Weg mit den halben Sachen

Die wohlgeformten Produkte vom italienischen Hersteller Falper sind über den Grosshandel und in Badstudios der Schweiz erhältlich: vielleicht. Bild: Falper

Badezimmer.  Im Geschäft mit dem Badezimmer finden sich viele Akteure. Die Poleposition halten dabei die Sanitärbetriebe, die besonderen Schutz geniessen. Doch die Grenzen lösen sich mehr und mehr auf, wodurch der Schreiner seinen Platz auch mit der Wanne finden kann.

Die Sanitärbranche bleibt merkwürdig. Ein Markt, der nur begrenzt spielt, und das bei Weitem nicht nur in der Schweiz. Das ungeschriebene Regelwerk dazu ist über lange Zeit gewachsen und hat sich bewährt. Zumindest für die Beteiligten des sogenannten dreistufigen Vertriebsweges vom Hersteller über den Grosshändler und dann zum Installationsbetrieb. Wer nicht Sanitärfachbetrieb ist, bekommt vielerorts beim Grosshändler gar nichts: keine Badewanne, kein Lavabo und keine Armatur. Damit das System in sich und darüber hinaus gut funktioniert, braucht es intensive Abstimmung untereinander. Das sah vor zwei Jahren auch die Wettbewerbskommission (Weko) so und verhängte Bussgelder in Höhe von insgesamt 80 Mio. Fr. gegenüber acht Sanitärgrosshändlern in der Schweiz wegen unzulässiger Preis- und Rabattabsprachen. Der Entscheid der Weko ist von den Sanitärgrosshändlern vor dem Bundesverwaltungsgericht mit Beschwerde angefochten worden. «Das Verfahren ist dort hängig, und es ist nicht absehbar, wann das Gericht über die Beschwerden entscheiden wird», erklärt Patrik Ducrey, Sprecher bei der Weko. «Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes kann anschliessend noch ans Bundesgericht weitergezogen werden.» Es wird also noch etwas dauern, bis sich die Position der Marktteilnehmer relativieren wird, oder auch nicht. Aber: «Unsere Entscheide enthalten in aller Regel neben Sanktionen auch Massnahmen gegen die betroffenen Unternehmen, um den wettbewerbswidrigen Zustand zu beseitigen. Bei Eintritt der Rechtskraft oder Bestätigung durch die Gerichte sind diese Massnahmen spätestens umzusetzen und die Nichtbeachtung kann wiederum mit Sanktionen geahndet werden», erklärt Ducrey.

Sprung in der Schüssel

Einige Jahre zuvor hat auch die Europäische Wettbewerbskommission gegenüber einem internationalen «Klokartell» ähnlich agiert. Auch damals gab es hohe Geldstrafen und die Anfechtung des Entscheids. Der Europäische Gerichtshof jedoch bestätigte schliesslich die Geldstrafen in Höhe von 622 Mio. Euro gegenüber 17 beteiligten Unternehmen in letzter Instanz. Hier ging es gegen Hersteller mit Namen wie Dornbracht, Grohe, Villeroy & Boch oder Duravit. Wie das deutsche Handelsblatt berichtete, gab es diese Absprachen zwischen Badezimmerausstattern aus verschiedenen Ländern wie Deutschland, Österreich, Italien, Belgien, Frankreich und den Niederlanden.

Wie relevant solche Vorgänge für die Schweizer Marktteilnehmer sind, zeigt der Blick in die Aussenhandelsstatistik der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV). Diese weist für das letzte Jahr im Bereich von Bau- und Sanitärkeramik ein Handelsdefizit von über 300 Mio. Fr. aus. Dem Importvolumen von 424 Mio. Fr. stehen Exporte in Höhe von 101 Mio. Fr. gegenüber. 75 % aller Einfuhren kamen aus den beiden wichtigen Lieferländern Italien (188 Mio. Fr.) und Deutschland (133 Mio. Fr.).

