Praxis macht erfinderisch

Aufwendiges Detail, das bisher im Badezimmermöbel meistens individuell gelöst wurde: Der Schubladenausschnitt um den Siphon. Bild: Patrik Ettlin

Entwicklung.  Der Siphon-Schubladenausschnitt bei einem Badezimmermöbel ist eigentlich nur ein Detail – doch ein zeitaufwendiges, wenn die passende Lösung fehlt. Ein erfinderischer Schreiner machte sich deshalb daran, ein neues und einfaches System zu entwickeln.

«Viele guten Ideen verlaufen im Sand, weil man schon von Beginn weg die perfekte Lösung anstrebt. Doch so kommt man nicht oder nur stark verzögert zum Ziel. Deshalb muss man irgendwann einfach einmal mit der Umsetzung starten.» Genau dies hat sich Christian Huber, Schreiner, 34 Jahre alt, zu Herzen genommen. Statt seine Idee verfallen zu lassen, packte er die Chance beim Schopf und entwickelte daraus ein heute patentgeschütztes System. Entstanden ist ein einfach zu montierendes Eckelement für den Schubladenausschnitt – dort, wo der Siphon in die Schublade ragt. Doch alles der Reihe nach.

Praktische und individuelle Lösungen

Nach seiner vierjährigen Lehre durchlief Huber diverse Weiterbildungen des VSSM: Maschinist, Sachbearbeiter Fertigung und Planung und zuletzt die Ausbildung zum eidgenössisch diplomierten Werkmeister. Besucht man ihn im Showroom seines Arbeitgebers Crea-Holz AG in Benken SG, wo er zusammen mit dem Firmeninhaber Küchen, Badezimmer und Möbel plant und konstruiert, trifft man auf lauter kleine Erfindungen, überraschende Lösungen. Beispiele? Unter der Küchenablage versteckt sich ein ausziehbarer, praktischer Tisch. Oder anstatt dass die Küchenecke konventionell mit einem Rondell ausgestattet wird, kommt bei der Crea-Holz AG ein hauseigenes System zum Einsatz.

Das ungelöste Detail

Zusammengefasst: Wo es etwas nicht gibt, wird eine Lösung gesucht und ein neues System entwickelt – wie beim Schubladenausschnitt des Badezimmermöbels. Christian Huber hat schon viele Badezimmermöbel eingebaut. Weder die Fertiglösungen, die auf dem Markt für den Siphonausschnitt angeboten werden, noch die Montage von Hand, die gut eine Dreiviertelstunde dauert und an den Ecken anfällig auf Feuchtigkeit ist, haben ihn dabei überzeugt. Zu lange und zu aufwendig befand der Schreiner diesen Arbeitsschritt. Flexibel sollte der Ausschnitt um den Siphon direkt auf der Baustelle montiert werden können, einfach, schnell und trotzdem sauber. Statt die Spanplatten, die den Rand um den Ausschnitt bilden, auf Gehrung zu schneiden und so zusammenzubauen, wollte Huber die Platten mit vier Eckteilen verbinden und am Schubladenboden anschrauben. Abmessungen und Positionierung sollten flexibel bleiben, die Umsetzung aber auf knapp zehn Minuten reduziert werden. Huber konstruierte die vier Eckteile auf einem CAD-Programm und produzierte einen Prototyp auf dem eigenen 3D-Drucker. Aus der Konstruktionszeichnung entstand so rasch ein dreidimensionales Objekt, das er montieren und überprüfen konnte. «Und gleich der erste Versuch funktionierte», erzählt Huber.

Der Prototyp blieb trotzdem zuerst einmal ein Jahr lang in der Schublade liegen. Neben seinem Vollzeitjob als Projektleiter bleibt nicht mehr viel Zeit übrig, und dann sind da noch die Fasnacht, das Schneeschuhlaufen, Freunde und Familie.

