Risikomanager auf 4000 Metern

Mit Leidenschaft Bergführer und Schreiner: Sven Schärer (28) aus Kandersteg. Bild: Alessandro Dazio

Trotz Corona war es ein guter Sommer für Bergführer Sven Schärer aus Kandersteg BE. «Nach dem Lockdown gab es grossen Aufholbedarf, und die Leute hatten mehr Geld, weil ihre Strandferien ausgefallen sind», glaubt er. Weil in den sonst eher beengenden Hütten Schutzkonzepte galten, habe es für einmal sogar richtig viel Platz gehabt. Bergführer war immer schon Schärers Traumberuf. Seine Eltern waren lange Hüttenwarte in der Doldenhornhütte, und er verbrachte als Kind jeden Sommer dort. Im Winter fuhr er oft auf die Kleine Scheidegg, wo sein Vater als Betriebsleiter arbeitete. «Ich bin von Alpinisten umgeben aufgewachsen und hegte schon als Junge grosse Bewunderung für Bergführer», sagt er. Nach einer Schreinerlehre in einem Kleinstbetrieb und erster Berufserfahrung absolvierte er eine Ausbildung zum Bergführer. «Es macht mich glücklich, Menschen an Orte zu führen, die sie sonst nicht erreichen können», sagt er. «Wenn ein Gast auf dem Gipfel in Freudentränen ausbricht, berührt das auch mich.» Mitten in der Nacht aufzustehen, um einen Gipfel zu erklimmen, sei hart. Aber man werde in der Regel dafür belohnt. Oft begleitet Schärer klassische Hochtouren, zum Beispiel auf die Blüemlisalp, oder er besteigt die bekannten 4000er. Auf diesen Touren kennt er jeden Tritt und jeden Griff. Bei anderen, neuen Touren braucht es mehr Vorbereitung.

Kennt er seine Gäste nicht, besteht er bei anspruchsvollen Besteigungen auf eine Vorbereitungstour. Unterwegs merke er sehr gut, wenn es heikel werde, und im Zweifelsfall breche er auch mal eine Tour ab. «Ich kann nicht alle Risiken ausschalten, aber ich versuche, sie zu minimieren. Dazu braucht es vor allem zwei Dinge: gute Vorbereitung und viel Menschenkenntnis», erklärt er. «Als Bergführer trage ich grosse Verantwortung – es hängt sprichwörtlich ein Leben an meinem Seil. Deshalb gibt es keine Fehlertoleranz.» Er ist als Bergführer nicht nur Risikomanager, sondern auch ein bisschen Reiseleiter, der vieles weiss und Gipfelfotos schiesst. Sehr gerne mag er technisch anspruchsvolle Touren, wie etwa die Besteigung des Eigers über den Mittellegigrat. Aber auch gemütlichere Touren seien schön, weil er da oft sehr dankbare Gäste habe. Zwischendurch ist er auch wochenweise mit Gruppen unterwegs, etwa auf Skitouren, in Kletterwochen oder als Canyoning-Guide im Tessin. Bei diesem straffen Programm plant Schärer die Zeit für seine Freundin fix ein – und dann gehen die beiden oft bergsteigen. Die Bergführerei ist stark wetterabhängig. Da sind Schärers weitere Standbeine Gold wert: Mit seiner Firma Alpinedreams verrichtet er im Holzerei- und Felssicherungsbereich Arbeiten am hängenden Seil. Ausserdem hilft er regelmässig in seinem früheren Lehrbetrieb aus, denn er liebt den «wohl vielseitigsten Handwerksberuf» immer noch. Für die Alpine Rettung Schweiz rückt er als Spezialist zu Bergunfällen aus – keine lukrative Angelegenheit, aber Ehrensache für ihn.

Während des Lockdowns baute er mit freiwilligen Helfern eine neue Variante des Klettersteigs von Kandersteg auf die Allmenalp. Und trotzdem: «Nach drei Monaten ohne Gäste hat mir das Bergführen sehr gefehlt», sagt er. «Schön, dass ich danach einen Sommer mit super Touren und tollen Gästen hatte.»

«Als Bergführer trage ich grosse Verantwortung – es hängt sprichwörtlich ein Leben an meinem Seil. Da gibt es keine Fehlertoleranz.»

franziska gertsch

Veröffentlichung: 15. Oktober 2020 / Ausgabe 42/2020

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