Ohne Nebel auf die Fläche

Ausgeklügelte Bechersysteme erlauben einen schnellen Farbwechsel und reduzieren den Reinigungsaufwand. Bild: Tonet AG

Lackieren.  Mit ausgeklügelten Details verbessern die Hersteller laufend Bedienerfreundlichkeit und Effizienz von Lackierpistolen. Dank exakten Einstellungsmöglichkeiten kann der Schreiner beim Verbrauchsmaterial und Arbeitsaufwand bares Geld sparen.

Obwohl sich am Funktionsprinzip wenig geändert hat: Lackierpistolen sind Präzisionswerkzeuge und kommen in vielen Schreinereien täglich zum Einsatz. Verändert haben sich aber die Ansprüche an die Spritzpistolen. Verantwortlich dafür sind neue Lacksysteme, Oberflächenstrukturen und zum Teil auch gesetzliche Vorgaben.

Eine moderne Spritzpistole soll natürlich ein möglichst grosses Anwendungsspektrum abdecken. Tatsächlich könne man heute mit einer einzigen Pistole einen grösseren Aufgabenbereich abdecken als früher, sagt Martin Bähni. Der Geschäftsführer der Neuen Protechnik AG im aargauischen Neuenhof räumt aber ein: «Es ist wie mit den Autopneus. Mit einem Ganzjahresreifen kommt man zwar relativ weit, aber irgendwann braucht es halt doch separate Sommer- und Winterreifen.»

Effizient mit weniger Druckluft

Dennoch: Im niedrigen und mittleren Druckbereich lassen sich mit derselben Spritzpistole sehr gute Resultate erzielen. Möglich machen dies hochpräzis gefertigte und optimierte Materialdüsen, Nadeln sowie Luftdüsen. Dadurch kann der Anwender die Luft- und Lackmenge viel genauer justieren, als dies noch früher der Fall war. Daraus ergibt sich insgesamt eine viel bessere Zerstäubung des Materials. «Mittlerweile kann man mit einer Fliessbecherpistole und einem Druck bereits ab zwei bis drei Bar ohne Weiteres arbeiten. Früher waren dafür in der Regel vier bis fünf Bar nötig», erklärt Martin Bähni.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Für dieselbe Arbeit wird weniger teure Druckluft verbraucht. Und, je präziser die Zerstäubung und geringer der Druck, desto weniger Lacknebel entsteht. Es landet also mehr Material auf dem Werkstück, statt in den Filtermatten. Einem Betrieb, der nur gelegentlich lackiert, fällt dieser Unterschied wohl kaum auf. «Wird in einer Schreinerei täglich gespritzt, dann macht es schon etwas aus, wenn man täglich ein halbes Kilo Lack einsparen kann», gibt Bähni zu bedenken. Ausserdem verringert sich dadurch der Reinigungsaufwand in der Lackierkabine und die Filter der Absauganlage sowie Schutzmasken werden weniger belastet. Diese Vorteile machen sich dann nicht nur beim Einsatz von Fliessbecherpistolen bemerkbar, sondern ebenfalls beim Lackieren mit Airless- oder Airmix-Systemen.

Einfacher zu bedienen

Verbessert haben die Hersteller ausserdem die Bedienfreundlichkeit der Lackierpistolen. So hat zum Beispiel die Tonet AG aus Dulliken SO mit dem «SPA-System easy line» einen Fliessbecher im Sortiment, der sich mit nur einer Umdrehung an der Pistole fixieren lässt. Dank einem integrierten und auswechselbaren Sieb entfällt das vorgängige Filtern des Lackes beim Abfüllen in den Becher.

Komplett überarbeitet werden zurzeit die Lackierpistolen der Marke Optima, welche vom Industriekonzern Dürr übernommen wurde (siehe Box) . So verfügt die «EcoGun910» über einen Zerstäuberkopf mit Bajonettverschluss. Dies erlaubt einen schnellen Wechsel und es gibt kein Gewinde mehr, das abgenutzt oder beschädigt werden kann. Dank einer Hubanschlagschraube kann die Nadel schnell ein- und ausgebaut werden, ohne dass die eingestellte Nadelposition verloren geht.

Schluss mit Tropfen

Bei vielen Herstellern von Lackierpistolen hat sich die seitliche Positionierung des Knopfes für die Regulierung des Flach- re- spektive Rundstrahles durchgesetzt. Ebenfalls praktisch ist eine stufenlose Luftmengenregulierung über einen deutlich sicht- und fühlbaren Verstellhebel. Diese Verstellmöglichkeit sei insbesondere für Schreiner sehr interessant, da viele Betriebe mit Airmix-Systemen arbeiten, sagt Martin Bähni. «So kann der Oberflächenspezialist beim inwändigen Lackieren von Ecken oder Korpussen schnell die Luft abstellen und nur mit dem Materialdruck arbeiten. Dadurch wird viel weniger Lacknebel umhergewirbelt.»

