In der Schatzkammer der Aromen

Der gelernte Schreiner Bruno Graf (76) kreiert aromatische Zutaten für die feine Küche. Bild: Beatrix Bächtold

Leute. Im Arbeitszimmer von Bruno Graf findet man in einem raumhohen Regal eine Unzahl farbiger Flüssigkeiten. Stilvoll untergebracht in gläsernen Gefässen, ist jede einzelne eine Persönlichkeit mit individuellen Wesenszügen.

Da gibt es die Scharfen, die Milden, die Rassigen, die Raffinierten, die Dezenten, die Alphatiere. Mit wem man es zu tun hat, erfährt man auf den Etiketten. Von Hand designt, kurz und bündig liest man da zum Beispiel: Dattel- und Cassis-Essig, Nuss- und Honig-Grappa oder auch Bärlauch- und Zitronenöl. Letzteres ist im Moment leer. Bald wird Bruno Graf für Nachschub sorgen. Die dazu benötigten zwei Kilo Bio-Zitronen warten schon darauf, von ihm in Scheiben geschnitten zu werden. Später werden sie einige Wochen lang im Öl liegen. Pro Woche rührt Bruno Graf einmal um. Schlussendlich wird er das so entstandene Zitronenöl so oft durch Filterpapier träufeln lassen, bis das letzte Schwebeteilchen herausgefiltert ist und das Produkt höchste Reinheit aufweist. Angefangen hat diese Alchemie der Genüsse vor etwa 15 Jahren mit Wok-Öl. «Ich sah mir die Inhaltsangabe auf dem Fläschchen an. Das kann ich auch, und zwar nach meinem Geschmack», sagte sich der leidenschaftliche Hobbykoch damals und kaufte Öl, Chili, Ingwer, Kokosnuss und Knoblauch ein. Bis er das richtige Mischungsverhältnis fand, dauerte es schon eine Weile.

«Egal, was ich jetzt auch mache. Ich werde bis zum letzten Atemzug wie ein Schreiner fühlen und denken.»

Aber der Tüftler in ihm gefiel das Ausprobieren und Optimieren. Mittlerweile hat er den Dreh raus und aromatisiert allerlei Trägerflüssigkeiten, Salz und Senf nach dem gleichen Prinzip. Anfangs betrieb er diese Art Aromatisierung nur für die eigene Küche. Bald schon hielten die Fläschchen und Tiegelchen à la Bruno Graf aber auch bei Freunden und Bekannten Einzug. Seit einiger Zeit betreibt der Geschmacksfreak zudem einen eigenen Webshop. Ab und zu verhilft Bruno Graf auf Märkten seinen aromatischen Schätzen zu schweizweiter Bekanntheit. Wie jedes seiner Produkte hat auch Bruno Graf ein Rezept: «Er tut, was er liebt. Er liebt, was er tut.» So aktiv er heute auf der Genussschiene fährt, könnte man annehmen, er käme aus der Gastronomie. Aber er ist Schreiner, einer mit Leib und Seele. Davon zeugen nicht nur die Hobel im Regal seiner Wohnung in Dübendorf ZH. Hier findet man auch die Schablonen, mit deren Hilfe er die Etiketten millimetergenau auf den Fläschchen platziert. Graf nimmt das ernst. Da muss alles passen. Die Schablonen hat er aus Holz selbst gemacht. Aufgewachsen mit und in der elterlichen Schreinerei Graf in Hombrechtikon ZH, konnte er schon vor seiner Schreinerlehre mit Holz umgehen. Der Satz «Komm nach der Schule schnell heim. Wir müssen verleimen», klingt ihm noch heute in den Ohren. «Egal, was ich jetzt auch mache. Ich werde bis zu meinem letzten Atemzug wie ein Schreiner füh- len und denken», sagt er. Bruno Graf gründete in den 90er-Jahren den Schweizerischen Einrahmerverband. So kommt es, dass man die Wände seiner Wohnung nicht sieht. Dicht an dicht hängen da nämlich die verschiedensten Kunstwerke in Rahmen, die selber Kunstwerke sind.

Seit fast einem halben Jahrhundert amtet Bruno Graf als Sekretär des VSSM Zürcher Oberland. Um die Jahrtausendwende stiess er zum neu gegründeten Schreinermeisterverband Kanton Zürich SVZ und begleitete diesen 11 Jahre lang als Sekretär. Weil Bruno Graf auch ein fähiger Berufsnachwuchs am Herzen liegt, gründete er zudem vor 15 Jahren den Lehrbetriebsverbund «Schreinermacher». Mehr Würze und Holz im Leben geht fast nicht.

Beatrix Bächtold

Veröffentlichung: 22. Januar 2024 / Ausgabe 3/2024

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