Nutzlose Fläche sinnvoll nutzen

Schränke unter der Dachschräge wie auch an den Giebelseiten sind die Domäne des Schreiners. Bild: Fotolia

Einbaumöbel unter dem Dach.  Wenn Dachschrägen das Stellen von Möbeln verunmöglichen, schlägt die Stunde der Spezialisten. Einbaumöbel im Dachgeschoss könnten eigentlich öfter umgesetzt werden, bieten intelligente Konstruktionen doch einen enormen Nutzwert.

Auf den Schweizer Dächern geht oft die Post ab. Denn bezüglich Dachterrassen sind Städte wie Zürich ziemlich weltmeisterlich. Aber: Während auf dem einen Haus die Party tobt, herrscht beim Nachbarn stumme Dunkelheit. Der Grund: Das Dachgeschoss ist nicht ausgebaut, der Lebensraum im Haus endet am Auflager des Dachstuhls. Was darüber ist, wird meist als Estrich im klassischen Wortsinn genutzt und nur ab und an von den Hausbewohnern betreten.

Unterschiedliche Sichtweise

Das Dachgeschoss tritt bei Um- und Erweiterungsbauten nicht allzu oft als Wohnraum in den Blickpunkt der Planer. Ausserdem wird das Thema lokal und regional in den Kantonen und Gemeinden sehr unterschiedlich gesehen. Es gibt die Befürworter im Sinne der «verdichteten Bauweise» in Ballungszentren und diejenigen, die das gewohnte Bild der Stadt, der Gemeinde, so erhalten wollen, wie es immer war. Also kein Dachausbau mit Gauben, Dachfenstern und Partyterrassen. Gleichzeitig ist es erklärtes Ziel von vielen Initiativen und Akteuren aus Politik und Verbänden, den verfügbaren Wohnraum in Agglomerationen auch entsprechend zu nutzen, um nicht immer mehr Fläche in Anspruch nehmen zu müssen. Denn diese ist knapp und deshalb teuer. Dann bleiben oft nur die Aufstockung im Bestand und der Ausbau des Estrichs. Einmal ausgebaut, wird der Dachbereich durchaus ein attraktiver Wohnraum. Damit dieser sinnvoll genutzt werden kann, braucht es den Schrankmacher.

Denn der Fachmann schreckt weder vor schräg geschnittenen Korpusseiten, entsprechend angepassten Doppeln, der Verarbeitung spezieller Beschläge noch vor im Altbau manchmal unebenen Böden zurück.

Einbauschränke von besonderem Wert

«Schränke unter der Dachschräge sind immer ein Thema, nur wissen viele gar nicht, was man alles machen kann und welche Lösungen es gibt. Das merken wir immer wieder, wenn wir auf Messen in der Schweiz unsere Lösungen zeigen», sagt Markus Kathriner, Geschäftsleiter der Schrank-Spezialist GmbH im luzernischen Littau. Das Unternehmen ist gewissermassen ein Spezialist für solche Arbeiten. Ausgeführt werden diese mit einer Partnerschreinerei. Dennoch macht die Arbeit unter dem Dach nur etwa zehn Prozent des gesamten Tätigkeitsvolumens im Unternehmen aus.

«Anpassungen an Dachschrägen sind oft kostspielig. Deshalb werden solche Innenausbauten im Zuge von Dachsanierungen und Ausbauarbeiten auch nicht immer realisiert.» Auf der anderen Seite komme es durch eine gute Information der interessierten Bauherrschaft oftmals zu einem Auftrag für solche Arbeiten, so Kathriner. Denn gerade wenn es darum geht, unter dem Dach einen vollwertigen Wohnraum umzusetzen, stehen die Bewohner vor dem Problem der meist knapp vorhandenen Stellfläche für Korpusmöbel.

Kopffreiheit durch Auszüge

Auf dem Internetportal pinterest.com finden sich viele Ideen für Einbaumöbel unter der Dachschräge. Meist sind deren stolze Erbauer Privatpersonen. Auffällig dabei ist, dass auch die sogenannten Drempelschränke, die im Vertikalschnitt der Grundform eines rechtwinkligen Dreiecks entsprechen, mit Dreh- oder Schiebetüren ausgestattet sind (siehe Kasten auf Seite 15). Was bei einem vorhandenen Kniestock noch recht gut funktioniert, wird bei einem Drempel schnell zur Tortur für die Benutzer. Denn dann muss dieser bei grosser Korpustiefe in den Schrank «hineinkriechen» oder bei geringer Korpustiefe in ziemlich gebückter Haltung das Einbaumöbel bedienen.

