Seine Schilder schützen den Schlaf

Schreinermeister Thomas Etter (63) ist Masterberater Feng Shui. Mit seiner Wünschelrute spürt er Wasseradern auf. Bild: Beatrix Bächtold

Vor gut 15 Jahren stellte sich von einem Tag auf den anderen das Weltbild Thomas Etters auf den Kopf. Wenn der Schreiner heute von diesem persönlichen Quantensprung berichtet, nennt er es ein «Drama» und schüttelt immer noch ungläubig den Kopf dabei. «Damals war die fernöstliche Harmonielehre Feng Shui in aller Munde. Und ich dachte mir, dass ich ja meine Kunden nicht beraten kann, wenn ich nicht weiss, was das ist.» Zu dieser Zeit hatte Etter in der Region Basel noch eine Schreinerei mit rund zehn Mitarbeitern. Um auf dem Laufenden zu sein, belegte er einen eintägigen Feng-Shui-Kurs, angeboten vom Schreinermeisterverband. Und weil auch das Aufspüren von Wasseradern eine Feng-Shui-Disziplin ist, schickte man die Teilnehmenden mit einer Wünschelrute in der Hand über ein Brücklein. Bei keinem schlug sie aus. «Bei mir – klick – senkrecht, und überaus deutlich. So etwas hielt ich bis anhin für Mumpitz. Doch plötzlich spürte ich das Unmögliche am eigenen Leib, ausgelöst durch ein unbewusstes Muskelzucken», berichtet er. Das Erlebte lässt den Schreiner nicht mehr los, und bereits ein Jahr später erlangt er den Titel «Ausgebildeter Masterberater». Das heisst, er beherrscht vertieft die Grundlagen von Feng Shui, die chinesische Astrologie und auch das grosse Landschafts-Feng-Shui.

Zu dieser Zeit gab es im deutschsprachigen Europa nur etwa 30 dieser Masterberater. Aber auch heute noch ist Etter eher ein Exot. Aus Überzeugung hat er nämlich alle elektrischen Werkzeuge aus seiner kleinen Werkstatt in seinem Wohnhaus in Rodersdorf SO verbannt. Er spricht von der Seele eines Produkts und ist überzeugt, dass man in den Anfängen der Schreinerei ganz genau über die energetischen Verhältnisse im Bereich der Holzverarbeitung Bescheid wusste.

Und so fügt er unbeirrt nach dem uralten Prinzip «Herz an Herz, Splint an Splint, wechselseitig» seine von Hand gehobelten Bretter zusammen. Schropp-, Raubank und am Schluss noch Putzhobel? «Handgehobelt gibt samtig seidige Oberflächen», flüstert er und macht mit der Hand eine Bewegung, so als würde er eine Katze streicheln. Diese Schutzschilde aus dem Holz der Erle platziert er dann unter den Betten der Menschen, um sie gegen die darunterliegenden Wasseradern abzuschirmen. Pro Jahr wenden sich rund 50 Hilfesuchende an ihn. «Laut Bundesamt für Statistik leiden 25 Prozent der Schweizer unter Schlaflosigkeit. Also warten noch zwei Millionen Menschen auf meine Schlafschilde», sagt er scherzend. Seine Kunden konsultieren ihn, wenn sie ein neues Haus bauen, wenn sie Glück in «unglückliche» Räume bringen möchten oder wenn die Schulmedizin keine Antwort auf ihre diffusen Beschwerden findet. Gezahlt wird drei Monate nach dem Einbau, und das nur bei Erfolg. War es ein Fehlschlag, so holt der Schreiner seine Konstruktion kostenlos wieder ab.

Seit fünf Jahren baut Etter solche Schlafschilde. «Bis jetzt hatte ich nur eine Rücknahme. Japanische Ärzte schicken ihre Patienten zum Waldbaden, zum Eintauchen und Einswerden mit der Natur. Ich mache es umgekehrt. Ich hole die Natur zurück in die Räume meiner Kundschaft, und das ist kein Hokuspokus», sagt er. Doch kann jedermann Wasseradern aufspüren? «Man braucht dazu den Mut, eins zu werden mit der Natur. Ich persönlich erreiche diesen Zustand durch Meditation. So werde ich zum Teil eines Ganzen, zum Tropfen im Ozean», sagt er und fügt schmunzelnd hinzu: «Vielleicht tun sich Schreiner generell leichter damit, in die Meditation einzutauchen. Denn schon das ihnen bekannte, monotone Klopfen der Hobelmaschine hat einen meditativen Aspekt.»

«Ich hole die Natur zurück in die Räume meiner Kundschaft, und das ist kein Hokuspokus.»

beb

Veröffentlichung: 04. Juli 2019 / Ausgabe 27/2019

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