Von Holz und Kristallen

Albin Rigert (50) und sein bisher kostbarster Fund als Strahler, den er «Hase» nennt. Bild: Caroline Schneider

In der Wohnung von Albin Rigert findet man über 1000 Kristalle. In Vitrinen hat er seine schönsten Funde ausgestellt. Schon als kleiner Knirps war er immer auf der Suche nach einem speziellen Schatz. Als Jugendlicher besuchte er Baustellengruben, stocherte in der Erde nach Versteinerungen, Scherben aus dem Mittelalter, Kristallen oder sonstigen Funden aus der frühen Menschheitsgeschichte. Mit 16 Jahren trat er dem Strahlerverein von Luzern bei. Mit Strahlstock, Hammer und Meissel bewegt er sich stundenlang durch die Berge. Oft bleibt die Suche erfolglos. Seiner Leidenschaft hat dies jedoch keinen Abbruch getan. «In der dicht besiedelten Schweiz ist das Strahlen eines der letzten Abenteuer geblieben. Als Strahler sucht man unbegangene und unbesuchte Orte auf.» Das versetze ihn in eine Art Goldgräberstimmung. Wenn er einer Sache auf der Spur sei, gerate er unweigerlich in dieses Fieber. «Das Strahlen bringt mich ins Hier und Jetzt. Ich vergesse alles um mich herum. Ich verbinde mich mit der Natur und beginne, den Berg zu spüren, und lasse mich intuitiv leiten.» Das Strahlen birgt aber auch Risiken. Man bewegt sich meist oberhalb von 2000 Höhenmetern. Steinschlag ist die grösste Gefahr, aber auch ein abrupter Wetterwechsel kann gefährlich werden oder wenn man in einer Höhle festklemmt. «Deshalb sind volle Konzentration, gutes Beobachten und vorsichtiges Arbeiten gefragt», sagt der Hobby-Strahler. Eigenschaften, die es auch in seinem Beruf als Schreiner braucht.Von seinem Hobby inspiriert, fertigt der selbstständige Schreiner unter anderem Holzobjekte in Form von Kristallen, die er unter dem Namen Kristallholz vermarktet. Daneben ist er 40 Prozent als Facility Manager im Park einer Stiftung in Meggen LU tätig.In der Schweiz kommen mehrere Hundert Mineralien vor. Die Strahler suchen am häufigsten nach Quarz. Nebst dem typischen Bergkristall gibt es eine Vielzahl Varietäten wie zum Beispiel Amethyst, Rauchquarz oder Rosenfluorit. Wachstumsbedingungen, Temperatureinflüsse und Gesteinsvorkommen beeinflussen das Aussehen dieser Mineralien. Mit 20 Jahren hat Rigert seinen bisher grössten und wertvollsten Bergkristall gefunden. «Ich taufte ihn Hase, da mich die zwei gleichmässigen Spitzen an zwei Hasenohren erinnern.» Einen spektakulären Fund machte er vor zehn Jahren in seinem Garten in Udligenswil LU. Wenn er alte Objekte finde, könne er diese gut in die entsprechenden Zeiträume einordnen. «Ich war überzeugt, dass ich auf ein archäologisch wertvolles Stück aus der Urgeschichte gestossen bin. Es war ein rund fünf Zentimeter grosser Silex, das härteste bekannte Material aus der Steinzeit.» Einige örtliche «Spezialisten» taten den Fund als «Albin-Gespinst» ab, doch er blieb hartnäckig und ging mit seinem Schatz zum Kanton. Und er bekam recht. Der Kantonsarchäologe datierte den Stein auf die Zeit zwischen 6700 und 5500 vor Christus. Die Jäger von damals trugen solche Steine auf sich und schlugen davon messerscharfe Splitter ab, die als Klinge oder Pfeilspitze dienten.Wenn Rigert in eine Zeitmaschine sitzen könnte, würde er zurück in die Steinzeit reisen. Der Udligenswiler glaubt, dass das Sippenleben, diese Urform des gemeinschaftlichen Zusammenlebens und Teilens, viel friedvoller war als das heutige Leben, und auf jeden Fall weniger kompliziert. Rigert schmunzelt bei der Geschichte und sagt: «Wahrscheinlich habe ich den Silex damals verloren und nun endlich wieder gefunden.»Caroline Schneider

«Das Strahlen bringt mich ins Hier und Jetzt. Ich vergesse alles um mich. Ich verbinde mich mit der Natur und beginne, den Berg zu spüren.»

Veröffentlichung: 29. Juli 2021 / Ausgabe 31-32/2021

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