Schweizer Präzision in New York

Hat etwas von einem Kinofilm: Der Ladenbaumonteur arbeitet direkt auf dem Trottoir der Fifth Avenue.

Ladenbau.  Ein Schweizer Ladenbauer gibt den Lesern der SchreinerZeitung einen Einblick in die Planung, die Logistik und die Montage eines nicht ganz alltäglichen Auftrages in Übersee. Hierbei gab es einige Hindernisse zu bewältigen, damit der Auftrag zum Erfolg wurde.

Die Ausführung eines hochstehenden Ladenumbauprojekts ist immer eine grosse Herausforderung für alle Beteiligten. Wenn sich das Ladenlokal dazu noch mitten im Herzen von New York City befindet, gibt es nur wenige Schweizer Ladenbauer, die genug Manpower und das nötige Know-how besitzen.

Die Obrist Interior AG aus Luzern hatte im vergangenen Jahr die tolle Möglichkeit, an der berühmten Fifth Avenue – der teuersten Strasse der Welt – ein einzigartiges Ladenbauprojekt umzusetzen. In dieser kleinen Dokumentation zeigt der Ladenbauer exklusiv, welche Schwierigkeiten und Tücken es bis zur Wiedereröffnung zu bewältigen galt und welche einzigartigen Eindrücke mit nach Hause genommen wurden.

Eine Operation am offenen Herzen

Für den Hamburger Juwelier Wempe plante die Obrist Interior AG die Erweiterung des Ladenlokals in New York. In drei Bauphasen wurde auf über 450 m2 eine Erlebniswelt für den Kunden geschaffen. Beim Gebäude, in dem der Umbau stattfand, handelt es sich um den allerersten Stahlbau von New York City. Das Hochhaus wurde 1905 als «Gotham Hotel» erbaut und gehört heute zur Peninsula-Hotelkette. Der Verkaufsbetrieb wurde während des Umbaus nicht eingestellt, was den Ablauf und die Organisation der Arbeiten zusätzlich erschwerte. «Der Ausbau war eine sprichwörtliche Operation am offenen Herzen und stellte besonders hohe Anforderungen an die Logistik», sagt Susanne Feierabend, Head of Marketing bei der Obrist Interior AG.

Unbekannte eruieren

Als Erstes musste sich der Ladenbauer mit den amerikanischen Eigenheiten und Unterschieden auseinandersetzen, um diese im Auftrag einplanen zu können. Neben der etwas anderen Arbeitsweise gibt es beispielsweise auch Unterschiede in der Genauigkeit der ausgeführten Arbeiten. «Wir haben die Teile prinzipiell etwas grösser gefertigt, um sie auf dem Bau anpassen zu können», sagt Susanne Feierabend.

Auch die enormen Distanzen vor Ort und das hohe Preisniveau sind Faktoren, die es bei einem Auftrag in Übersee zu berücksichtigen gilt. Einige Probleme, etwa mit der Logistik in den USA, konnten mittels Vorabklärungen gelöst werden. Die restlichen Punkte, wie zum Beispiel die Genauigkeit, wurden so geplant, dass sie vor Ort lösbar waren.

Ein logistisches Meisterstück

Die grösste Schwierigkeit des Umbauprojektes war die logistische Abwicklung. Durch die Einteilung des Umbaus in drei Etappen mussten die 167 gebundenen Paletten jeweils zum richtigen Zeitpunkt von Luzern nach New York transportiert werden. Hierfür wurden sie in insgesamt 10 Container verladen und in ein provisorisches Zwischenlager in New Jersey transportiert, welches für die Dauer des Auftrages angemietet wurde. New Jersey befindet sich circa zwei Autostunden ausserhalb von New York. In diesem Zwischenlager konnten die gebundenen Paletten nochmals sortiert und positionsweise zusammengestellt werden. Anschliessend wurden sie positionsbezogen mit einem Kleintransporter zum Ladenlokal gefahren und abgeladen. Damit dieser Ablauf reibungslos funktionierte, musste in der Produktion genau darauf geachtet werden, dass alle Bauteile richtig beschriftet, zusammengestellt und verpackt sind. «Es gab einen genauen Packplan mit Angaben, welche Teile auf welche Palette gehören», sagt Susanne Feierabend. Um einen Überblick zu bewahren, wurden diese Packlisten laufend nachgeführt. Damit die Spediteure in Amerika informiert und die Transporte geplant werden konnten, mussten die Listen alle Masse im metrischen und angloamerikanischen System, also in Inches, Feet und Yards beinhalten. Auch für die Zusammenarbeit mit den einheimischen Handwerkern mussten sich die Monteure und der Projektleiter mit beiden Masssystemen auskennen. Für den Fall eines Transportschadens wurde eine spezielle Spediteur-Versicherung abgeschlossen, welche bis 30 Tage nach dem Transport Gültigkeit hat.