Etwas ausgeglichener ist die Bilanz bei den Metallwaren, wobei die Statistik auch hier neben den Sanitärbereich auch noch Büroartikel mit einschliesst. Das gesamte Importvolumen liegt mit 478 Mio. Fr. noch etwas höher als im Keramikbereich. Exportiert haben die Schweizer Hersteller 2016 Waren im Wert von 266 Mio. Fr. Wichtigste Herkunftsländer für Armaturen und Badartikel aus Metall sind Deutschland (149 Mio. Fr.), China (135 Mio. Fr.) und Italien (70 Mio. Fr.). Nennenswerte Mengen kamen auch aus Frankreich (19 Mio. Fr.) und Polen (17 Mio. Fr.). Insgesamt ist die Liste der Lieferantenländer bei den Metallwaren länger und ausgeglichener als bei den Keramikartikeln.

Konsumentenschutz im Vordergrund

Bei den Bussgeldern geht es freilich zuvorderst um den Schutz von Konsumenten, die mangels Wettbewerb zu hohe Preise zahlen, und nicht etwa um den verhinderten Wettbewerb zwischen Anbietern von Badezimmerausstattungen. Zwar werden Schreiner offenkundig benachteiligt gegenüber den Mitbewerbern im Bad, doch ist dieser Umstand bislang kaum ins Wanken geraten. Indirekt können die jüngeren Entwicklungen jedoch auch für den Schreiner Auswirkungen haben. Denn wenn die «unverbindlichen Preisempfehlungen» der Hersteller von Keramik und Armaturen sich tatsächlich zu solchen entwickeln, gibt es mehr Wettbewerb im Grosshandel. Und wenn dieser dadurch nicht die von vornherein abgemachten grosszügigen Rabatte an den Installateur weitergeben kann, nähern sich die Beschaffungspreise zwischen den unterschiedlichen Handwerkern zumindest etwas an. Der grösste Batzen am Verdienst des Installationsbetriebes, dem Einkauf und Weiterverkauf der Badezimmerausstattungen, wird so kleiner, wodurch das Komplett-angebot vom Schreiner konkurrenzfähiger wird, auch ohne angestammte Rabatte im Einkauf.

Vorerst bleibt es undurchsichtig

Noch setzt die Sanitärbranche überwiegend auf den sogenannten dreistufigen Vertriebsweg. Aber schon jetzt gibt es Nischen und Möglichkeiten, den überholten Seilschaften die Knoten zu lockern, weil der Wettbewerb langsam zu spielen beginnt. Längst nicht alle Händler halten sich strikt an das Verkaufsgebot an den Sanitärfachbetrieb. «Jedes einzelne unserer Mitglieder entscheidet selbst, wie es mit dieser Situation umgeht. Es gibt keine gemeinsame Strategie», erklärt dazu Adriano Prandi, Leiter Administration beim Schweizerischen Grosshandelsverband der sanitären Branche (SGVSB). Dabei geht es nicht nur um die Elemente mit Anschluss an die Hausinstallation, sondern auch um Spiegel, Accessoires und vor allem Möbel.

So verkauft der Schweizer Branchenprimus Sanitas Troesch nach wie vor Badezimmerausstattungen über den dreistufigen Vertriebsweg nur an den Sanitärfachbetrieb. «Nach Absprache liefern wir aber auch einzelne Badezimmermöbel über unsere Tochterfirma Element Küchen AG an Schreiner», erklärt Edith Dossenbach, Assistentin Leitung Marketing und Category Bad bei der Sanitas Troesch AG. Inzwischen ist es durchaus üblich, dass gerade Küchenbauer, die sich im Bad betätigen, mit ihren angestammten Lieferanten auch im Bad einig werden.

Andere, wie der aus einer Schreinerei hervorgegangene Badezimmerausstatter Talsee, hat die Schreiner als Zielgruppe gar nicht auf dem Zettel. «Wir konzentrieren uns auf Bauherren und Architekten», so Rebecca Steiner, Leiterin Marketing & Design bei der Talsee AG. Auch zeigen sich Hersteller und Lieferanten, sogar Schweizer Firmen von Badezimmerausstattungen, fast verwundert zur Nachfrage der SchreinerZeitung zum Thema: Lieferung auch an Schreiner, und das zu fairen Konditionen? «Die Sanitärapparate und Badarmaturen können vom Schreiner über den Grosshandel oder Installateur bezogen werden. Es ist Keramik Laufen nicht bekannt, dass der Grosshandel die Schweizer Schreiner nicht beliefert», so Corinne Rüetschi von der Kommunikationsagentur Core im Auftrag der Laufen AG.

