Örtchen mit Stil

Träume sind erlaubt, doch in Realität steht für das Badezimmer meist viel weniger Platz zur Verfügung. Bild: Keramik Laufen

Einblicke.  Der Sprung ins Bad lohnt sich für Schreinereien auf jeden Fall. Die Beliebtheit des Raums schafft eine grosse Nachfrage nach einzigartigen Ausstattungen. Und sie macht die Badezimmergestaltung zum Heimspiel für Schreiner, weil sie die Wünsche erfüllen können.

Wie sich die Zeiten doch ändern. In der Wohnung ein eigenes Bad zu haben, ist heute selbstverständlich, war früher aber ein absoluter Luxus. Eine Toilette auf dem Zwischenboden im Treppenhaus, eine Badewanne im Keller, das musste noch vor wenigen Jahrzehnten in vielen Altbauten reichen. Inzwischen hat sich der Lebensstandard radikal verbessert, und damit sind auch die Ansprüche an Körperpflege und Körperhygiene gestiegen. Das Badezimmer ist ein ganz entscheidender Faktor geworden, wenn es darum geht, ein neues Zuhause zu wählen. Zu Recht, denn die Aufenthaltsdauer im Bad ist ausserordentlich lang. Hettich, der deutsche Hersteller von Möbelbeschlägen, publizierte dazu 2015 eine aufsehenerregende Marktforschungsstudie. Der Konzern fand heraus, dass Personen in diesen Breitengraden jährlich im Durchschnitt rund 300 Stunden im Badezimmer verbringen. Das sind 12,5 Tage am Stück, umgerechnet auf eine tägliche Arbeitszeit von 8,4 Stunden entspricht das mehr als sieben Wochen Ferien. Ein anderer Vergleich: Wer mit einem Fussballclub in einer der Schweizer Profiligen mitfiebert, darf während 5,5 Jahren kein Spiel verpassen, bis er 300 Stunden Fussball gesehen hat.

Badmöbel sind umso wichtiger

Das Badezimmer hat in den Haushalten also enorm an Bedeutung gewonnen. Und trotzdem sind noch viele Nasszellen sehr klein. Die Hettich-Studie ergab, dass das Badezimmer bei rund 42 Prozent der befragten Personen nicht grösser ist als vier bis acht Quadratmeter. Die eher engen Platzverhältnisse – natürlich vor allem in Altbauten – machen die Badmöbel umso wichtiger. Denn die 241 Befragten nannten als grösste Störfaktoren in ihren Badezimmern unter anderem den zu geringen Stauraum, den kleinen Raum an sich, die Unordnung und die Unübersichtlichkeit.

Individualität kommt vom Schreiner

Das Traumbadezimmer sieht gemäss der Hettich-Studie folgendermassen aus: Es ist eine «grosszügige, moderne, pflegeleichte und helle Wohlfühloase mit Badewanne und bodentiefer, grosser Dusche und vor allem viel funktionalem Stauraum für die Dinge, die im Bad untergebracht werden sollen». Hauptsächlich für Handtücher, Putzutensilien, Toilettenpapier, Kosmetika und Medikamente wünschten sich die Befragten «mehr Stauraum in geschlossenen Schränken». Das Badezimmer muss also nicht nur schön sein, sondern auch funktional und praktisch. Ein Anspruch, den nur der Schreiner erfüllen kann.

www.hettich.com

 

Das Bad als Teil des ganzen Hauses

Die Schreinerei Vogel Design AG im luzernischen Ruswil realisiert immer wieder individuelle Badezimmer. Eines davon ist jenes in einem 2017 erbauten Einfamilienhaus in Inwil LU. Vogel Design setzte im Gebäude sämtliche Schreinerarbeiten um, nicht nur jene im Badezimmer. Die Materialisierung war zu einem grossen Teil durch das architektonische Konzept vorgegeben. Wie in der Küche wurden die oberen Kästchenfronten im Bad in weiss gespritztem MDF ausgeführt. Für die Front des Waschtischs und die Nischen in der Wand verwendete man mit Eiche furnierte MDF-Platten. Das Furnier wurde spritzlackiert. Mit dem gleichen Eichenholz wurde in der Stube und in der Küche des Hauses das Parkett belegt. Die Abdeckung des Waschtischs besteht aus weissem Corian.

