Auf den Spuren von Reineke

Der 47-jährige Jäger Job Müller verfügt über ein eigenes Waldstück mitsamt Hochsitz und Jagdhütte. Bild: Caroline Schneider

«Ich bin etwas aufgeregt», gesteht Job Müller, schultert seine Flinte und stapft durch den Schnee in Richtung seines Jagdhochsitzes. Die Dämmerung hat sich bereits über das kleine Waldstück gelegt, das dem Schreiner gehört. Am «Luderplatz», der jagdlichen Einrichtung zum Anlocken von fleischfressenden Tieren – in diesem Fall Füchsen –, hat er Leckereien in den Schnee gestreut. Nun heisst es warten, bis Reineke auftaucht. Dazu ist eine gehörige Portion Geduld nötig.

«Wenn ich zwei, drei Stunden im Dunkeln sitze, kann ich mich sehr gut entspannen. Ich hänge meinen Gedanken nach, oder ich denke auch einfach an gar nichts.» Das sei ähnlich wie Meditieren, erklärt Müller. «Langsam löst sich das Zeitgefühl auf, und die Sinne werden schärfer und wacher. Wenn der Fuchs 25 Meter entfernt ist, kann ich ihn bereits riechen», erzählt der erfahrene Jäger. Und auf einmal ist er da. Vor dem weissen Hintergrund ist er im Dunkeln gut zu erkennen. Die Hände des Jägers greifen zur Flinte, die vor ihm liegt. Sein Körper spannt sich. Sein Blick ist fokussiert. Doch dann stockt er, beobachtet, wohin sich der Fuchs bewegt, und lässt langsam die Flinte sinken. Reineke hat Lunte gerochen und sich davongestohlen. Diese Nacht ist der Jäger leer ausgegangen. «Es ist genau diese Spannung, die mich am Jagen fasziniert. Das Nicht-Wissen, ob man etwas erbeutet oder nicht.» Aber auch das Draussensein und die Verbundenheit mit der Natur seien für ihn sehr wertvoll. «Und Jagen ist auch Freundschaft. Wir Jäger pflegen einen guten Austausch miteinander.»

In seiner Freizeit leitet der Schreiner die Jagdhornbläsergruppe namens «Zuger Spielhähne». Mit seinen zehn Jägern tritt er an Hochzeiten, Geburtstagen oder Beerdigungen auf. Sein Jagdfieber brennt seit bald zwölf Jahren. Infiziert wurde er jedoch schon als Kind, als er seinen Onkel auf die Jagd begleitete.

Für das Jagdpatent hat er einen fast zweijährigen Jagdlehrgang absolviert – eine umfassende Ausbildung, in der man nicht nur lernt zu schiessen, sondern genauso viel über Flora und Fauna des Waldes erfährt. Die Fuchsjagd findet jeweils von Anfang November bis Mitte Februar statt. Im Kanton Zug kann man so viele Füchse schiessen, wie man will. Im Fachjargon nennt sich das Reduktionsjagd. Ein Fuchspatent kostet 60 Franken und nochmals so viel, wenn man nachts jagt. Die Fuchspopulation nimmt von Jahr zu Jahr zu. Aus diesem Grund wurde in den vergangenen Jahren auch die Fuchsjagd verstärkt. Auch Krankheiten und die Nahrungsknappheit werden die Füchse in den nächsten Jahren wieder dezimieren. Müller zieht seinen Füchsen jeweils eigenhändig das Fell ab und lässt daraus Kissen herstellen. «Früher gab es die geschlossenen Gesellschaften, wo man sich zum Fuchs-essen getroffen hat. Ich selbst habe noch nie Fuchsfleisch gegessen», sagt der Zuger.

Noch vor zwei Jahren gab es Abschussprämien: Zehn Franken für den Fuchs und fünf Franken für die Krähe. Aus Spargründen wurden diese mittlerweile abgeschafft. «Das ist gut so», findet Müller. «Krähen sind extrem intelligente Tiere. Sie erkennen mich an meinem Auto und fliegen davon, wenn ich auftauche.»

Nach der Fuchsjagd heisst es warten bis im September. Dann beginnt die Hirschjagd. Der passionierte Jäger freut sich schon jetzt darauf.

«Langsam löst sich das Zeitgefühl auf, und die Sinne werden schärfer und wacher.»

cs

Veröffentlichung: 01. Februar 2018 / Ausgabe 5/2018

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