Da drückt es sich rund

Bilder: Tecnoline

Fest Im Griff.  Der Türdrücker geniesst bei Innenausbauten nicht gerade erste Priorität. Oft kümmert sich keiner um das schmucke Detail, das einer Tür Ausdruck verleihen kann. Dabei lohnt es sich, bei der Auswahl des passenden Drückers auch gestalterische Aspekte zu begreifen.

Drücker für Innentüren sind fast so individuell wie die Hände der Benutzer. Der Schreiner kann von den Herausforderungen ein Lied singen, beschränkt sich die Individualität doch nicht nur auf die Form, sondern auch auf Technik und Einbau.

Nachfolgend werden die formalen Aspekte von Klinken beleuchtet. Interessant ist, dass Kunden, Architekten, Innenarchitekten oder eben Schreiner trotz der immensen Formenvielfalt gerne auf bewährte Modelle zurückgreifen. Dabei wird eines augenfällig: Rund hat die Nase vorn.

Der Drücker als Handschmeichler

«Natürlich sprechen auch kantige Drücker für sich», sagt Fredy Mast von der Beschläge U.S.W. AG. Gerade moderne Architektur verlange vielfach nach strengen Geometrien. Doch wenn ein Kunde zu ihm in die Beratung komme, dann empfehle er meistens etwas Ergonomisches, sprich einen Drücker, den die Hand gerne anfasst. Denn unbewusst nehme jeder wahr, ob ein Türdrücker in die Hand passe oder nicht, ist sich Fredy Mast sicher. Keiner ärgert sich gerne, wenn er eine Tür aufmacht. Im Alltag sind Drücker, die am falschen Ort drücken, genauso störend wie quietschende Bänder.

Einen Rundrohrdrücker von hoher Bekanntheit gestaltete zu Bauhaus-Zeiten der Maschinenbauer, Mathematiker und Philosoph Ludwig Wittgenstein. Dieser Beschlag besteht im Grundsatz aus einem abgewinkelten Stahlrohr, welches die klassische L-Form beschreibt. Auf der Gegenseite ist der Drücker zum Drehpunkt hin abgekröpft. Den Rohrdurchmesser gestaltete Wittgenstein mit 16 mm eher dünn. Doch er verstand den Entwurf nicht als die optimale Handform, sondern als Griff für alle mögliche Arten des Zugreifens.

Der Benutzer ist entscheidend

Viel hat sich über die Jahre nicht verändert. Man stellte fest, dass es für gewisse Anwendungen praktisch war, wenn sich der Drücker zum Rohrende hin leicht gegen das Türblatt abbog. Der sogenannte «Pferdestalldrücker» hat seinen Namen, weil er angeblich zum ersten Mal in Pferdeställen eingesetzt worden ist. Das gebogene Ende verhinderte bei diesem Modell, dass die Pferde an den Zügeln hängen blieben. Heute ist diese Art Klinke als U-Form bekannt. «Sie wird vorwiegend in Schulen oder Verwaltungen eingesetzt», erklärt Albert Sutter von der Beschlägeproduzentin Mega Gossau AG. «Überall dort, wo die Gefahr besteht, dass Menschen hängen bleiben können», ergänzt er. Für Turnhallen wiederum, wo diese Gefahr noch akuter ist, gibt es spezielle Einlassmuscheln mit Flachdrücker.

Für barrierefreie Anwendungen setze man besonders lange oder nach unten hin abgekröpfte Drücker ein, erklärt Albert Sutter weiter. «Oft sind solche gleichzeitig weit ausladend, so dass man sie auch mit dem Unterarm betätigen kann.»

Auch zur Art der Benutzung hat sich Ludwig Wittgenstein einst seine Gedanken gemacht. Ein überliefertes Zitat: «Erst die Anwendung macht den Stab zum Hebel.»

Rund ist nicht gleich rund

Das Rundrohr bildet nicht nur die Basis für viele archetypische Formen. Auch heutige Beschläge wie beispielsweise das Bestseller-Modell «5071 (Memphis)» von Glutz weisen einen runden Querschnitt auf. Im Fall von «Memphis» misst dieser 20 mm. Das «Frankfurter Modell», wie man den auf Gehrung gefügten Rundstab auch nennt, ist beim Beschlägehersteller aus Solothurn ebenso als Modell «5073 (Banks)» oder als Modell «33002 (Gstaad)» mit einem Griffdurchmesser von 18 mm beziehungsweise 16 mm erhältlich. Letzterer wurde – der Name lässt es erahnen – gemäss Marketingleiter Patrick Luder speziell für den Einsatz in Chalets oder an Altholz-Türen entworfen. «Bei diesen Anwendungen schätzt man die schlanke Wirkung», weiss Patrick Luder.

Der optimale Griff für die Hand

Die meisten Hände verlangen nach grösseren Durchmessern. «Erst bei einem Griffdurchmesser von 20 oder 22 mm wird Greifen richtig angenehm», sagt Adrian Hager von Hager Zierbeschläge AG in Niederurnen. Die Spezialität seiner Firma ist nicht das Massengeschäft, sondern es sind Einzelanfertigungen wie beispielsweise handgeschmiedete Exemplare aus Eisen.

Wenn es nach der deutschen Firma FSB ginge, wäre nicht der Rundstab, sondern das diagonal gedrehte Oval der anwenderfreundlichste Profilquerschnitt für die Hand. Mit «Ergo System» führt die rund 130-jährige Spezialistin für Tür- und Fensterbeschläge im Objektbau ein Produktsystem, das insbesondere für den barrierefreien Einsatz im Badezimmer entwickelt worden ist. Ein Türdrücker nach dem «Ergo-System» wurde allerdings nicht gebaut. Drücker mit ovalem Rohrquerschnitt sind dagegen erhältlich.