Auch bei der Falper AG, der Schweizer Tochterfirma des italienischen Badezimmerherstellers, wird es am Ende nicht ganz klar. Der Schweizer Schreiner kann Falper-Produkte dann in der Schweiz kaufen, wenn er einen Händler findet, der nicht ausschliesslich an Sanitärbetriebe verkauft. Ob es dies gibt – die Antwort muss die Falper AG in Luzern auf Nachfrage der SchreinerZeitung jedoch offen lassen.

Welche Möglichkeiten der Schreiner hat

Trotz der teils etwas widrigen Marktumstände finden Schreiner ihr Betätigungsfeld in den Feuchtgebieten von Bad und Wellness-Spa-Bereichen. Denn im Gegensatz zum Installateur ist der Schreiner ein gestaltender Handwerker und kann dem Kunden so auch viel bieten. Ein gutes Beispiel liefert die Koller AG aus Ibach SZ. Diese arbeitet bei Badumbauten eng mit den Sanitärinstallateuren zusammen. «Wenn diese die Sanitärapparate liefern können, welche sie nachher anschliessen, haben wir auch von der Haftungsfrage betreffend Dichtigkeit und allfällige Schäden nie ein Pro-blem. Für mich passt die Lösung so. Durch diese Praxis haben wir eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Sanitärinstallateuren», sagt Urs Styger, Geschäftsführer der Koller AG.

Der Badezimmer-Kooperationsschreiner

Die Wertschöpfung im Bad generiert die Schreinerei mit den Teilen, welche sie selbst herstellt. Wohl ein typischer Fall und auch ein guter Weg, sich auf dieses Segment zu konzentrieren. Der Schreiner liefert das massgeschneiderte Ambiente. Bei der dazu nötigen Badewanne, wie etwa vom italienischen Edelhersteller Boffi aus Italien für 20 000 oder auch 30 000 Franken, hält er sich raus. Die Marge durch den Einkauf streicht der Sanitärbetrieb ein, was zum Teil beträchtlich sein kann. In anderen Bereichen kann indes der Schreiner punkten. «Was für uns vielfach interessant ist, das sind Duschtrennwände. Diese werden vom Sanitär meist auch an Drittfirmen weitergegeben. Wenn wir eh auf der Baustelle sind, ist dies ein mögliches Zusatzgeschäft», so Styger. Und: «Sobald wir mit Planungs- und Bauleitungsarbeiten beauftragt werden, wird dieser Aufwand verrechnet. Wir kommunizieren dies von Anfang an und machen damit gute Erfahrungen. Hier können wir klar punkten gegenüber dem Sanitärgrosshandel. Von dem kriegt man im Normalfall eine Liste mit der Auswahl, jedoch keinen Plan, ob und wie die ausgewählten Produkte eingebaut werden können», so der Praktiker.

Auch deshalb ist es gut, wenn der Schreiner direkten Kontakt zu den Herstellern hat, die sich in den Produkten auch bezüglich Massexaktheit und angebotener Hilfsmittel durchaus unterscheiden. So bietet Alape für die Verarbeitung durch den Innenausbauer auf der Website verschiedene Planungshilfen. Dazu gehören CAD-Daten, Montageanleitungen, technische Daten und Leistungserklärungen. Stolz ist man bei Alape auf die geringen Masstoleranzen der Becken von lediglich plus/minus einem Millimeter. Für die Vielzahl an Becken in allen Montagevarianten stellt Alape auf Anfrage auch Schablonen für die Erstellung von Trägerkonstruktionen zum Einbau von Becken zur Verfügung. Hier ist man also schon auf dem Weg hin zum Schreinerpartner als Badmacher.

Auch die Schreinerei Mock arbeitet bei ganzen Badumbauten eng mit einem örtlichen Sanitärbetrieb zusammen. «Wir beziehen die Produkte bei diesem und lassen sie auch gleich von ihm installieren. Andersrum berücksichtigt er uns, wenn er ein Möbel braucht. So profitieren wir gegenseitig von guten Konditionen im Einkauf», so Reto Schenk, Projektleiter bei der Mock AG in Wattenwil BE.

