Aus den Überhosen in den Arztkittel

Im Herzen ist Christoph Vock (53) ein Schreiner geblieben. Im Hintergrund steht seine IPA. Bild: FRH

Leute. Als Kind wollte Christoph Vock Tierarzt werden. Er ist in einem Dorf im Baselbiet mit drei Brüdern aufgewachsen.

Für die Schreinerlehre hat er sich entschieden, weil er immer schon Freude am Arbeiten mit den Händen hatte. Seine Ausbildung hat er in einem sehr kleinen Betrieb gemacht. Manchmal wurde er an einen befreundeten Schreiner ausgeliehen. Dort, bei Fredi Buser, hat er das Schreinerhandwerk und das exakte Arbeiten gelernt. Vock legte die beste Abschlussprüfung seines Jahrganges ab. Seine erste Stelle war in einem Grossbetrieb, um den Umgang mit Maschinen zu lernen. Nach der RS ist er mit Freunden durch Australien gereist und hat dabei seine Leidenschaft fürs Reisen entdeckt. Unterwegs stellte er für sich fest, dass das Leben noch viel mehr bereithält und er noch nicht fertig ist mit Lernen und Entdecken. Deshalb nahm er die Matura in Angriff. Im Herbst 1996 begann er schliesslich mit dem Studium, wobei er kurz nach dem Start von Veterinär- zu Humanmedizin wechselte.

Wie schon die Matura hat er sich auch das Studium mit Schreinerarbeit finanziert, mit der Unterstützung seines Freundes und Mentors Fredi Buser. Nach drei Jahren Studium hat sich Vock ein Jahr Auszeit genommen. Er leistete Zivildienst, war als Fahrer des Taxis für behinderte Menschen «Betax» unterwegs, ist ein halbes Jahr auf der Seidenstrasse nach China gereist und hat in der Werkstatt seines Bruders mitgeholfen. 2003 legte Vock sein Staatsexamen ab und arbeitete vor seiner ersten Assistenzstelle nochmals als Schreiner und «Betax»-Fahrer.

Danach hat er sich seine Sporen als Mediziner in verschiedenen Institutionen abverdient: Im Zieglerspital in Bern, im Methadon-Therapie-Zentrum in Bern, in der mobilen Alterspsychologie im Inselspital und als Facharzt im Notfall. Vor allem sein Abstecher in die Höhenklinik in Montana hat sein Leben nachhaltig verändert, weil er dort seine jetzige Frau kennenlernte.

«Wichtig in jeder Lebenslage sind das Zuhören und die Menschlichkeit.»

Durch einen Tipp von Freunden hat die Familie Vock ein Haus in Spiez gefunden, per Zufall dort, wo sie ein Jahr zuvor auch geheiratet haben. Der gelernte Schreiner hat sehr viel Eigenleistung in die Renovation gesteckt. Nach 1000 Stunden hat der leidenschaftliche Handwerker aufgehört zu zählen. Kurz nach einem Gespräch mit dem Sanitär auf dem Bau, hat sich der beliebte Spiezer Hausarzt Beat Gomez bei Vock gemeldet und ihn gefragt, ob er sich nicht mal die Praxis anschauen möchte. Eigentlich war Vock nicht auf der Suche nach einer neuen Stelle. Doch nach dem ersten gemeinsamen Kaffee – direkt von der Baustelle in den Überhosen – war die Sache schon fast besiegelt. Unterdessen praktiziert der dreifache Familienvater seit rund zehn Jahren als Allgemeinmediziner in Spiez, das Haus ist wunderschön renoviert, sein ehemaliger Lehrmeister ist ein Freund fürs Leben geworden und hat ihm sogar tatkräftig beim Umbau geholfen.

Im Wohnzimmer steht seine IPA, im Keller hat er sich eine kleine Werkstatt eingerichtet und arbeitet nach wie vor gerne mit Holz. Vock ist im Herzen Handwerker geblieben, und sein Werdegang hilft ihm, die Sprache der Menschen, die er behandelt, zu sprechen. Wichtig sind ihm, egal in welcher Lebenssituation, das Zuhören und die Menschlichkeit.

Fränzi Hurni

Veröffentlichung: 11. März 2024 / Ausgabe 10/2024

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