Das Material bestimmt die Haptik

Beim sogenannten «Waggon-Drücker» ist ein ovaler Querschnitt bereits seit langer Zeit Gang und Gäbe. Das typisch schweizerische Modell fällt an vielen Bauten auf und wird durch seine weiche und doch symmetrische Form auch heute noch gerne eingesetzt. «Die Mega Gossau AG hat den Drücker vor über 80 Jahren für die SBB produziert», sagt Albert Sutter und ergänzt, dass das Original ursprünglich aus Alu-Druckguss bestanden habe, mit einer Oberfläche aus naturfarbenem Eloxat. Heute vertreibt die Me-ga Gossau AG den Drücker in den gängigen Metallen wie Messing, Zink oder Chrom- nickelstahl.

Als Alternative zu diesen Metallen stellt FSB zurzeit als wiederentdeckten Trend den Bronzeguss vor. Bronze harmoniert farblich gut mit den meisten Holzarten. Zudem sagt man dem Material eine keimtötende Wirkung nach.

Wer warme Oberflächen wünscht, entscheidet sich mit Vorteil für Holzeinlagen. «Kürzlich konnten wir für einen Privatkunden Exemplare mit Einlagen aus Nussbaum anfertigen lassen», sagt Fredy Mast. Solche Spezialanfertigungen kosten zwar mehr, sind aber in vielen Fällen genau die richtige Lösung. Im öffentlichen Raum bestehen Türbeschläge oft aus Chromnickelstahl, denn er vereint mehrere Eigenschaften: Das Material sei «preiswert, pflegeleicht und vandalensicherer», so Fredy Mast.

Anforderungen an den Beschlag

Für Bereiche, wo eine starke Beanspruchung der Beschläge absehbar ist, setzt man Türdrücker ein, die nach DIN EN 1906 geprüft und entsprechend ausgewiesen worden sind. Der Unterschied in Benutzungskategorie und Dauerhaftigkeit ist vielfach auf die Lagerung zurückzuführen, bei der jeder Hersteller sein eigenes Patentrezept ausspielt. Je nach Anforderung an die Tür kommen Kunststofflager, Seegerringe, Nadellager und andere Systeme zum Einsatz. Neben der Drücker-Führung trägt die Art der Rückfederung massgeblich zum Bedienkomfort eines Türdrückers bei. Weil je nach Hersteller und Drückermodell manchmal vielerlei Kombinationen möglich sind, gilt es bei der Bestellung genau abzuklären, was im Einzelfall gefordert ist und wie detailliert die Bestellung ausfallen muss.

Durchgängiges Design vielfach möglich

Auch wenn heute elektronische Schliessysteme auf dem Vormarsch sind, haben klassische Drücker längst nicht ausgedrückt. «Viele unserer mechatronischen Systeme können mit einem Drücker nach Wahl bestückt werden», erklärt Patrick Luder von Glutz. Was hier im Einzelfall möglich ist, zeigt ebenfalls die individuelle Abklärung. Stehen der Auswahl eines Innentürdrückers keine einschränkenden Rahmenbedingungen im Weg, dann macht es sicherlich Sinn, einen Blick auf Produktfamilien zu werfen. «Wichtig ist, dass es ein Drückermodell nicht nur für die Zimmertür gibt, sondern gleichzeitig als Beschlag für Haustür, WC-Tür, Hebeschiebetür und Fenster», erzählt Fredy Mast von der Beschläge U.S.W. AG. Eine durchgängige Produktsprache beruhigt nicht nur die Gestaltung im Raum, sie führt auch den Benutzer. Nicht, dass es diesem so ergeht, wie Ludwig Wittgenstein einst in einem Aufsatz zu Papier gebracht hat: «Ein Mensch ist in einem Zimmer gefangen, wenn die Tür unversperrt ist, sich nach innen öffnet; er aber nicht auf die Idee kommt zu ziehen, statt gegen sie zu drücken.»

www.usw.chwww.mega.chwww.glutz.comwww.hagerag.ch

Die vier Gebote des Greifens

Auch der Schreiner muss sich seine Gedanken bei der Auswahl und Empfehlung von Türdrücker-Garnituren machen. Von Vorteil ist es, wenn er dabei den Benutzer kennt – und das ABC des Greifens. Anlässlich eines Workshops bei der FSB nannte der Designer Otl Aicher vor 25 Jahren die «vier Gebote des Greifens»:

Daumenbremse

Der Daumen sucht stets eine Richtung. Bereits auf den ersten Faustkeilen lassen sich seine Spuren nachweisen. Viele Gegenstände des Greifens haben eine ausgesprochene Daumenorientierung.

Zeigefingerkuhle

Auch der Zeigefinger ist auf Richtungssuche. Der Lotse der Hand tastet sich suchend vor, lässt die übrigen Finger nachkommen. Bei einigen Gegenständen sorgt eine ausgesprochene Mulde für den Zeigefinger für besseren Grip.

Ballenstütze

Die Hand als Einheit verlangt eine Stütze. Daumen und Zeigefinger sondieren den Raum. Dann fasst die Hand als Ganzes zu. Der Handballen will dabei gestützt werden. Nur so kann die Kraft aufgebracht werden.

Griffvolumen

Den Griff ins Leere schätzt die Hand nicht. Sie will ballig geführt werden. Greifvolumen ist notwendig. Beim sinnfreien Spielen mit Handschmeichlern, meist bunten Steinen in Eiform, verrät der Mensch unbewusst dieses Grundbedürfnis.

www.fsb.de

MW

Veröffentlichung: 10. Oktober 2013 / Ausgabe 41/2013

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