Widerstand ist nicht zwecklos

Ein abschliessbarer Stangenverschluss erschwert dem Einbrecher den Zutritt. Bild: Blaser Einbruchschutz GmbH

Sicherheit.  Einbrüche durchs Fenster oder die Balkontür sind nicht selten. Mit sichereren Fenstern lässt sich den Übeltätern das Leben schwer machen. Doch auch mit Nachrüstprodukten kann der Einbruchschutz erhöht werden, dabei sind aber einige wichtige Dinge zu beachten.

Schweizweit wurde im Jahr 2022 fast jede Viertelstunde eingebrochen. Das sind insgesamt 35 732 Einbruch- und Einschleichdiebstähle, die polizeilich erfasst wurden. Dies ist die erste Zunahme seit zehn Jahren und entspricht einem ähnlichen Wert wie vor der Pandemie, wie das Bundesamt für Statistik schreibt. Dennoch liegen die Straftaten deutlich unter dem Rekordjahr von 2012 – damals wurden noch fast doppelt so viele Delikte begangen. Was zum Rückgang geführt hat, ist nicht ganz klar, der vermehrte Einsatz einbruchhemmender Bauteile hat aber vermutlich einen Einfluss darauf. Laut der Basler Einbruchstudie von 2017 dringen die Langfinger in 80 Prozent der Fälle über die Fenster und Balkontüren ein. Bei Mehrfamilienhäusern ist dagegen die Haustür die grösste Schwachstelle. Sta-tistik hin oder her – um einen wirksamen Einbruchschutz zu erreichen, müssen verschiedene Punkte beachtet werden.

Schneller als gedacht

Normal konstruierte und ausgerüstete Fenster sind für Diebe keine grosse Hürde. «Ein herkömmliches Dreh-Kippfenster mit einem Standardverschluss ist in der Regel in 30 Sekunden aufgebrochen», sagt Urs Stalder, Dozent an der Berner Fachhochschule (BFH) in Biel. Damit ein Fenster als einbruchhemmend bezeichnet werden kann, muss es dem Täter einen mechanischen Widerstand über eine gewisse Dauer entgegensetzen.

Geprüfte Sicherheit

Nur wenn sämtliche Bestandteile optimal aufeinander abgestimmt sind, lässt sich ein guter Einbruchschutz erreichen. Ist ein definierter Einbruchschutz gewünscht, müssen nach der Normenreihe SN EN 1627-1630 geprüfte Elemente eingebaut werden. Diese Normenreihe gilt seit Januar 2022 und beschreibt die Anforderungen und Klassifizierung der einbruchhemmenden Eigen-schaften unter anderen von Fenstern und Türen. Dabei werden die besagten Elemente in Widerstandsklassen von RC 1 N bis RC 6 eingeteilt, wobei RC 1 N die schwächste Stu- fe darstellt. Die bisherige Abkürzung «WK» wurde im Zuge der europäischen Normie-rung ins englische «RC» übertragen, was «Resistance Class» bedeutet. Die Wider-standsklassen RC1 N und RC2 N wurden mit der neuen Norm ergänzt. «N» steht für «normal» und stellt einen Kompromiss dar, da in einigen europäischen Ländern vorher keine Vorgaben zur Verglasung existierten. Bei Widerstandsklassen mit dem Zusatz «N» sind also lediglich die Anforderungen an die Beschläge festgeschrieben, während das Glas frei gewählt werden kann. Fenster mit einer Widerstandsklasse RC 2 müssen mindestens drei Minuten lang einfachen Werkzeugen wie Schraubenzieher, Keil und Zange widerstehen, was dem Vorgehen eines Gelegenheitstäters mit eher wenig Erfahrung entspricht. «Jedoch sind die Zeiten unter Laborbedingungen ausgeführt und dürfen nicht mit der Realität verglichen werden, denn dort steht ein Einbrecher auch immer unter Druck, entdeckt zu werden», erläutert Stalder. Er führt solche Sicherheitsprüf-ungen an der Berner Fachhochschule durch. Die Institution ist eine nach ISO 17025 akkreditierte und europäische notifi-zierte Prüfstelle für die Einbruchhemmung von Fenstern, Türen etc. Sie stellt Prüf-nachweise für alle Widerstandsklassen und Sicherheitsstufen aus.