Irgendwann packte es den Schreiner doch, und er entschied, das Projekt nun richtig anzugehen und umzusetzen. Er liess eine auf dem 3D-Modell basierende Spritzgussform anfertigen und begann, die Kunststoffelemente im Spritzgussverfahren zu produzieren. Beim eigenen Arbeitgeber wurden seine Eckelemente mittlerweile standardmässig eingesetzt, die Zeitersparnis in der Montage war enorm. Ein Patent sollte das System von Nachahmern schützen, und Huber engagierte für das komplizierte Verfahren einen Patentanwalt. 2016 wurde das Eckelement in der Schweiz erfolgreich für ein Patent angemeldet. Beim europäischen Patentamt ist die amtliche Recherche abgeschlossen und die Patentschrift veröffentlicht; die definitive Anmeldung ist noch hängig.

Eigenes Unternehmen

Die Basis für den Vertrieb des Eckteils war damit gelegt, die Gründung der Huberinnovation GmbH Anfang 2017 der nächste Schritt. Wenn schon, dann von Beginn an richtig, entschied Huber, und er investierte in eine Firmensoftware, mit der alle Prozesse automatisiert ablaufen – von der Lagerverwaltung über die Kundendaten, Offerten, Rechnungen bis hin zur Finanzbuchhaltung. Einiges wie Verkaufsplanung, Buchhaltung und Marketing kannte der Schreiner bereits aus seiner Tätigkeit im Büro, aber das meiste musste er sich erst einmal beibringen. Der Gewinn aus dem Verkauf der Eckelemente erlaubt es derzeit noch nicht, für alles und jedes einen Spezialisten zu engagieren. So macht Huber vieles selber, wie etwa die Montageanleitungen oder die Visitenkarten. 2018 strebt der Firmengründer einen Absatz von 5000 Eckteilen alleine in der Schweiz an. Dabei setzt er nicht auf den Direktvertrieb, sondern auf die Zusammenarbeit mit Händlern.

Reto Sommer, Leiter Marketing beim Fachhändler Rudolf Geiser AG in Langenthal BE, hat das System sofort gefallen: «Modular, passgenau und einfach auf der Baustelle zu montieren.» Ein vergleichbares Produkt habe es auf dem Markt vorher nicht gegeben. Der Fachhändler hat deshalb die Eckelemente im Mai 2017 ins Sortiment aufgenommen. Im Moment laufen überwiegend Einzelbestellungen. Viele Schreiner möchten die Neuheit erst einmal testen.

«Da hat sich Einer was überlegt»

Die Schreinerei Gaull in Oberohringen ZH bei Winterthur bezieht die Eckteile bei der Rudolf Geiser AG und ist vom System überzeugt. Vorher sei es kompliziert gewesen, erzählt der Inhaber der Schreinerei, Christian Gaull. Im Einzelfall lief das folgendermassen ab: Zuerst musste das Badezimmermöbel montiert werden. Dann setzte der Sanitär Wasserleitung und Siphon ein, worauf die Schublade zurück in die Werkstatt gebracht und dort der Ausschnitt vorgenommen wurde.

Heute sägt er mit der Stichsage auf dem Bau den Ausschnitt aus und fasst diesen mit den vorbereiteten Teilen ein. Man merke, so Gaull, «dass sich hier einer etwas gut überlegt hat – und zwar kein Theoretiker, sondern einer aus der Praxis». Was Gaull noch vermisst, sind Eckteile für höhere Schubladenwände. Doch auch solche sind bei Huber bereits in Arbeit. Wenn der Absatz in diesem Jahr stimmt, kommt die geplante Produkterweiterung.

Der Schreiner als Erfinder

«Es gibt noch viel zu tun», sagt Christian Huber. Gerade arbeitet er an einem Montagevideo, das veranschaulichen soll, wie das System funktioniert, und die einfache Montage demonstriert. Die positiven Feedbacks spornen ihn an. «Zu sehen, dass die eigene Idee im Betrieb eingesetzt wird und funktioniert – das macht Freude!» Und sie zeigen, dass auch «ein ganz normaler Typ» etwas entwickeln kann, das vielleicht bald sogar im EU-Raum patentiert wird. Zudem unterstreicht dieses Beispiel ein weiteres Mal, dass innovative Schreiner der ganzen Branche durch praxisorientierte Entwicklungen wertvolle Dienste erweisen können.

HO

www.huberinnovation.chwww.crea-holz.chwww.gela.ch

Veröffentlichung: 18. Januar 2018 / Ausgabe 3/2018

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