Eine Komposition des Schreiners

Laut Geschäftsinhaber Christian Vogel konnte die Schreinerei als Ergebnis der Besprechungen mit Architekt und Bauherrschaft auf verschiedene Wünsche und Ansprüche eingehen. Die Nischen in der Wand konnten zum Beispiel so definiert werden, dass sie ihre Funktion als Ablage gut erfüllen können. «Allen Bedürfnissen gerecht zu werden, war sicher eine Herausforderung. Gleichzeitig ist das genau die Stärke einer Schreinerei: In diesem Punkt kann sie besonders glänzen und sich von gewöhnlichen Badezimmern klar abheben.»

Vogel Design hat drei Mitarbeiter, die spezialisiert sind für perfekte Oberflächen. Zwei bis drei Personen kümmern sich schwerpunktmässig um die Verarbeitung von Massivholz. Diese waren in einem Ferienhaus-neubau im Skigebiet Sörenberg LU stark engagiert. Der Bauherr wünschte einen Innenausbau aus rohem Fichtenholz, gedämpft und gebürstet. Die Schreinerei kaufte die gedämpfte Fichte ein, die Spezialisten mussten das Holz aber selber bürsten, kleine Teile und die Kanten von Hand.

Reduziert auf das Wesentliche

Abgesehen von der Oberflächenbearbeitung des Holzes war das Badezimmer kein schwieriger Auftrag. Es ist sehr schlicht, ohne geschlossene Kästchen und Schubladen, ohne komplizierte Details. Das Bad hebt sich ab durch die Rustikalität des Materials und der Beschläge. Speziell hervorzuheben sind etwa die geschmiedeten Ringe als Halterungen für die Handtücher.

www.vogeldesign.ch


Vornehm zurückhaltend

Die zwei typengleichen Badezimmer in einem umgebauten Einfamilienhaus aus den 1960er-Jahren in Küsnacht ZH stehen auf unruhigem Boden. «Die Bodenplatten sind ganz klar das bestimmende Element, der Blickfang in diesen Räumen», sagt Reto Weiss, Inhaber und Geschäftsführer der Weiss Innenausbau AG in Samstagern ZH. Die lebendige Bodengestaltung, vom Architekten vorgegeben, verlangte vom Schreiner einige Zurückhaltung. «Die Badmöbel durften den Boden nicht mit einer auffallenden Gestaltung konkurrenzieren, sondern mussten sich zurücknehmen, da sonst eine Unruhe entstanden wäre.» Die Schreinerei löste das Problem mit weiss gespritzten Möbeln aus MDF, die Abdeckungen von Badewanne und Waschtisch bestehen aus Hi-Macs. «Wir mussten eine saubere Möbelarchitektur ganz ohne Schnörkel realisieren, das war sicher die Spezialität bei diesem Umbau», sagt Weiss.

Schnittstellen waren schwierig

Vom Handwerklichen her war die Schreinerei nicht über Gebühr gefordert. «Mehr Mühe machte uns das Zusammenspiel der verschiedenen Unternehmen, die am Umbau beteiligt waren.» Es sei immer häufiger zu beobachten, dass der Schreiner die Unzulänglichkeiten von anderen Gewerken ausbaden müsse. «Wenn andere zu wenig achtgeben oder ungenau arbeiten, haben wir am Schluss den Mehraufwand.»

www.retoweiss.ch


Otto der Grenzgänger

Wenn das Bad immer mehr zum Wohnraum wird, warum soll nicht auch die Stube zum Badezimmer werden? Diese Frage stellte sich die Grossschreinerei Loosli in Wyssachen BE anlässlich ihres 60-Jahr-Jubiläums vor zwei Jahren. Herausgekommen ist «Otto», das wandelbare Badmöbel. Der Kubus ist nur 800 mm hoch, 800 mm breit und 500 mm tief. «Wir konzipierten das Möbel für all jene Einsatzorte, wo die verschiedenen Nutzungen verfliessen», sagt Emanuel Hausammann, Projektentwickler bei der Loosli Badmöbel AG. Die Badmöbel seien in den vergangenen Jahren immer wohnfähiger geworden. «Otto» gehe noch einen Schritt weiter und könne zum Beispiel eine Lösung darstellen für Einzimmerwohnungen oder für Hotelzimmer. Das Möbel ist aus MDF, furniert mit geseifter Eiche. Das Becken steht auf einer Corian-Abdeckung. Für die Klappe verwendete man einen «Aventos HK»-Beschlag von Blum.

Bis jetzt ist «Otto» ein Prototyp geblieben. Loosli hat dennoch das Ziel der Entwicklung erreicht. Hausammann: «Wir wollten den Leuten einen Denkanstoss geben.»

www.loosli.swiss
 

mf

Veröffentlichung: 05. April 2018 / Ausgabe 14/2018

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