Zwei «Kulturen» vereint

Geschäftsmodell.  Der Verein Noveos betrieb zwei Schreinereien für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung. Der Unterhalt war zu kostenintensiv. Deshalb wurden 2012 beide Betriebe zu einem zusammengeführt – Holz2 in Hadlikon. Die Optimierung gelang durch Reorganisation.

Herr Wägli, Sie sind Betriebsleiter der Schreinerei Holz2 in Hadlikon bei Hinwil. Der Betrieb entstand im März 2012 aus einer Fusion. Was war der Grund dafür?
Die Schreinerei am Dorfbach in Stäfa und die Holzwerkstatt Joweid aus Rüti firmierten unter dem Dach des Vereins Noveos. Er bietet Menschen mit psychischer Beeinträchtigung Arbeits- und Ausbildungsplätze. Der Unterhalt beider Schreinereien war aufwendig und kostenintensiv. Der Trägerkanton beteiligt sich zwar am Betreuungsaufwand, doch alle anderen Aufwände müssen selbst erwirtschaftet werden. Es galt also, die Kosten zu optimieren.
Welches Ziel verfolgte man mit der Fusion?
Die Idee war eine Professionalisierung der Produktion und der Betreuung der Mitarbeitenden entsprechend der Kriterien auf dem ersten Arbeitsmarkt. Um Unterhaltskosten zu senken und effektiver zu produzieren, mussten die bestehenden Schreinereien reorganisiert und an einem neuen Standort zusammengeführt werden.
Was war Ihre Aufgabe?
Ich trat im Dezember 2011 meine Stelle als Betriebsleiter der neuen Schreinerei an. Meine Aufgaben im ersten halben Jahr waren: Rückbau der Schreinereien, Weiterführung bestehender Aufträge sowie der Aufbau des neuen Standorts in Hadlikon nach wirtschaftlichen Grundsätzen. Doch dies hätte ich nicht alleine geschafft. Vor meiner Ankunft wurden bereits wegweisende Aktionen eingeleitet. So war etwa die Serienfertigung als zusätzliches Geschäftsfeld im Businessplan formuliert und das Grundkonzept vorbereitet.
Warum entschied sich der Verein Noveos für den Aufbau einer seriellen Fertigung als zusätzliches Geschäftsfeld?

In der Serienfertigung kann der Produktionsprozess in überschaubare Teilarbeiten zerlegt werden, was den Fähigkeiten psychisch erkrankter Menschen sehr entgegenkommt. Die Fehleranfälligkeit wird so verringert, die Produktivität gesteigert und die Prozesssicherheit erhöht. Ich erarbeitete berufsbegleitend ein Marketingkonzept während meiner Weiterbildung in Business Administration an der Zürcher Fachhochschule. Das war sicher ein Bonus. Und wir gewannen durch das neue Geschäftsfeld grosse Möbelhäuser und Wiederverkäufer von Holzerzeugnissen jeder Art als Kunden. Im individuellen Innenausbau, unserem bisherigen Geschäftsfeld, sind das Privatkunden und Architekten.

Welche weiteren Reorganisationsmass-nahmen führten Sie durch?
Zentral war für mich die Ausarbeitung der Unternehmensstrategie zum Ziel der Qualitäts- und Quantitätssteigerung. Dafür musste ich bei meinem Stellenantritt die noch bestehenden Betriebe genau unter die Lupe nehmen, um Mitarbeiter- wie auch Arbeitsprozesse zu analysieren und künftig optimal zu organisieren.
Waren die Mitarbeiter zuvor unge- nügend organisiert?
Ich stellte fest, dass jeder Mitarbeiter fast in allen Bereichen arbeitete und darunter die Effektivität litt. Mittels eines Organigramms ordnete ich die Mitarbeiter gemäss ihrer Fähigkeiten in bestimmte Zuständigkeitsbereiche ein. Dies bedurfte vorab vieler Gespräche mit jedem Einzelnen zur persönlichen Einschätzung seiner Stärken und Schwächen – eine Herausforderung für alle Beteiligten. Ausserdem herrschten in beiden Schreinereien verschiedene «Kulturen», sprich Organisationsformen. Jeder musste in seine neue Position finden – auch das war für manchen nicht einfach.
Wie gelang es Ihnen, die Mitarbeiter zusammenzuführen?

