Zwischen Doppelmeter und Elfmeter

Chiara Schmid (20), hier noch in den Farben des FC Basel, spielt mittlerweile für den FC Luzern. Bild: PD

Leute. Der kleine Junge am Spielfeldrand streckt die Tafel mit der Aufschrift «13 Chiara Schmid» hoch in die Luft. Wenn ihn seine Lieblingsfussballerin doch nur entdecken würde!

Chiara Schmid hat es längst getan. Zwar jagt sie dem Ball nach, erobert ihn, verteidigt ihn, trickst schnell mal eine Gegnerin aus – nebenbei hat sie aber auch den kleinen Fan im Blick. Nach dem Spiel wird sie ihm ihr Trikot schenken, das fast grösser ist als er. Die gelernte Schreinerin Chiara Schmid aus Möhlin AG ist Profifussballerin. 2020 kam sie ins Kader der Frauenmannschaft des FC Basel und qualifizierte sich dort gleich für die Teilnahme an der U17-Europameisterschaft in Schweden. Wegen Corona fiel diese ins Wasser. Aber mit Niederlagen muss Chiara umgehen können. «Es kommt darauf an, wie man verliert. Man kann positiv verlieren gegen ein Team, das einem haushoch überlegen ist. Auf so einer Niederlage kann man aufbauen, Erfahrung sammeln und sich verbessern», sagt sie. Profifussball hört sich nach einem Leben in Saus und Braus an mit Ferrari und Villa. «Bei uns Schweizer Frauen ist das definitiv nicht so», sagt sie. Zwar verdient sie als Profi ein paar Franken, aber hätte sie nicht die Unterstützung ihrer Eltern und ihren Job als Schreinerin, käme sie damit nicht über die Runden. Aber weil sie Fussballtalent hat, kann sie gar nicht anders, als ihren Weg gehen. Und nicht wenige glauben an sie, so wie der kleine Junge am Spielfeldrand.

«Wer nicht mit vollem Einsatz spielt, ist fehl am Platz. Kampfgeist gehört dazu – und Verletzungsrisiko auch.»

Wäre er einer der Scouts des Top-Clubs FC Arsenal London, stünde einer internationalen und lukrativen Karriere der jungen Schreinerin nichts mehr im Wege. Zu einem Wechsel wäre sie bereit, so wie kürzlich vom FC Basel zur ersten Mannschaft des FC Luzern. «Dieser Schritt ist eine Herausforderung. Er bedeutet für mich persönliche und sportliche Entwicklung», sagt Schmid. Möglich macht das unter anderem auch ihr Lehrbetrieb und jetziger Arbeitgeber, die Schreinerei Weizenkorn in Basel, welcher der jungen Mitarbeiterin unkompliziert ein 80-Prozent-Pensum einräumt. So kann sie unter der Woche bereits um 14.30 Uhr die Werkstatt verlassen, um zum Training nach Luzern zu fahren. An den Matches am Wochenende sind immer auch ihre Eltern dabei, die ihre grössten Fans und Supporter sind. Frauenfussball und Männerfussball sind von den Regeln her identisch. «Aber weil wir nun mal nicht so athletisch sind, hat unser Spiel ein My weniger Tempo», sagt sie. Ob die Damen denn weniger hart zur Sache gehen als die Herren? Schmid winkt ab und lacht. «Wer nicht mit vollem Einsatz spielt, ist fehl am Platz. Kampfgeist gehört dazu. Ein Verletzungsrisiko nimmt man in Kauf – auch für sich selbst», sagt sie und erzählt dann, dass Prellungen, überdehnte Bänder und blaue Flecken dazugehören. Da heisst es, die Zähne zusammenzubeissen. «Im Spiel gibt es nur eines: spielen!» Ihre Arbeitskollegen wis- sen, dass Schmid als Mittelfeldspielerin gerne mal das Runde ins Eckige bringt. «Sie finden das cool und diskutieren gerne mit mir über Fussball», sagt sie und zeigt Fotos, die sie in Stürmerpose mit fliegenden Haaren oder beim Torschuss zeigen.

Aber sie hat auch andere Aufnahmen auf dem Handy, die sie nicht mit geringerem Stolz zeigt. So zum Beispiel das Foto eines selbst geschreinerten Bettes aus Esche, dessen Kopfteil sie kunstvoll aus dem biegsamen Holz geflochten hat. Oder den eigenhändig gefertigten Esstisch aus massivem Kirschbaumholz, an dem sie bei ausgewogener Ernährung Kraft für den Arbeits- und Spieleralltag tankt.

Beatrix Bächtold

Veröffentlichung: 18. März 2024 / Ausgabe 11/2024

Artikel zum Thema

25. April 2024

Mit viel Gwunder voran

mehr
22. April 2024

Blitzschnell mit Stock und Ball

Leute. Er trainiert fünfmal pro Woche, viermal zwei Stunden nach der Arbeit und einmal morgens um 7 Uhr vor der Arbeit. Bei so viel Engagement müsste er ja einer der besten Unihockey-Spieler der Schweiz sein. Doch Marcel Arnet, der beim UHC Uster spielt, winkt ab: «Nein, ganz sicher nicht.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Leute