Pfadileiter mit Herz

Aaron Ackermans (23) ist Leiter bei der «Pfadi trotz allem» und ermöglicht Kindern mit einem Handicap, die Pfadi zu erleben. Bilder: PD

In der «Pfadi trotz allem» können Kinder trotz ihrer geistigen oder körperlichen Behinderung der Pfadigemeinschaft angehören. Die neun Kinder und fünf Leiter der Gruppe «Bütschgi» im Zürcher Oberland treffen sich jeden zweiten Samstag im Monat. Sie kochen über dem Lagerfeuer Schoggi-Fondue, fahren Schlittschuh oder tanzen in Hippie-Kleidung zu Abba. Typisch Pfadi. «Wichtig ist bei uns eine klare Struktur», sagt der 23-jährige Pfadileiter Aaron Ackermans. Doch gleichzeitig müsse man flexibel auf Unvorhergesehenes reagieren können. Die meisten Kinder sind sehr selbstständig, doch gibt es auch solche, die auf Hilfe angewiesen sind. Wie jenes Mädchen, das weder gehen noch sprechen kann, sich mit einem Velo mit Handkurbel fortbewegt und über einen Computer kommuniziert. Die Herzlichkeit der Kinder, das ungezwungene Beisammensein und der Zusammenhalt im Leiterteam haben Ackermans sofort gepackt, als er vor drei Jahren einen Schnuppertag bei den «Bütschgis» machte. Den Umgang mit Kindern, die geistig oder körperlich eingeschränkt sind, könne man nur lernen, indem man Zeit mit ihnen verbringe und einander kennenlerne. «Von einer medizinischen Diagnose auf einen Menschen zu schliessen, ist unmöglich, weil jeder anders ist.» Die Leiter haben weder eine heilpädagogische Ausbildung noch «eine Anleitung, wie man es richtig macht», sagt Ackermans. Man spreche deshalb im Leiterteam oft miteinander und suche gemeinsam Lösungen. Besonders während der mehrtägigen Lager sind die Leiter gefordert. «Ich komme immer wieder an meine Grenzen», gesteht Ackermans. «Doch wenn wir auf der Strasse beäugt werden, wenn etwas nicht klappt, dann ist mir das mittlerweile recht egal.»

Die Kinder leben in ihrer eigenen Welt, mit eigenen Regeln. Und genau das geniesst Ackermans. Natürlich habe es zu Beginn eine Hemmschwelle gegeben. Doch «wenn man diese abbauen kann, merkt man, wie reich die Welt dieser Kinder ist». Nach der Schreinerlehre hatte Ackermans ursprünglich eine Weiterbildung zum Innenarchitekten geplant. Doch in der «Pfadi trotz allem» wurde er mit sozialen und ökologischen Fragen konfrontiert, und im Zivildienst arbeitete er mit Menschen mit einer kognitiven Behinderung in der Montage. Weil das Zusammensein mit seinen «Bütschgis» eine Herzenssache bleiben sollte und er es nicht «verkopfen» wollte, entschied er sich gegen ein Studium zum Sozialpädagogen. Im Sommer begann er ein Studium zum Umweltingenieur mit Schwerpunkt biologische Landwirtschaft. In den Semesterferien arbeitet er noch immer als Schreiner. Und nach dem Studium? «Ein eigener Hof mit einer Schreinerwerkstatt, wo Menschen mit Behinderung mitarbeiten.» Das würde alles vereinen, was ihm wichtig ist: Menschen, Natur und Handwerk. Hehre Ziele.

Trotzdem, Ackermans ist weit davon entfernt, Idealist zu sein. Auch das spontane Wochenende in Berlin und die Spritztour im BMW seiner Freunde liegt drin. Dass er damit aneckt bei Studienkollegen, nimmt er in Kauf. Er ist es gewohnt: Als Vegetarier auf der Baustelle, Pfadileiter ohne Wanderschuhe und zukünftiger Landwirt mit Fitnessabo macht er sowieso schon einen Spagat zwischen vielen Welten.

«Natürlich gibt es eine Hemmschwelle. Doch wenn man diese abbauen kann, merkt man, wie reich die Welt dieser Kinder ist.»

ho

Veröffentlichung: 24. Januar 2019 / Ausgabe 4/2019

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