Lösung ohne Luft

Vakuum-Isoliergläser sind eine gute Alternative, um historische Fenster energetisch zu ertüchtigen. Bild: Glas Trösch

Kleben.  Auch bei historischen Fenstern werden Scheiben im Rahmen einer Ertüchtigung inzwischen verklebt. Eine Pionierin darin ist die Schreinerei Liechti. Ihre Spezialität ist der Einsatz von Vakuum-Isoliergläsern (VIG) für die historischen Bauteile.

Historische Fenster sind schön. Aber man heizt im Winter zum Fenster hinaus, und das kalte Wetter kommt näher, als einem lieb ist. Verantwortlich dafür sind die Einfachverglasungen und die fehlenden Dichtungsebenen. Einer energetischen Ertüchtigung mit Isoliergläsern stehen oft denkmalpflegerische, ästhetische oder auch konstruktive Aspekte gegenüber, die ein solches wünschenswertes Unterfangen erschweren.

Bei der Schreinerei Liechti in Amsoldingen BE wird viel repariert, ertüchtigt und ersetzt. Eine Spezialität hat man in den letzten Jahren ausgebaut: die Ertüchtigung von historischen Fenstern mit Vakuum-Isoliergläsern (VIG). Die Koordinaten der VIG sind perfekt: Mit 8,1 mm Glasstärke, einem Gewicht von knapp 20 kg/m2 und einem Ug-Wert von etwa 0,45 W/m2K ist das VIG die Eier legende Wollmilchsau unter den Gläsern. Eine solche VIG-Scheibe besteht aus zwei Floatgläsern mit einer Dicke von 4 mm, und dazwischen ist eine hauch- dünne 0,1-mm-Schicht, in der das Nichts herrscht. Manchmal ist der Zwischenraum auch etwas grösser. Die Wirkung ist stets dieselbe. Evakuiert man die Atmosphäre und schafft so ein Vakuum, gibt es auch keine Luft oder kein Gas mit der jeweils spezifischen Wärmeleitfähigkeit. Das Nichts leitet auch keine Wärme, es isoliert geradezu fantastisch. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Schicht, in der das Vakuum herrscht, 0,1 mm oder 10 mm beträgt.

Neue Wege ausprobieren

Die Vakuum-Gläser sind heute eine Option. Liechti setzt sie bei der Ertüchtigung von historischen Fenstern ein. Denn inzwischen bieten viele Glashersteller VIG an, so auch Glas Trösch in der Schweiz. Der Aufbau der Scheiben und die Produktionsmethoden unterscheiden sich etwas. Liechti verwendet VIG vom Hersteller Fineo aus Belgien, einem Tochterunternehmen von AGC. Die Scheiben werden unter Bedingungen produziert, bei denen die Atmosphäre evakuiert ist. Deshalb fehlt der typische Stopfen im Eckbereich eines VIG. Dieser entsteht bei anderen Herstellern durch die Evakuierung der Atmosphäre, also in Gestalt des Ventils.

Vakuumgläser sind teurer als Zweifach-Isoliergläser. «Man muss etwa vom doppelten Preis ausgehen», sagt Andreas Blatter, Geschäftsführer der Schreinerei Liechti. Derzeit sei der Transport auch noch ein Preistreiber. «Wenn ich 20 Scheiben habe und der Transport der kleinen Charge von Belgien bis in unsere Werkstatt 1200 Franken kostet, dann werden die Scheiben teuer», sagt Blatter. Dies wird sich ändern, sobald ein Schweizer Glashändler den Bedarf bündelt und so die Transportkosten pro Scheibe in die Schweiz sinken. Bislang bestellt Blatter direkt bei Fineo.

Das liegt auch an den kleinen Unterschieden der Produkte. Die Scheiben haben kein Ventil für die Evakuierung der Luft. Die Distanzhalter, die jedes VIG braucht, sind kaum sichtbar. Ausserdem ist der grünliche Randverbund der Scheiben bei den VIG von Fineo recht schmal, sodass dieser in der Regel im Falz des Fensters verschwindet. Für Blatter passt deshalb das Produkt perfekt. «Die Falzhöhe der alten Fenster reicht in der Regel aus, um bei 8,1 mm Glasstärke wieder eine Kittfase anzubringen. Ist die verbleibende Falzhöhe jedoch zu gering, fräsen wir nach. Das geschieht mittels modifizierter Oberfräse», sagt Blatter. Wenn alles vorbereitet ist und passt, wird das VIG mit einem Hybridkleber in den Falz geklebt. Dieser habe sich bewährt und soll auch mit dem Randverbund des VIG keine Reaktionen aufweisen. Silikonhaltige Produkte seien jedoch schwierig, da eine spätere Fase mit Ölkitt dann nicht halten würde, sagt Blatter. Durch das Verkleben werden die oft filigranen und von der Zeit gezeichneten Flügelrahmen deutlich stabilisiert.

Neben den VIG für einfach verglaste Fenster kommen bei alten Verbundfenstern auch Isolierglasscheiben zum Einsatz. Diese werden mit einer Dichtungsebene ausgestattet und nicht geklebt. Dabei wird eine Nut gefräst, um ein vollwertiges Dichtungsgummi einzubringen und nicht wie oft üblich bei solchen Renovationen mit einem dünnen Nutfräser schräg genutet, um dann ein Rundprofil-Gummi anzubringen.

Eigenes Verfahren zum Entglasen

Auch bei der Vorbehandlung der historischen Fenster hat die Schreinerei Liechti eigene Wege beschritten. Zunächst landen die alten Fensterflügel in einem selbstgebauten Ofen. «Bei gut 65 °C wird der Fensterkitt weich, egal wie alt er ist. Dann lässt er sich ohne Staubentwicklung mechanisch mit der Klinge entfernen», erklärt Blatter das Prozedere. Dabei sei das Alter des Kitts egal. Diese würden stets weich.

Das Ausglasen erfolgt in einem extra dafür mit Entlüftung eingerichteten Raum. Zusammen mit der persönlichen Schutzausrüstung in Gestalt eines Overalls und einer umschliessenden, mit Frischluft versorgten Gesichtsmaske ist die Person gut geschützt. Denn: Alter Fensterkitt enthält Spuren von Asbest. Liechti lässt Proben des Kitts regelmässig im Labor untersuchen. Das Ergebnis sei stets identisch: geringe Spuren von Asbest enthalten.

Der Kniff mit dem Ofen scheint beim Umgang mit dem Gefahrstoff der Schlüssel zu sein. Wo kein Staub entsteht, kann er auch nicht eingeatmet werden. Bei Liechti ist man sich deshalb sicher, dass man die Gesundheit der Mitarbeitenden damit schützt.

Dem Denkmalschutz freut die Arbeit der Schreinerei in jedem Fall, gelten VIG in historischen Fenstern doch als elegante Lösung für den Erhalt der Bausubstanz.

www.3633.ch

christian härtel

Veröffentlichung: 26. Oktober 2023 / Ausgabe 43/2023

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