Umtriebiger Touristiker

Eduard Wüthrich (74) ist Schreiner und Campingplatzbetreiber. Er arbeitet für sein Leben gern. Bild: Franziska Gertsch

Leute. Eine strenge und schöne Saison war es. Eduard Wüthrich ist zufrieden mit dem vergangenen Sommer. Sein kleiner, aber feiner Campingplatz liegt malerisch im Diemtigtal und ist Ausgangspunkt für Wanderungen und Biketouren in diesem abgelegenen, gleichwohl wunderschönen Tal im Berner Oberland.

Den Campingplatz Eggmatte in Schwenden betreiben die Wüthrichs seit über 20 Jahren. Er ist Kern eines kleinen Tourismusimperiums, das sich die Familie über Jahre mit Fleiss und Bescheidenheit erarbeitet hat. Eduard Wüthrich war immer schon arbeitsam und umtriebig: Nach der Ausbildung zum Schreiner im Betrieb seines Vaters heiratete er Anfang zwanzig, wurde innert kurzer Zeit dreifacher Vater und übernahm als 27-Jähriger die Schreinerei. In der gleichen Zeit kaufte er dem Vater eine alte Berghütte ab und renovierte sie in seiner Freizeit. Nun wird die Nidegghütte seit bald 50 Jahren an Gruppen vermietet. Seine drei Söhne bildete der Schreinermeister im eigenen Betrieb aus. «Dass sie alle mit dem Hobel abschlossen, machte mich nicht nur als Lehrmeister, sondern auch als Vater stolz», sagt er. Der Unternehmer engagierte sich auch im Verbandsleben und amtierte unter anderem als Präsident des Schreinermeisterverbands Frutigen-Simmental-Saanenland. «An das Verbandsleben denke ich immer noch mit viel Freude zurück – der Zusammenhalt war grossartig.» Vor gut zehn Jahren übernahmen zwei seiner Söhne und ein ehemaliger Lehrling gemeinsam die Firma. «Das klappte reibungslos. Seither mische ich mich nicht mehr ein, aber meine Frau und ich sind immer da, wenn es uns braucht», sagt der 74-Jährige.

Nach dem Umbau der Nidegghütte kaufte die Familie mit angespartem Geld das alte Hotel «Enzian» und baute es zum komfortablen Gruppenhaus um. «Ich wollte nie reich werden, aber ich hatte immer Freude daran, etwas zu erschaffen. Ich konnte mit gespartem Geld neue Projekte angehen, aber mit dem Geld aus der Vermietung auch immer wieder in die Schreinerei reinvestieren», erklärt er. Nach der Ortsplanungsrevision von 1997 konnte er in Schwenden Landwirtschaftsland in eine Campingzone umwandeln. 2001 nahm er den Camping Eggmatte in Betrieb. Er verfügt über 30 Festplätze, darunter 16 Chalets aus Holz, welche die Schreinerei Wüthrich selbst gebaut hat, 25 Saisonplätze, rund 25 Plätze für Kurzaufenthalter sowie eine rollstuhlgängige 7,5-Zimmer-Ferienwohnung. Wüthrichs Frau und die Schwiegertöchter kümmern sich um die Reservierungen und er selber ist Hausabwart und Camping-Platzwart. «Auf dem Camping empfange ich die Gäste und rücke aus, wenn es etwas braucht», sagt er. Als ob sie noch nicht genug Arbeit hätten, richten die Wüthrichs mit ihrem Camping-Beizli auch Feste aus oder bieten einen Catering-Service. Dass das Familienunternehmen funktioniert, daran hat auch Wüthrichs Frau einen grossen Anteil. «Wir waren immer ein gutes Team. Meine Frau ist kaufmännisch stark, spricht viele Sprachen und ist ebenso fleissig wie bescheiden», schwärmt er. Er freue sich darauf, wieder mehr mit ihr wandern zu gehen oder Ski zu fahren. «Aber aufhören zu arbeiten? Das kommt gar nicht infrage, dafür geniessen wir die Arbeit zu sehr», meint er.

Auch die Geselligkeit kommt nicht zu kurz: Besonders mag er seine Geburtstagsfeste. Seit seinem 50. Geburtstag lädt er jeweils bis zu 50 Gäste zu gemeinsamen Ausflügen oder Festen ein. Wenn er im Oktober seinen 75. Geburtstag feiert, darf eine Tanzkapelle nicht fehlen. «Mit meiner Frau das Tanzbein zu schwingen, das liebe ich sehr und im Alltag fehlt dazu die Gelegenheit», sagt er und lacht herzlich.

«Ich wollte nie reich werden, aber ich hatte immer Freude daran, etwas zu erschaffen.»

Franziska Gertsch

Veröffentlichung: 19. September 2022 / Ausgabe 37/2022

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