur kennt er die Tücken und die Gefahrenherde des Berufsalltags.

Schreinerzeitung: Herr Müller, wie treffen Sie die Schreinereien bei Ihren Kontrollen in der Regel an?
Thomas Müller: Die grosse Mehrheit der Betriebe nimmt Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sehr ernst. Ich stelle immer wieder fest, dass es mit der Arbeitssicherheit ist wie mit der Sauberkeit, der Ordnung und der Qualität. Ist der erste Eindruck sauber und ordentlich und die Produkte sind qualitativ hochwertig, dann hat es der Betrieb meistens auch mit der Arbeitssicherheit im Griff. Das ist harte Fleissarbeit und man muss dranbleiben. Aber der Einsatz macht sich bezahlt, es macht mehr Spass, so zu arbeiten. Das Resultat ist ein gutes Produkt, und es gibt weniger Unfälle.

Was geschieht, wenn Sie bei Ihren Kontrollen Mängel feststellen?

Stellen wir Mängel fest, so definieren wir gemeinsam mit dem Betrieb vor Ort die notwendigen Massnahmen und stellen sie diesem im Anschluss schriftlich zu. Bei erhöhter Gefährdung wie beispielsweise einer manipulierten Schutzeinrichtung geschieht dies mit einer Ermahnung, bei einer unmittelbar schweren Gefährdung wie beispielsweise dem ungesicherten Arbeiten an einer Absturzkante über 2 m mit einer Verfügung. Die Betriebe bestätigen die Behebung der Mängel mit einer Rückmeldung an die Suva. Durch stichprobenartige Nachkontrollen oder bei einem Folgebesuch überprüfen wir die Umsetzung der entsprechenden Massnahmen.
Welche Handhabe haben Sie, wenn die Vorschriften missachtet werden?
Bleibt die Rückmeldung aus oder wird bei einer Nachkontrolle festgestellt, dass der Betrieb die Massnahmen nicht umgesetzt hat, dann werden diese erneut eingefordert. Kommt der Betrieb der Aufforderung wieder nicht nach, kann es bis zur Stillsetzung der Maschine kommen. So weit musste ich bei meiner Tätigkeit als Sicherheitsexperte jedoch noch nie gehen.
Wie sehen Sie Ihre Rolle als Kontrolleur?
Mein Ziel ist es nicht, als reiner Kontrolleur aufzutreten. Ich will ja den Betrieb und die Branche weiterbringen, und dies gelingt nur gemeinsam. Deshalb sehe ich mich als Sicherheitscoach. Je nach Situation bin ich dann Berater, Experte, Motivator, Coach, Verkäufer oder Kontrolleur.
Wie viele Kontrollen habe Sie bereits durchgeführt, und wie können Sie Ihre Erfahrungswerte einbringen?
In den acht Jahren meiner Tätigkeit als Sicherheitsexperte der Suva habe ich über 1000 Schreinereien besucht. Da ich in so vielen Betrieben unterwegs bin, sehe ich diverse Mängel, aber auch viele gute Lösungen. Und diese guten Lösungen versuche ich auch in die anderen Betriebe zu tragen.

Wie reagieren die Schreiner auf Ihre Inputs?

Am Anfang heisst es oft: «So kann man ja nicht arbeiten» oder «Das ist viel zu teuer», und wenig später bekomme ich eine positive Rückmeldung zu den vorgeschlagenen Lösungen. In der Regel sind die Schreiner dankbar, wenn sie auf Sicherheitsmängel hingewiesen werden und man ihnen auch Lösungsansätze aufzeigt. Denn grundsätzlich haben die Betriebe und die Suva dieselben Ziele: Sie wollen Unfälle und Berufskrankheiten vermeiden, gesunde Mitarbeitende und damit weniger Ausfallstunden und tiefere Kosten und Prämien.
Gibt es Geschichten, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Da kommen mir sofort die verschiedenen Unfallabklärungen in den Sinn. Dort geht es immer um menschliches Leid und Schicksalsschläge. Sei dies nun der junge Lernende, welcher die Finger an der Hobelmaschine verloren hat und seinen Wunschberuf Schreiner aufgeben muss, oder der routinierte Schreiner, welcher kurz vor der Pension die Finger an der Tischkreissäge absägt und unter Tränen feststellt, dass er nun sein Hobby nach der Pensionierung nicht mehr ausüben kann. Solche Erfahrungen sind prägend und motivieren auf ein Neues, möglichst viele solcher Unfälle zu vermeiden.

Monika Hurni

Veröffentlichung: 10. März 2022 / Ausgabe 10/2022

Artikel zum Thema

02. Mai 2024

Tragende Rollen

Ergonomie.  Handwerkerinnen und Handwerk kommen kaum darum herum, regelmässig Lasten zu bewegen. Wie dies möglichst rückenschonend geschieht, zeigte ein Fachmann im Auftrag der Suva unlängst bei der Stocker Fensterbau AG in Fenkrieden im Kanton Aargau.

mehr
21. Dezember 2023

In der Stille liegt die Kraft

Gehörschutz.  Jede Arbeit kann nur mit dem dafür richtigen Werkzeug gemacht werden. Bei Lärm sorgt der Gehörschutz dafür, dass die volle Präsenz über die ganze Zeit erhalten bleibt und eine gute Zusammenarbeit überhaupt möglich ist.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Arbeitssicherheit