Ein nach der Normenreihe geprüftes Fenster ist immer ein komplettes, einbaufertiges Produkt. Das heisst, Rahmenmaterial, Profilquerschnitt, Beschläge, Beschlagsauflösung und Verglasung sind aufeinander abgestimmt und definiert. «Man kann nicht einfach einen Beschlag, der zwar auf RC 2 geprüft ist, in einem anderen Profilsystem einbauen und von RC 2 sprechen», sagt Urs Stalder. Mit der Grösse des Fensters ändert sich auch die Anzahl an Verriegelungspunkten, sprich Beschlagsauflösung. Sie werden durch die unterschiedlichen Beschläge- wie auch Fensterhersteller auf die Widerstandsklasse abgestimmt. Daher lassen Hersteller auch immer verschiedene Grössen prüfen, sodass am Ende das ganze System mit einem bestimmten Profilquerschnitt freigegeben werden kann.

Einiges zu berücksichtigen

Geprüfte Fenster weisen ein Getriebe mit umlaufenden Pilzkopfverschlüssen auf, die in entsprechende Stahlschliessbleche eingreifen und so Scher- und Zugkräfte aufnehmen. Schliessbleche aus Alu- oder Zinkdruckguss sind ungeeignet, da sie unter Hebellast leicht brechen können. Die Schrauben sind unbedingt vorzubohren, da sonst die verschraubten Stellen durch die entstehende Vorspaltung das Holz massiv schwächen. Die Schraubenlänge sollte dabei so gross wie möglich sein. Eine Schrägverschraubung bietet zusätzlich Stabilität, weil die schräge Schraube einen grossen Teil der Kräfte beim Einbruchsversuch aufnimmt und das Aufspalten des Holzes die einwirkenden Querkräfte vermindert. Ein RC-2-geprüftes Fenster muss über ein nach SN EN 356 geprüftes Glas der Widerstandsklasse P4A verfügen und in den Rahmenverbund eingeklebt werden. Dabei muss darauf geachtet werden, dass der verwendete Klebstoff sich mit dem Material des Rahmenverbundes verträgt und die Entlüftung des Glasfalzes nicht beeinträchtigt wird. Das Getriebe muss mit einem Aufbohrschutz versehen sein. Ausserdem ist ein abschliessbarer Fenstergriff nach SN EN 13126-3:2011 nötig, der eine Belastung gegen Abdrehen und Abreissen von mindestens 100 Nm aushält. Die Schlüssel müssen abgezogen und mehr als eine Armlänge vom Fenster entfernt deponiert werden, was in der Praxis oft nicht gemacht wird.

Der Schweizerische Fachverband Fenster- und Fassadenbranche (FFF) hat Fenster in Holz und Holz-Metall in der Widerstandsklasse RC 2 geprüft und stellt Schreinern diese als Lizenzprodukt zur Verfügung.

Montage beachten

Nebst diesen Massnahmen muss das Fenster ordnungsgemäss montiert werden. Bei der Montage von geprüften Fenstern gilt es, die Vorgaben der Montageanleitung zu beachten. Der Hersteller legt fest, mit welchen Montagemitteln und in welchen Abständen die Elemente befestigt werden müssen. Die üblichen Verschraubungsdistanzen von rund 800 mm sind ungenügend, hier empfehlen der FFF und der VSSM, einen Schraubenabstand von maximal 550 mm zu wählen. Um die bei einem Einbruchsversuch auftretenden Kräfte aufzunehmen, ist besonders im Bereich der Verriegelungspunkte (druckfeste Hinterfütterung) auf eine starre Befestigung zu achten. Leichtbauwände müssen beispielsweise den gleichen Einbruchwiderstand wie das Einbauelement aufweisen.