Eine praktische Eigenschaft haben die neuen «Injektor»-Luftdüsen von Dürr: Durch seitlich angebrachte Bohrungen strömt ein feiner Luftstrom über die Nadel hinweg. Dieser soll dafür sorgen, dass sich um die Nadelspitze herum kein Lack ansammelt und auf das Werkstück tropft. Somit entfällt ein gelegentliches Abwischen der Düse. Oft geschieht dies ohnehin nur mit dem Finger, wodurch Lackreste und allfälliger Schmutz nur noch mehr auf der Düse und in den Öffnungen verteilt werden.

Übrigens: Die unschönen Kunststoffbügel auf den neuen Luftdüsen sind für Airless- und Airmix-Pistolen Pflicht. Sie sollen verhindern, dass man unbeabsichtigt in die Nähe der Düse kommt und sich am Lackstrahl verletzt. Immerhin verlässt dieser je nach Einstellung die Düse mit einem Druck von mehreren hundert Bar.

Damit es auch dick kommt

Beim Lackieren mit Airless oder Airmix sind die geforderten Materialdrücke ohnehin tendenziell gestiegen. Dies insbesondere aufgrund hochviskoser Lacke und Farben mit hohem Feststoffgehalt. Dadurch können der Lösemittelverbrauch und somit auch die Aufwände für VOC-Abgaben reduziert werden. Und die Trocknungszeiten für lösemittel- wie auch wasserbasierende Lacke sind dadurch eher gesunken. Allerdings kommen da Spritzanlagen mit einer Übersetzung von 10:1 an ihre Grenzen. «Wir verkaufen deshalb fast nur noch Anlagen mit einer Übersetzung von 22:1 oder sogar 33:1», erzählt Bähni.

Damit sind dann Betriebsdrücke von über 250 Bar möglich, was natürlich entsprechende Anforderungen an die Leitungen und Lackierpistolen mit sich bringt. Eine weitere Möglichkeit für die Verarbeitung von hochviskosen Lacken ist der Einsatz von Heizsystemen. Durch das Erwärmen des Lackes kann die Viskosität gesenkt werden. Ausserdem wirkt sich dies ebenfalls positiv auf die Trocknungszeit aus. Gemäss Martin Bähni kommen solche Systeme bei Schreinereien eher selten zum Einsatz. «Aber in speziellen Fällen kann es durchaus Sinn machen.» Für ein Heizgerät inklusive beheiztem Schlauch muss man ungefähr 2000 Franken rechnen. Hinzu kommt dann natürlich der Energieverbrauch für das Erwärmen.

Langlebiges Gerät

Die gute Nachricht ist: Wer seine Lackierpistole und Spritzanlage regelmässig reinigt, die Filter wechselt und wo nötig ab und zu mit einem speziellen, silikonfreien Schmiermittel schmiert, braucht sich lange um keinen Ersatz zu kümmern. «Erst kürzlich brachte ein Schreiner seine 23-jährige Spritzanlage zu uns in den Service. Diese wird wohl nochmals so lange einwandfrei funktionieren», erzählt Bähni. Auf keinen Fall sollte man aber für die Reinigung scharfe Gegenstände oder Drahtbürsten verwenden, denn auch besonders hartnäckigen Schmutz auf den Geräten und in den Düsen kann man mit speziellem, extra starkem Reinigungsmittel, Pinsel und Druckluft entfernen.

www.tonet.chwww.protechnik.ch

Aus Optima wird Dürr

Für das Handwerk

Das neue Produktspektrum von Dürr – ein bekanntes Industrieunternehmen aus der Automobilbranche – umfasst zum Beispiel Pumpen, konventionelle Applikationstechnik für den manuellen und automatisierten Betrieb sowie 2-K-Anlagen und Produktsysteme zur elektrostatischen Applikation. Für den Hochdruckbereich wird ein komplettes Sortiment an Saugpumpen ange- boten, das in Zukunft auch durch Schöpfkolbenpumpen ergänzt wird. Bei Lackierpistolen reicht das breite Angebot von luftzerstäubenden Air- Assist- bis zu Airless-Technologien. In diesem Bereich hat sich Dürr durch den Kauf der Spezialunternehmen Bersch & Fratscher (Deutschland) und EST+ (Tschechien) im Juni des vergangenen Jahres verstärkt.

Schweizer Vertrieb

Anwender von Lack- und Dickstoff- Applikationstechniken in der Schweiz können Produkte der Firma Dürr ab sofort über die Neue Protechnik AG beziehen. Die Vertriebspartnerschaft mit der Neuen Protechnik ist Teil der internationalen Expansion der Unternehmung im Geschäftsfeld «Industrial Products». Damit will man neben der Automobilindustrie verstärkt auch Kunden aus anderen Bereichen an-sprechen. So hat Dürr erst kürzlich den bekannten Maschinenhersteller Homag übernommen.

www.durr.com

ph

Veröffentlichung: 22. Oktober 2015 / Ausgabe 43/2015

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