Über Planung in den Sanitärbereich

Noch einen Schritt weiter ist das Unternehmen Schuler-Rozzi im graubündnerischen Bergün gegangen. Neben Schreinerei und Zimmerei führen Barbara und Hans Schuler-Rozzi auch einen Fachbetrieb für Sanitär, Heizung und Solar. «Der Vorteil ist natürlich, dass wir Hand in Hand arbeiten können und so auch komplette Planungen und Bauleitungen übernehmen», so Barbara Schuler-Rozzi. Gerade im Umbaubereich, in dem das Unternehmen intensiv tätig ist, bieten sich durch die Synergieeffekte viele Vorteile. Das gilt nicht nur für Einkaufskonditionen im Sanitärfachhandel, sondern vor allem bei der Planung von Badezimmer-umbauten. Unisono sagen die Schreiner, entscheidend sei, dass der Schreiner den Kunden mit der Gesamtlösung beraten kann. «Es geht nicht nur um sanitäre Installationen. Wir wollen viel mehr das Maximum aus dem Badezimmer herausholen und genügend Stauraum schaffen, was der Sanitär eventuell nicht so beachtet. Wir geben dem Kunden Varianten zu Gesicht, wie sein Raum mit Möbeln, Dusche und Badewanne aussehen könnte», sagt Reto Schenk. Die Möbel beinhalten dann auch die Kompatibilität mit den sanitären Einrichtungen, Ausschnitten und Anschlüssen. So gebe es kein böses Erwachen auf dem Bau, wenn die Möbel nach Anweisung vom Bauherrn, Architekten und teilweise leider auch vom Sanitär geplant werden, so Schenk.

Wachsende Anzahl an Alternativen

Auch die deutlich gewachsene Materialvielfalt kommt dem Schreiner entgegen. Etwa der Bereich der Mineralwerkstoffe, aber auch Nischen wie Betonelemente oder Bauteile aus Holz fallen traditionell in den Bereich des Schreiners. «Wir stellen viele Badmöbel mit Corian-Abdeckungen her, bei welchen wir das Becken vom Corian-Lieferanten beziehen und selbst verkleben und bearbeiten. Bei solchen Umbauten brauchen wir weniger die sanitären Produkte, nur eine Mischbatterie, diese beziehen wir dann direkt beim Hersteller», so Schenk.

Daneben gibt es auch – oft kleinere – Hersteller von Armaturen oder Lavabos, die vor allem direkt verkaufen. Das können der Waschtisch aus Beton vom englischen Hersteller Kast oder trendige Armaturen vom niederländischen Produzenten Jee-O sein. Und so mancher grössere Badezimmerausstatter mit Waschtischen, Badewannen und Armaturen ist durchaus interessiert an Schreinerkunden, nicht nur, aber auch in Italien. Zudem beginnen auch immer mehr Beschlägehändler, zumindest Küchenarmaturen mit ins Programm aufzunehmen – so etwa Opo, Häfele oder Geiser. Das lässt immerhin hoffen, dass dies bald auch auf Bad-armaturen zutrifft.

Online-Bazar für Markenartikel

In Deutschland sorgt gerade ein ganz anderes Zulieferermodell für Wirbel in der Branche: der Online-Handel vom Sanitärmeister Bernd Reuter (www.reuter.de). Der Rebell bereitet dem alten System gehörige Kopfschmerzen, weil Reuter es schafft, sonst meist nur über den Installateur zugängliche Markenartikel auch noch günstig anzubieten. Die Produkte sollen nach eigenen Angaben um 30 % bis 50 % günstiger zu haben sein. Mehr als 180 Hersteller sind im Programm, darunter Boffi, Antoniolupi, Dornbracht und Alape, Laufen oder KWC. Mit monatlich 1,5 Mio. Besuchern, 130 Mio. Euro Jahresumsatz, einer telefonischen Fachberatung und Bestellservice an sieben Tagen in der Woche bis jeweils 22 Uhr sowie dem Vermittlungsservice von Montagebetrieben mischt Reuter die Branche kräftig auf. Auch Schweizer Medien beziehen sich immer wieder bei Preisvergleichen auf die Website und beklagen, dass Herr und Frau Schweizer für ihr Bad viel zu viel bezahlen. Spannend wird sein, ob sich auch hierzulande eine Online-Variante in diesem Bereich etablieren kann.

www.falper.itwww.laufen.chwww.koller-kuechen.chwww.alape.chwww.schreinerei-mock.chwww.schuler-rozzi.chwww.reuter.dewww.opo.chwww.haefele.chwww.gela.ch

ch

Veröffentlichung: 06. April 2017 / Ausgabe 14/2017

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