Auf nächster Stufe

Noch einen Schritt weiter als RC 2 geht die Kläusler Fensterfabrik AG in Kloten ZH. Sie bieten laut eigenen Angaben die einzigen RC-3-geprüften Holz-Metall-Fenster an, die auch in der Schweiz produziert werden. Da- zu kommen eigens entwickelte und patentierte Schliessteile zum Einsatz. Statt der üblichen Holzschrauben werden die Fenster metrisch verschraubt. Weiter wird das Fenster nicht über den Griff, sondern über einen abschliessbaren Druckzylinder gesperrt. Die Fenster sind bis zu einer Grösse von 1168 × 2194 mm geprüft. Das Ganze hat allerdings seinen Preis, so kosten die Fenster rund das Dreifache gegenüber herkömmlichen Fenstern.

Bestehendes nachrüsten

Mit einer Nachrüstung lassen sich Fenster verbessern, es sind jedoch punktweise Ein-zelmassnahmen. Wichtig: Bei Nachrüstpro-dukten gibt es keine Widerstandsklassifi-zierungen (RC). So darf beim Kunden nicht der Eindruck entstehen, dass nachgerüstete Fenster und geprüfte Fensterelemente einander gleichgestellt sind. «Wir verspre-chen dem Kunden nicht, dass der Einbre-cher nicht mehr reinkommt, lediglich dass man die benötigte Zeit dazu massiv erhöht», sagt Daniel Blaser, Inhaber und Sicherheits-berater der Blaser Einbruchschutz GmbH in Baar ZG.

Sollen Fenster nachgerüstet werden, sind sie vorgängig zu prüfen, weil die Massnahmen viel Geld kosten. Falls der Aufwand für die Nachrüstungen den Restwert des Fensters übersteigt, sollten die Fenster besser ersetzt werden. Wirksame Massnahmen, Fenster sicherer zu machen, sind unter anderem abschliessbare Fenstergriffe, Bandsicherungen, Stangenverschlüsse, Verbund-sicherheitsgläser, Zusatzriegel oder Pilz-kopfzapfen mit Sicherheitsschliessblechen. Eine weitere, preiswerte Möglichkeit ist das dauerhafte Verschliessen von nicht benötig-ten Fenstern oder Fenstertüren im Erdge-schoss mittels angepasster Z-Winkel.

Die Blaser Einbruchschutz GmbH berät Kunden und montiert Sicherheitsbeschläge wie Fenstersicherungen, Gitter oder Stangenverschlüsse. Diese werden von der Firma selbst hergestellt und sind auch bei Opo Oeschger erhältlich. Der Verschluss «Defenda» wird wie das bestehende Fenster über den Griff bedient, der frei wählbar ist. Defenda ist in vier Standardfarben erhältlich, lässt sich aber in jeder RAL-Farbe bestellen. Das Verschlussteil verriegelt bei der Schliessung von selbst, der Schlüssel wird nur zum Entsperren benötigt. Der Beschlag ist für Fenster und Fenstertüren von 580 bis 3000 mm Grösse anwendbar. Einen weiteren wirksamen Schutz gegen unberechtigtes Öffnen von Fenstern und Balkontüren bietet Glutz mit der abschliessbaren Fensterrosette «5617 A». Die bis RC 6 geprüfte Rosette ist mit einer Standardschliessung erhältlich oder auf eine Schliessanlage konfigurierbar. Die Fensterrosetten sind mit sämtlichen neuen Beschlaglinien kompatibel, wodurch, neben der Sicherheit, auch eine ästhetische Durchgängigkeit ge-währleistet wird.

Zum Thema Einbruchschutz hat der Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM) ein Praxismerkblatt erstellt, das dem Schreiner bei der Planung und Beratung nützliche Ratschläge gibt. Ein paar Informationen dazu lassen sich in einer kurzen Checkliste als Empfehlung zusammenfassen:

  • Es sollten nur nach DIN 18104 Teil 1 oder Teil 2 geprüfte Nachrüstprodukte eingesetzt werden.
  • Die Band- wie auch Schliessseite sollten nachgerüstet werden.
  • Mindestens eine Sicherung sollte abschliessbar sein.
  • Bei einer Nachrüstung sollten alle Elemente wie Profil, Glas, Glasanbindung, Verschraubungen, Montage, Wand etc. beachtet werden.
  • Bestehende Fenster können nur nachgerüstet werden, wenn sie genügend robust konstruiert sind.
  • Funktioniert ein Nachrüstprodukt nicht zuverlässig, sollte aus Sicherheits- gründen das ganze Element ausgetauscht werden.
  • Falls die Befestigungsmöglichkeiten nicht ausreichend sind, wie beispielsweise an Kunststofffenstern mit dünner oder ohne Metalleinlage, sollten mehr Sicherungen und zusätzliche Befesti- gungsmittel verwendet werden. Dies können spezielle Befestigungsanker, Durchgangsverschraubungen oder Verbundmörtel sein.

