Über alle Felsen - voll sein Ding

Blauer Himmel, Ligurien und Bike. So stellt sich der Schreiner Kurt Baggenstoss (53) seine Ferien vor. Bild: PD

Leute. Kurt Baggenstoss ist zurück aus den Ferien. Er ist voller Energie. Was er als Traumferien bezeichnet, ist eher ein Albtraum für Leute, die sich nicht bis an den Rand der Erschöpfung «metzgen» möchten oder sich nur ungern vom Regen nass durch die Natur quälen.

Um sich eine glückliche Auszeit zu nehmen, braucht der Schreiner, der bei der Gebrüder Graf AG in Eglisau arbeitet, nur sechs Dinge: seine Frau Barbara, sein VW-Büssli, sein Bike, sein Bike, sein Bike und sein Bike. Baggenstoss ist Biker mit Leib und Seele. Schon als Jugendlicher fing das an. Und als dann vor ungefähr 40 Jahren die ersten Mountainbikes mit ihren Stollenpneus die Mobilitätslandschaft aufmischten, war er dabei. Endlich konnte man sich abseits der Verkehrsströme durch den Wald oder über alle Felsen bewegen. Voll sein Ding. Im Alter von 22 Jahren nahm er an den ersten Rennen teil, die es damals gab. Diese machten ihm so richtig Freude, und nebenbei erlangte er dabei eine beachtliche Kondition. Eine spezielle Herausforderung war der Transalp, ein Etappenrennen für Zweierteams, an welchem er regelmässig teilnahm. Inzwischen ist Baggenstoss aber in der zweiten Lebenshälfte angelangt. «Ab vierzig nimmt man es gemächlicher. Dann ist es genug mit dem sportlichen Kräftemessen. Das ist einfach so», sagt der 53-Jährige und erklärt dann, dass dieser Sport auch Gefahren berge. «Es ist nicht nur Plausch, sondern eben auch eine Risikosportart», sagt er.

«Als Vater macht es mir natürlich speziell Freude, wenn ich erkenne, dass ich meinen Kindern etwas fürs Leben weitergeben konnte.»

Diese Erkenntnis basiert auf einer Erfahrung, die er vor ungefähr zehn Jahren im Tessin machte. «Ich fuhr durchs Centovalli auf einem Trail. Eine Gruppe von Bikerinnen und Bikern kam mir entgegen. Höflich, wie ich nun mal bin, fuhr ich ganz nahe an den Abgrund und hielt an, um sie durchzulassen», berichtet er. Aus unerklärlichen Gründen verlor er aus dem Stand heraus das Gleichgewicht und stürzte den steilen Hang hinab. Das tat richtig weh. «Ich sah aus! Prellungen, Schürfungen, Bänder ab, Wadenbein gebrochen», fasst er zusammen. Zum Glück konnte er sich aus eigener Kraft bergen, eine Schmerztablette aus dem Rucksack schlucken und sich dann selbst ins Spital einliefern. «Zur Not gäbe es auch die Rega. Aber mir ist das Velo lieber als der Helikopter», witzelt er. Erlebnisse wie dieses sind aber Einzelfälle, von denen er nicht so gerne berichtet. Viel lieber erzählt er von blauem Himmel, traumhafter Aussicht und einem Sport, der ihm im Leben viel gab. Apropos geben: Aktuell gibt Baggenstoss in seinem Wohnort Rafz im Zürcher Unterland Mountainbike-Fahrtechnikkurse für Fortgeschrittene, die anspruchsvolle Trails planen und sich nun mit Tipps vom Fachmann darauf vorbereiten wollen. Mit Begeisterung erzählt er, dass er in Davos auch schon Lager von «Jugend+Sport» begleitet hat. Er sagt: «Es machte Freude, zu sehen, wie die 8- bis 16-jährigen jungen Menschen begeistert und schon auf recht hohem Niveau den Bikesport ausüben.»

Früher waren in diesen Kursen auch seine Tochter Kim und sein Sohn Luca mit dabei. Die beiden sind inzwischen erwachsen und haben die Freude am Sport nicht verloren. Baggenstoss sagt: «Als Vater macht es mir natürlich speziell Freude, wenn ich den Fortschritt der eigenen Kinder sehe und erkenne, dass ich ihnen etwas fürs Leben weitergeben konnte.»

Beatrix Bächtold

Veröffentlichung: 22. Mai 2023 / Ausgabe 20/2023

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