Behutsam modernisiert

Das Oberteil ist ein geprüftes EI30-Element und konnte mit einem Sturz getrennt von der Tür betrachtet werden. Bild: Peter Liechti

Ertüchtigung.  Dank einer durchgängigen Türfachplanung und der präzisen Produktion erfüllen die Türen der Volksschule Enge in Bern nun die Bedürfnisse eines modernen Schulhauses. Es galt, ein gemeinsames Schutzziel für alle Interessengruppen und Beteiligten zu erarbeiten.

Die Schulanlage Enge liegt mitten in Bern, in einem von Wohnhäusern und Parkanlagen umgebenen Quartier. Das 1910 bis 1911 errichtete Gebäude war seit jeher ein Ort des Lernens und ist es auch nach der jüngsten Gesamtsanierung wieder. Ab 2022 wurde das Schulhaus durch Kast Kaeppeli Architekten aus Bern zur modernen Volksschule umgebaut. Dabei galt es, aktuelle Anforderungen in Bezug auf Sicherheit, Energie und Funktionalität mit dem Schutz der historischen Bausubstanz in Einklang zu bringen. Die Türen spielten in diesem Prozess eine zentrale Rolle. Nebst den grossen Eingangstüren betraf dies insbesondere die originalen Innentüren. Diese hochwertigen Schreinertüren aus Fichte waren teilweise noch im ursprünglichen Zustand und prägen das Erscheinungsbild des Gebäudes entscheidend mit. Für die Türfachplanung bedeutete das, dass ein objektspezifisches Konzept mit Fingerspitzengefühl und Fachkenntnissen gefragt war.

Zentraler Punkt im Vorprojekt

Peter Liechti, Inhaber der Tiger GmbH aus Gümligen BE, ist Spezialist für Türkons-truktionen und wurde bereits vor der Ausschreibung als Experte beigezogen. «Ich durfte zusammen mit dem Architekten, der Bauherrschaft und den zuständigen Behörden eine Lösung entwickeln, die sowohl brandschutztechnisch funktioniert als auch dem denkmalpflegerischen Anspruch gerecht wird», sagt Liechti. Der Anspruch war hoch. Die originale Struktur der Türen sollte erhalten bleiben, gleichzeitig mussten die neuen Anforderungen an den Brandschutz, an die Fluchtwege und teilweise auch an den Schallschutz erfüllt werden. In enger Zusammenarbeit mit dem ausführenden Schreinerbetrieb wurde die technische Machbarkeit auf Grundlage bestehender Prüfungen und Lizenzen geprüft. «Wir mussten kreative Wege finden, um geprüfte und nicht geprüfte Komponenten zu kombinieren und die dafür nötige Akzeptanz bei den Behörden zu schaffen», sagt Liechti. Dabei erwies sich die frühe Einbindung aller Beteiligten als entscheidend.

Technische Lösungen

Die Tücken des Bestandes lagen im Detail und den heutigen Anforderungen. Die Türen durften weder in Form noch Erscheinung verändert werden, insbesondere die Oberlichter sollten in ihrer ursprünglichen Ausführung bestehen bleiben. Gleichzeitig musste jedoch sichergestellt werden, dass die Türanlagen im Brandfall 30 Minuten Widerstand leisten können. Ein komplexer Zielkonflikt, der mit einer technischen Raffinesse gelöst werden konnte.

«Die Sanierung wurde mit einem sogenannten Auftrennverfahren realisiert, bei dem die Mittellage des Türblattes durch eine Brandschutzmittellage ersetzt wird, ohne das äussere Erscheinungsbild zu verändern», erklärt Liechti. Diese Lösung mit dem Oberteil zusammen war so allerdings nicht geprüft, also musste für die Umsetzung eine objektbezogene Brandschutzzulassung erwirkt werden. Ein Verfahren, das detaillierte Nachweise, von der Berechnung des Abbrandverhaltens über die Abstimmung mit der Gebäudeversicherung bis hin zur Festlegung der Schutzziele im Austausch mit der Denkmalpflege und Brandschutzbehörde, erforderte. Die Oberlichter wurden mit einem geprüften EI30-Trennwandelement ausgestattet. Durch einen Sturz konnte die brandschutztechnisch relevante Trennung zwischen Oberteil und Türblatt geschaffen werden. «Das funktioniert nur, wenn man sowohl die Materialeigenschaften als auch das historische Mauerwerk genau kennt», sagt Liechti. Denn die Backsteinwände mussten hierfür teilweise ergänzt oder verstärkt werden.

