Im Giraffengewand Posaune spielen

Im «echten» Leben ist Roman Bosshard Schreiner. Während der Fasnacht spielt er Posaune. Bild: Franziska Herren

Im Alltag würde Roman Bosshard in der beigen Montur mit aufgenähten Flicken im Giraffenmuster im glarnerischen 140-Seelen-Dorf Leuggelbach auffallen. Nicht so an der Fasnacht. Dann kehrt sich das Normale ins Groteske und die Stille ins Getöse, damit die bösen Geister in die Flucht geschlagen werden können. «Schminken ab 16 Uhr im Mehrzweckgebäude Schwanden», liest Bosshard auf der «Hunghäfä-App».

Hunghäfä – auf Deutsch Honigtopf – heisst die Guggenmusik, bei der er seit fünf Jahren Posaune spielt. Im neonbeleuchteten Raum ist es wie im Bienenhaus. Ein Gewusel von Menschen in Giraffen-, Leoparden- und Zebrakostümen, ein Gewirr von Stimmen. Nur diejenigen, die ihr Gesicht dem Strahl der Farbpistole aussetzen, verharren in regloser Stille. «Bei uns ist es Tradition, dass wir uns auch schminken. Masken sieht man nur wenige», sagt Bosshard. Sein Gesicht ist nun gelb-rot geschminkt und mit feinen schwarzen Mustern verziert. Ganz nach dem Motto der Guggenmusik: «Safari». «Mir gefällt es, mich zu verkleiden und in eine andere Rolle zu schlüpfen. Es macht Spass, einmal im Jahr dem Alltag zu entfliehen», sagt der 36-Jährige, der sich selbst als scheuen Menschen beschreibt.

Schon als Kind hat er sich als Cowboy verkleidet, um mit der «Käpsälipistole» an der Fasnacht herumzurennen. Als Teenager war der Monsterball angesagt – aber ohne Verkleidung. Später ging er dann wieder kostümiert an die Fasnacht – als Graf Dracula.

Ein guter Freund schwärmte dem Schreiner von der Guggenmusik vor. «Als ein Schnupperkurs für Posaune ausgeschrieben war, ergriff ich die Gelegenheit. Und danach bin ich gleich eingetreten», erinnert er sich. Seither ist seine Agenda in der Fasnachtszeit voller als früher: In dieser Saison stehen auf dem Programm: Einladung bei der Partnergugge «Heutröchner» in Altwies LU, Auftritt an der «Dorfchüblete» in Näfels, Organisation und Durchführung des «Lismerballs» in Schwanden, Spielen an der «Alöschätä» und am Nachtumzug in Näfels, Besuch der «Plunderhüüsler-Guggenmusik» im liechtensteinischen Schaan, Mitmarschieren am «Sternmarsch» mit anschliessendem «Gässlen» – also musizierend durch die Gassen ziehen – und grosser Umzug durch Glarus.

«Die Kollegenschaft ist mir viel Wert. Wir haben einen guten Zusammenhalt und sind füreinander da», sagt Roman Bosshard. Nach dem Schminken reicht es, um sich kurz zu Hause aufzuwärmen. Das alte Glarnerhaus, in dem er mit seiner Freundin und deren Tochter wohnt, baut er Raum um Raum selber um. Das Fachwissen bringt er aus seiner 20-jährigen Tätigkeit als Möbelschreiner mit. «Ich komme nicht so spät nach Hause», sagt er beim Rausgehen.

In den Gassen von Näfels riecht es nach Benzin, Holzkohle und Essen. «Nimm die Beine in die Hand, tanz, tanz, tanz», trällert es aus einer Lautsprecherbox.

Bosshard steckt sich Stöpsel in die Ohren und stellt sich in die Formation – vor das Sousaphon und hinter die Trompete. Als der Musikleiter den langen Stab in die Luft hält, setzt sich die Gugge in Bewegung und beginnt zu spielen. Es ist ein kalter Abend. Aber immerhin nicht so kalt wie vor ein paar Jahren im Wallis, als den Musikanten die Instrumente einfroren und alle nur noch einen Ton spielen konnten.

«Mir gefällt es, mich zu verkleiden und in eine andere Rolle zu schlüpfen. Es macht Spass, einmal dem Alltag zu entfliehen.»

fh

Veröffentlichung: 08. März 2018 / Ausgabe 10/2018

Artikel zum Thema

16. Mai 2024

Auch für guten Speck brauchts Holz

mehr
13. Mai 2024

Ein Nautiker für alle Fälle

Leute. Eigentlich hat Tom Hofer einen Beruf im Winter und einen im Sommer. Winters arbeitet der gelernte Schreiner als Abteilungsleiter der Schreiner und Zimmerleute in der Werft der BLS Schifffahrt AG in Thun BE.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Leute