Mit Freude am Experimentieren

Auf dieser alten Drechselbank hat der 31-jährige Zuger Beat Marty das Drechseln gelernt. Bild: Caroline Schneider

Es herrscht emsiges Treiben an jenem Mittwochabend in der Loreto-Werkstatt in Zug. Maschinen lärmen, Holzspäne fallen auf den Boden, Staub liegt in der Luft. Zwölf Männer und eine Frau hantieren an verschiedenen Maschinen. Mittendrin steht Beat Marty mit seinem neongelben Gehörschutz. Der Schreiner ist einer der Leiter der Holz- und Metallwerkstätten. Freundlich grüsst er jeden einzelnen Kunden, stellt sich bei den neuen Besuchern vor, erkundigt sich nach ihrem Projekt, und ob sie Unterstützung benötigen. Er ist in erster Linie für die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher zuständig. Häufig berät er sie bei der Ausführung ihrer Projekte und bietet seine Hilfe an, wie zum Beispiel dem jungen Engländer, der ein Gestell für seine Kameras anfertigen möchte. «Durch den hohen Prozentsatz an englischsprachigen Bewohnern in Zug komme ich oft dazu, meine Englischkenntnisse anzuwenden», sagt Marty. Das Loreto ist ein Betrieb der Gemeinnützigen Gesellschaft Zug. Nebst den verschiedenen Arbeitsstätten wie der Holz-, Metall- und Keramikwerkstatt werden in der 1969 gegründeten Freizeitanlage verschiedene Kurse angeboten. Im Programm findet man neben Sprach-, Sport- und Tanzkursen auch Angebote, die kurios anmuten oder von denen man gar nicht weiss, dass es das gibt: Glasperlendrehen, entspannt jäten, Gelatinedruck, Papier prägen, Numerologiekurse oder auch ein Kurs mit dem Titel «Mut zur eigenen Schönheit».

Seit sechs Jahren hat Marty den Nebenjob im Loreto. «Ich liebe diese Arbeit», sagt der 31-jährige Zuger. Es sei die Freude am Schreinerhandwerk, gepaart mit der Befriedigung, sein Fachwissen jemandem zu vermitteln, erklärt er seinen Beweggrund, nebst der Vollzeitbeschäftigung als Produktionsleiter hier tätig zu sein. «Hier muss ich nicht kostenorientiert und unter Zeitdruck arbeiten, sondern kann zusammen mit den Besuchern experimentieren.» Das Schönste sei die Dankbarkeit der Leute. Oft findet er Wochen später von einem Besucher ein Glas selbstgeimkerten Honig, eine Nusstorte oder gar eine Flasche Wein in seinem Briefkasten – als Dankeschön für seine geleistete Hilfe. «Zudem habe ich hier drechseln gelernt. Welcher Schreiner lernt das heutzutage noch in seiner Ausbildung?» Das sind Dinge, die diesen Nebenjob für ihn so wertvoll machten. Martys wichtigster Auftrag ist die Gewährleistung der Sicherheit. In der Werkstatt stehen viele Maschinen mit einem roten Punkt. Sogenannt gefährliche Maschinen mit hohem Verletzungsrisiko wie die Tischkreissäge, die Kehlmaschine oder die Bandsäge. «Besucher, die eine solche Maschine bedienen möchten, müssen zuvor einen Einführungskurs von rund acht Stunden absolviert haben», erklärt er. Vor der Benutzung sind sie verpflichtet, den Werkstattleiter zu rufen. «Wir kennen die Besucher gut. Rund 70 Prozent von ihnen sind Stammkunden.» Sie sind buntgemischt: Hausfrauen, Banker und CEOs sowie ehemalige Schreiner und andere Handwerker. Für viele ist das Loreto ein Ausgleich, ein Ort, an dem sie ihre Kreativität oder ihre Affinität zum Handwerklichen ausleben können.

«Einmal kam eine Frau in die Werkstatt und stellte ihren eigenen Parkettboden her. Sie sagte mir, dass ihr Mann keinen neuen Parkett bezahlen wollte, also griff sie selbst zu Holz und Hobel», erzählt Marty schmunzelnd. Es ist dieser umtriebige, bunte Mikrokosmos mit den verschiedensten Menschen, in dem sich der Schreiner wohlfühlt und der ihm über die Jahre ans Herz gewachsen ist.

«Hier muss ich nicht kostenorientiert und unter Zeitdruck arbeiten, sondern kann zusammen mit den Besuchern experimentieren.»

cAroline schneider

Veröffentlichung: 13. August 2020 / Ausgabe 33/2020

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