Schreiner lebt Traum von Olympia

Auf zur Medaillenjagd an den Olympischen Spielen. Fabio Badraun (30) trägt als Bobfahrer das Schweizer Outfit. Bild: Beatrix Bächtold

Dienstag vergangener Woche: Vier Stunden bis zum Abflug nach Pyeongchang in Südkorea und immer noch keine Spur von Hektik in der gemütlichen Wohnung von Fabio Badraun im Zürcher Kreis 5.

In der Küche brutzeln Fischstäbchen, Kaffee läuft durch. Hier deutet nichts darauf hin, dass der 30-Jährige bald in die offiziellen Olympia-Kleider der Schweizer Delegation schlüpfen, sein Gepäck schnappen und der Schweiz für zehn Tage Adieu sagen wird. Denn in diesem Moment sitzt der Bobfahrer noch am Esstisch aus amerikanischem Nussbaum, den er für die Lehrabschlussprüfung selbst geschreinert hat. In aller Seelenruhe erzählt er, wie alles angefangen hat.

«Mit 14 war ich felsenfest davon überzeugt, dass ich einmal an den Olympischen Spielen teilnehme. Meine Schwester hat gelacht und gemeint, dafür müsse ich ja erst einmal irgendeine Sportart ausüben», sagt Badraun, der zurzeit als Bauleiter arbeitet und berufsbegleitend ein Studium zum Hochbautechniker macht. Doch zurück zum Sport. Vom kritischen Input der Schwester wohl angespornt, beginnt er nach seiner Schreinerlehre, intensiv Sport zu machen. Zuerst Leichtathletik, dann Bobfahren. Und er ist erfolgreich. So belegt er mit seinem Team gar einmal den dritten Platz im Gesamtweltcup. Im Sommer 2017 nimmt er dann spontan an einem Leistungstest des Bobverbands teil und wird ohne grosse Vorbereitung Zweiter.

«Man bescheinigte mir eine sehr realistische Chance für eine Teilnahme an den Olympischen Spielen», sagt er. Um den Test zu schaffen, trainiert er in den darauffolgenden Monaten intensiv. Dann die Enttäuschung. «Ich wurde Vierter, hätte aber Dritter sein müssen, um im einzigen Viererbob der Schweiz zu sitzen», sagt er und beisst sich auf die Lippen.

Glücklicherweise darf die Schweiz aber dank exzellenter Resultate einen zweiten Viererbob ins Rennen schicken. «Mein Traum ist wahr geworden. Ich nehme an den Olympischen Spielen teil. Yes!», sagt Badraun, steht auf, holt sich die Fischstäbchen und schaut auf die Uhr. «Abflug in drei Stunden», stellt er fest, während er fast die halbe Tube Mayonnaise auf den Tellerrand drückt. In exakt 15 Stunden wird er Quartier beziehen im Olympischen Dorf, innerhalb von drei Tagen sechs Trainingsläufe absolvieren und dann am Samstag, 24., und am Sonntag, 25. Februar, um 1.30 Uhr MEZ mit seinem Team im Viererbob knapp eine Minute lang mit 150 Sachen die Eisbahn hinabpreschen.

Zuvor muss das Gefährt vom kräftigen Anschieber und seinem Viererteam innert Sekunden auf eine höchstmögliche Geschwindigkeit beschleunigt werden. Im Internet hat Badraun die Bahn schon gegoogelt. «Sie ist nicht gefährlich, doch sie hat eine Schlüsselstelle, bei der man Zeit verlieren kann. Wenn man sie optimal fährt, ist alles möglich», erklärt er, richtet den Blick auf das Fernsehgerät und sieht die Deutsche Natalie Geisenberger jubeln. Gold im Rodeln.

Badraun steht auf, holt Kaffee. Immer noch die Ruhe in Person. «Aufgeregt? Warum denn? Wir sind Aussenseiter. Von uns erwartet man nichts. Eine perfekte Situation. Ich gehe einfach und geniesse es. Schliesslich weiss ich, dass ich es kann. Das gibt mir Sicherheit», sagt er und nimmt einen Schluck aus der Tasse.

Aussenseiter oder nicht, einem Schreiner wie diesem, dem die Schlaflosigkeit bis wenige Stunden vor Olympia noch immer keine Ringe unter die Augen gemalt hat, ist alles zuzutrauen.

«Aufgeregt? Warum denn? Wir sind Aussenseiter. Von uns erwartet man nichts. Eine perfekte Situation. Ich gehe einfach und geniesse es.»

beb

Veröffentlichung: 22. Februar 2018 / Ausgabe 8/2018

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