Vorschriften erfüllen lassen

Für Arbeiten, die eine Abnahme benötigen, wie etwa die elektrischen Anschlüsse oder die Verkabelung, wurde mit einheimischen Firmen zusammengearbeitet. Auf diese Weise wurden die in Amerika geltenden technischen Vorschriften eingehalten und die Arbeit ohne grössere Probleme abgenommen. Dadurch kam es zu praktisch keinen Verzögerungen und es konnte rasch weitergearbeitet werden.

Vom Logistiker bis zur Entsorgung

Ein solch spezieller Auftrag ist sehr lehrreich für die Organisation und die Abläufe eines Unternehmens. Laut den beteiligten Personen hat die Organisation des Warenumschlags sowie die Kommunikation aus logistischer Sicht hervorragend funktioniert. Die Arbeit mit den Lieferscheinen vor Ort hätte jedoch speditiver ablaufen können. «Es war anspruchsvoll, alle Teile zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu haben», sagt Feierabend und fährt fort: «In Zukunft werden wir einen Logistik-Verantwortlichen vor Ort einsetzen, der die Positionen kontrolliert und für den Weitertransport vorbereitet.» Das Thema Entsorgung wird in New York City ebenfalls etwas anders als in der Schweiz gehandhabt. «Wir mussten niemals eine Mulde stellen. Am Abend konnte alles auf das Trottoir gestellt werden, und am Morgen war es verschwunden», sagt Feierabend.

Es ist immer wieder schön, zu sehen, wie ein Schweizer Handwerksunternehmen mit Mut, Einzigartigkeit und Know-how weltweit operieren kann.

www.obrist-interior.ch

120 Jahre Erfahrung

Die Obrist Interior AG aus Luzern wurde 1895 gegründet und wird seit dem Jahr 2015 vom CEO Marcel Müller geführt. Heute beschäftigt die Firma rund 50 erfahrene Fachpersonen aus Technik, Planung, Projektleitung, Handwerk und Logistik. Momentan entsteht im luzernischen Inwil der neue Firmensitz.

Ein versierter Innenausbauer

Das Unternehmen bietet massgeschneiderte Produkte und Dienstleistungen für den hochwertigen Innenausbau an. Im Fokus steht dabei immer die individuelle Lösung für eine einzigartige Herausforderung. Die Kundschaft profitiert von einer Kombination aus solider Erfahrung, professioneller Projektsteuerung und beherztem Enthusiasmus.

njg

Veröffentlichung: 03. August 2017 / Ausgabe 31-32/2017

Artikel zum Thema

09. Mai 2024

Schwungvolle Radien, fliessende Formen

Umbau.  Für die Raiffeisenbank in Olten wurde die Innenarchitektur im bestehenden Rundbau realisiert. Beratung und Empfang konzentrieren sich kreisförmig um das Zentrum. Radiale Konstruktionen in Holz, Gips, Glas und Metall forderten die beteiligten Schreiner heraus.

mehr
29. Februar 2024

Grosses Kino unterm Dach

Typisch britisch.  Den Dachausbau einer Villa in Burgdorf BE hat die Schreinerei Werthmüller ganz nach dem persönlichen Geschmack des Bauherrn umgesetzt. Das Heimkino und die Bibliothek sind geprägt durch britische Stilelemente, allen voran die Ölfarbe auf profilierten Flächen.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Umbauen