Anfangs wurde das erschwert, weil der wirtschaftliche Druck mit dem Start der neuen Schreinerei deutlich zugenommen hatte. Das war eine harte Zeit, obwohl ich ein engagiertes Team habe. Allmählich entwickelt sich ein Gemeinschaftsgefühl durch das gemeinsam Geschaffene. So spüre ich einen gewissen Stolz bei der Belegschaft, dass wir unter anderem Möbelserien für die Diga AG fertigen. Auch unser neuer Aufenthaltsraum sowie die moderne Infrastruktur tragen zur Integration und zum Wohlbefinden jedes Einzelnen bei.

Wie setzt sich das Team zusammen?
Wir übernahmen alle Mitarbeiter. Mittlerweile hat sich deren Zahl um vier erhöht. Es ist ein Team aus sechs Fachkräften und 25 psychisch beeinträchtigten Mitarbeitern, von denen zwei in der Schreinerlehre (EFZ) sind. Diesen Sommer schloss ein Lernender seine EBA-Lehre ab und arbeitet mittlerweile am ersten Arbeitsmarkt.
Inwiefern konnten Sie die Arbeitsprozesse weiter optimieren?

Ich definierte einen Standard für den Prozess der Leistungserstellung. Dieser wurde vom ersten Kundenkontakt bis zur Montage des fertigen Produkts festgelegt. Ein weiterer Meilenstein war die Umsetzung des neuen Betriebslayouts mit der Anschaffung diverser Maschinen. Der Produktionsablauf muss der seriellen wie individuellen Fertigung gerecht werden. Mit einer CNC-Maschine und der Implementierung der Branchensoftware und des CAD-3-D haben wir wichtige Schritte in Richtung Technologisierung und Rationalisierung getan.

Warum zügelte der Betrieb an einen neuen Standort?
Wir brauchten eine Gesamtfläche ab 1000 m2, um den Holzfachbetrieb weiter ausbauen zu können. Und es sollte eine öffentliche Verkehrsanbindung geben, der Absatzmarkt in der Nähe sein. Zusammen mit der Finanzierbarkeit waren das also viele Bedingungen. Doch glücklicherweise waren Standortsuche und Finanzierung Sache des Geschäftsführers von Noveos, Stefan Paris, und bei meinem Eintritt bereits geklärt.
Konnten Sie Ihre Kunden behalten?

Wir konnten sie behalten durch gezielte Informationen und Service. Vorab berichteten wir mittels Mailings von unserem Umzug. Seither bedienen wir die bestehende Kundschaft «aus der Ferne», indem einer unserer Projektleiter oder ein Monteur regelmässig auf «Seeufer-Tour» gehen. Das hat sich gut eingespielt. Zusätzlich zählen wir neue Privatkunden und Architekten im Einzugsgebiet von Hinwil. Und unsere Geschäftskunden in der Serienfertigung bedienen wir ohnehin standortunabhängig und schweizweit.

Hatten Sie zuvor vergleichbare Berufserfahrung sammeln können?

Die Führungsposition war mir vertraut. Ich amtete als militärischer Kompaniekommandant und sammelte auch bei der Erich Keller AG in Sulgen als Projektleiter wertvolle Erfahrung. Doch die mentalen Herausforderungen so vieler verschiedener «Baustellen» brachten mich an meine Grenzen. Aber das Ergebnis hat den Einsatz gelohnt.

Reorganisation

Klare Strukturen geschaffen

Der Verein Noveos unterhält als Dachorganisation Betriebe, die psychisch beeinträchtigten Menschen eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle in geschütztem Rahmen bieten. Die Idee dahinter ist die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Unter dem Betriebsleiter Reto Wägli fusionierten 2012 zwei Schreinereien des Vereins zum Holzfachbetrieb Holz2 – der Schreinerei mit Mehrwert – in Hadlikon. Ziel war es, mittels einer Reorganisation am ersten Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu werden – durch Aufbau der Serienfertigung sowie verbesserter Produktionsabläufe. Neben einem Schreiner-Fachteam ist ein Arbeitsagoge beschäftigt sowie ausgebildete Schreiner und holzaffine Mitarbeiter, welche das Tempo im ersten Arbeitsmarkt nicht mithalten können. Bei der Reorganisation wurden alle Mitarbeiter übernommen und deren Zahl inzwischen auf 31 erhöht.

www.holzhoch2.ch

MZ

Veröffentlichung: 15. November 2013 / Ausgabe 46/2013

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