Neben der Materialisierung und der Qualität in der Ausführung liegt gerade auch beim Bedienkomfort eine grosse Chance für die Arbeit des Schreiners. Denn anstelle von Fronten, die als Dreh- oder Schiebetüren ausgebildet sind, kann dieser Auszugslösungen realisieren, von denen mutmasslich die meisten Bauherren nicht wissen, dass es sie überhaupt gibt. Eine Möglichkeit sind dabei Kulissenauszüge, die den ganzen Korpus aus der Schräge in den Raum holen. Mit Tragkräften weit über 100 kg lassen sich auch grosse Korpusse mit den Beschlägen elegant bewegen. In der Regel brauchen die unter dem Boden des Korpus angebrachten Kulissenauszüge jedoch eine obere Führung, weshalb dann der obere Korpusboden nicht schräg ausgeführt werden kann, sondern rechtwinklig, dann vielleicht auch treppenartig ausgebildet werden muss. Dies kann bei einer entsprechend eingeteilten Front auch eine gute Lösung sein für die Nutzung eines Drempels oder eines Kniestockbereiches.

Funktionale Bedienung möglich

Schwerlastüberauszüge stellen eine Alternative mit hohem Freiheitsgrad bei der Konstruktion dar. Diese benötigen keine obere Führungsschiene, weshalb man bei der Ausbildung der Korpusse mehr Möglichkeiten hat. Neben der hohen Tragfähigkeit der Beschläge ist es vor allem der überlange Auszugsweg, der am Ende für ein funktionales Bedienen des Einbaumöbels bei den Benutzern sorgt. Fachpartner wie etwa die Ackutech AG im zugerischen Rotkreuz bieten hier Lösungen mit Verfahrwegen von bis zu 150 % der Schienenlänge.

Ideenreichtum ist gefragt

Aber auch ganz andere individuell geplante Sonderkonstruktionen stellen Möglichkeiten dar, wie ein funktionaler Stauraum unter dem Dach geschaffen werden kann. Etwa mit im Boden eingelassenen Schienenprofilen und Möbelrollen. So können mehrere Korpusebenen hinter einer Front in Dachrichtung bewegt werden.

Vor allem, wenn es darum geht, in einem Dachraum verschiedene Wohnbereiche zu schaffen, ist Erfindungsreichtum gefragt. Denn dann präsentiert sich die ganze Palette an Bedürfnissen von der Küche bis hin zum Sammelplatz für die Schmutzwäsche. Voraussetzung für solche Sonderkonstruktionen ist freilich ein ebener Boden und die Möglichkeit, Führungsschienen im Bodenbelag einlassen zu können. Sonst konstruiert man sich Stolperfallen bei solchen «begehbaren» Schränken unter dem Dach.

Seltene Aufträge

Schwerlastauszüge können mehrere hundert Kilogramm Last aufnehmen und dabei einen langen Auszugsweg haben. Mit solchen Beschlägen hat etwa der deutsche Schreiner Lothar Schaff die Möblierung eines recht spitzen Dachraumes zu einem Schlafzimmer realisiert. Nach 1 m Auszugsweg zeigt sich bei den 1,5 m breiten Schiebelementen eine mehrfache Unterteilung in Schubladen und offene Fächer. Das Innenleben kann so von allen Seiten bedient werden und ist exakt auf die Bedürfnisse der Bewohner abgestimmt worden. «Schränke unter Dachschrägen kommen relativ selten vor. Meist ergeben sich solche Arbeiten dann, wenn wir an einem Um- oder Ausbau eines Daches beteiligt sind», sagt Willi Schilling, Geschäftsführer der gleichnamigen Schreinerei in Frick AG.

Das Unternehmen hat aber schon mehrmals solche Arbeiten realisiert. So etwa auch begehbare Schrankelemente hinter Schiebetüren, die beim Öffnen ein reichhaltiges Innenleben preisgeben.

«Kunden sind oft überrascht, wenn sie dann sehen, was alles möglich ist», sagt Schilling. Die vielseitigen Lösungen werden von der Schreinerei jedoch, wie von vielen anderen Akteuren, nicht aktiv beworben und tauchen deshalb nur gelegentlich auf.

www.schrankspezialist.chwww.ackutech.chwww.lothar-schaff.dewww.schilling-schreinerei.ch

Stauraum dachschräge

Drempel und Kniestock

Wird die Last des Dachstuhles direkt über eine Ringbalkenlage oder sogenannte Fusspfetten auf die Aussenmauern abgeleitet, beginnt die Dach- schräge direkt an der Auflagefläche der Sparren auf der Geschossdecke. Dann spricht man von einem Drempel, der in Form eines mehr oder weniger spitzen Dreiecks unter der Dachschräge den Raum prägt. So konstruiert, wird dieser Raum oft nicht genutzt, deshalb wird häufig mit einem «vorgesetzten Kniestock» gearbeitet, einer nach innen gesetzten Wand. Im eigentlichen Sinne dient der Kniestock jedoch dazu, die nutzbare Wohnfläche zu erhöhen, indem die Lastabtragung der Dachsparren über die Dachgeschossdecke hinausragende Aussenmauern erfolgt. Deshalb spricht man auch vom «halben Stockwerk». In der Praxis sind aber Kniestockkonstruktionen oft einfach Vorsatzwände ohne statische Funktion, deren Grundkonstruktion eigentlich einem Drempel entspricht. Die Herausforderung besteht darin, solch spitz zulaufende Räume als Stauraum sinnvoll und individuell nutzbar zu machen.

ch

Veröffentlichung: 21. Dezember 2017 / Ausgabe 51-52/2017

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