Elektrotechnische Massnahmen

Neben den mechanischen und organisatorischen Massnahmen gibt es auch elektronische Mittel, die zu einem effektiven Einbruchschutz beitragen. Dazu gehören unter anderen Alarmanlagen, Magnetkontakte, Bewegungsmelder und Erschütterungssensoren. Der Funk-Fenstergriff-Sensor für das Daitem- Alarmsystem «D22» der Firma BSW Security AG gewährt mit seiner Dreifach-Sensorik ein hohes Mass an Sicherheit. Der Sensor registriert nicht nur wie übliche Kontaktsender die Fensterstellungen «offen» und «geschlossen», er erkennt auch, ob das Fenster verriegelt ist oder nicht. Das verhindert, dass dem Alarmsystem ein geschlossenes Fenster suggeriert wird, wenn dieses lediglich am Fensterrahmen anliegt. Der integrierte Erschütterungssensor reagiert zudem auf das Einschlagen der Scheibe oder auf Gewaltanwendung, welche auf den Fensterrahmen ausgeübt wird. Dazu wird der Sensor am vorhandenen Fenstergriff montiert, ohne dass zusätzliche Löcher gebohrt werden müssen.

Der Beschlaghersteller Maco bietet mit «mTronic» und «eTronic» zwei Funksensoren an, mit denen sich der aktuelle Fenster-zustand wie «offen», «verschlossen» oder «gekippt» per Smartphone abfragen lässt. Zu- dem sind die Sensoren nahtlos in verschie- dene Smarthome-Systeme integrierbar. Der Sensor erkennt in Verriegelt- und Kipp-stellung – je nach Einbaulage – an der Bewe-gung der Verschlusszapfen, ob diese bewusst oder mit Gewalt aufgehebelt werden. Er wird verdeckt im Falz eingebaut. Dabei misst «mTronic» gerade mal 18 × 9 × 135 mm, be-nötigt eine Mindestfalztiefe von 18 mm und eine Mindestfalzluft von 12 mm. Der Sensor hat eine Batterielebensdauer von bis zu fünf Jahren und eignet sich für Fenster, Türen sowie Schiebeelemente. Der Funk-sensor «eTronic» misst 24 × 10 × 70 mm und ist an Fenstern bis zu acht Jahren einsatz-fähig, bevor ein Batterieaustausch fällig wird. Für den Einbau ist eine Falztiefe von 24 mm und eine Falzluft zwischen 11 und 14 mm notwendig. Die Funksensoren sind dabei beschlagsneutral und eignen sich für Holz-, PVC- sowie Alufenster.

www.bfh.chwww.fff.chwww.vssm.chwww.klaeusler.chwww.blasereinbruchschutz.chwww.glutz.comwww.opo.chwww.bsw.swisswww.maco.eu

Michi Läuchli

Veröffentlichung: 15. Februar 2024 / Ausgabe 7/2024

Artikel zum Thema

25. April 2024

Kein Durchkommen

Insektenschutz.  Der Frühling ist Rollo- und Plisseezeit. Es lohnt sich für Schreiner, die Chance auf eine zusätzliche Dienstleistung zu prüfen und den Insektenschutz kennenzulernen. Denn der sogenannte Querverkauf schafft nicht nur Umsatz, sondern auch Kundenkontakte.

mehr
15. Februar 2024

Eine Frage des Formats

Sonderformate.  Der Umgang mit besonderen Konstruktionen und Formaten, wie etwa Wende-fenstern oder Schwingflügeln, ist für die meisten ungewohnt. Die Schreinerzeitung hat einige aktuelle und bewährte Beispiele von Fenstern abseits der üblichen Pfade gesichtet.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Fenster