Aufwendige Planung und Produktion

In der Planungsphase wurde jeder Schritt sorgfältig dokumentiert, abgestimmt und kontrolliert. Peter Liechti begleitete den Prozess von der Idee bis zur Ausführung und übernahm eine zentrale Vermittlerrolle: «Ich war die Schnittstelle zwischen Lizenzgeber, Schreiner, Architekt, Bauherrschaft, Denkmalpflege und Behörden. Ohne ein klares Verständnis für die gegenseitigen Anforderungen hätte dieses Projekt nicht funktioniert.» Die Türen selbst mussten mit grosser Präzision neu aufgebaut werden. «Für uns war es das erste Mal, dass wir Türblätter in diesem Umfang auftrennen mussten. Deshalb war der Auftrag für uns sehr spannend und hat uns viele neue Möglichkeiten aufgezeigt», sagt Alain Lauper, Geschäftsinhaber der Kaeser AG aus Laupen BE. Die auf Innenausbau, Küchen und Türen spezialisierte Schreinerei mit rund 30 Mitarbeitenden fertigt rund 1000 Türen pro Jahr. Auch der Schallschutz wurde bei bestimmten Türtypen berücksichtigt. Durch die Wahl spezifischer Kerne und das einseitige Öffnen und Ausstopfen des Türfutters mit Steinwolle konnten in diesem Bereich gute Verbesserungen erzielt werden. Als Finish wurde die Oberfläche der Türblätter mit einer authentischen Ölfarbe behandelt.

Montage unter Aufsicht

Die Montage der Türen stellte eigene Anforderungen. «Es reicht nicht, dass alles auf dem Papier passt. Die Umsetzung auf der Baustelle ist mindestens so entscheidend», betont Liechti. Er begleitete den Einbau aktiv, prüfte die Einhaltung der Planvorgaben und führte die Endabnahme durch. Auch die Verwendung des korrekten Montagematerials war zentral.

Hinzu kam die Integration geprüfter Schlösser und Fluchtwegkomponenten. «Die Türblätter wurden dazumal natürlich nicht für die heute üblichen Fluchttürschlösser gebaut. Deshalb mussten speziell geprüfte Schlösser, Drücker und Vierkantstifte verwendet werden, die miteinander kompatibel sind», sagt Liechti. Dies erforderte nicht nur technisches Verständnis, sondern auch eine vorausschauende Planung.

Vertrauen als Fundament

Ein komplexes Projekt wie dieses, mit vielen Interessengruppen, lebt von der Zusammenarbeit und vom gegenseitigen Vertrauen. Das zeigt sich auch bei der objektbezogenen Brandschutzzulassung. «Nur wenn Denkmalpflege und Brandschutz gemeinsam ein Schutzziel definieren, kann man eine praxistaugliche Lösung erarbeiten», sagt Liechti. Die Rolle des Türexperten besteht dabei nicht nur in der technischen Koordination, sondern auch in der Übersetzung zwischen den unterschiedlichen Fachsprachen aller Beteiligten. Für Liechti ist klar: «Diese Art von Arbeit ist wertvoll und verlangt entsprechend viel Know-how.» Auch für Lauper war die enge Begleitung durch Liechti wichtig: «Der ganze Prozess war sehr aufwendig und herausfordernd. Jedoch haben wir als Team durch den Auftrag mehr gelernt als in jeder theoretischen Weiterbildung. Man muss als Schreiner bereit sein, seine Verantwortung zu übernehmen und auch die Risiken zu verstehen.» Liechti empfiehlt Schreinerbetrieben, die sich mit solchen Aufgaben befassen wollen, frühzeitig externe Fachleute einzubinden, klare Absprachen mit den Behörden zu treffen und die Schutzziele sowie alle Details zu klären, bevor produziert wird. Durch die Entwicklung dieser technischen Möglichkeit kann die Kaeser AG nun auch Dienstleistungen bezüglich der Ertüchtigung bestehender Türen für andere Unternehmen sowie neue Brandschutztüren anbieten.

Türen mit Geschichte und Zukunft

Das Projekt Schulhaus Enge zeigt exemplarisch, wie historische Substanz mit zeitgemässer Funktionalität verbunden werden kann. Die Türen sind heute nicht nur denkmalgerecht erhalten, sie erfüllen auch alle relevanten Anforderungen an Brandschutz, Fluchtwegtechnik und den Schallschutz. Möglich wurde dies durch die Kombination aus vorausschauender Türfachplanung, handwerklicher Präzision und einer guten Gesprächskultur zwischen allen Beteiligten.

www.tigergmbh.chwww.schreinereikaeser.ch

Noah Gautschi

Veröffentlichung: 22. Mai 2025 / Ausgabe 21/2025

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