Dem Kunden ein Bild vorrechnen

Grosse Wirkung mit weniger Aufwand: Für Visualisierungen genügt oft der Skizzenstil. Bild: Schreinerei Lipp

Rendering.  Das Erstellen von dreidimensionalen Visualisierungen wird dank besseren Programmen immer einfacher und bringt verschiedene Vorteile mit sich. Dennoch muss man sich laufend mit der Thematik auseinandersetzen, damit sich der Aufwand lohnt.

In der Architektur und bei Neubauten sind fotorealistische Renderings Standard. Mit der Virtual Reality VR (virtuelle Realität) und der Augmented Reality AR (erweiterte Realität) ist bereits die nächste Entwicklung auf dem Vormarsch. Im vergangenen Herbst hat Ikea eine App lanciert, mit welcher man ein Möbel aus dem Sortiment mithilfe eines Smartphones oder Tablets virtuell in einem Raum platzieren kann. Der Benutzer sieht so, ob das Möbel optisch in den Raum passt.

Den Kunden unterstützen

Vieles davon mag Spielerei sein, einige Puristen werden jetzt denken, dass es früher auch ohne all die Elektronik ging und colorierte Handskizzen ohnehin viel besser aussehen. Aber Hand aufs Herz – wer fertigt heute noch solche Skizzen in verschiedenen Varianten und Perspektiven für seinen Kunden an? Zumal dies einiges an Übung, Können und Talent voraussetzt.

Tatsache ist, dass potenzielle Kunden die dreidimensionale Darstellung von Möbeln und anderen Objekten sehr schätzen. Denn die wenigsten können sich anhand der Werkzeichnungen und Masse die Situation entsprechend vorstellen. Nicht umsonst wird ja für angehende Schreinerlernende ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen als Grundanforderung gestellt. Die Erfahrung, dass Kunden eine Perspektive schätzen, macht Franz Lipp, Inhaber und Geschäftsführer der gleichnamigen Schreinerei in Goldau SZ, immer wieder: Auf seinen Offerten und Werkplänen platziert er meistens eine kleine Visualisierung. «Seither gibt es im Nachhinein eigentlich kaum noch Diskussionen über die Masse, Änderungen oder Nachtragsarbeiten und auch der Preis rückt eher in den Hintergrund», sagt Franz Lipp. Und viele der Mitbewerber seien bisher nach wie vor ohne Visualisierungen unterwegs, was ihm einen Vorteil verschaffe.

Die drei Stufen

Grundvoraussetzung für solche Darstellungen ist ein CAD-Programm, welches das Erstellen von dreidimensionalen Objekten ermöglicht. Dazu sind heute praktisch alle professionellen CAD-Programme in der Lage. Aus den 3D-Daten lassen sich dann entsprechende Visualisierungen rendern. Dabei stellt sich aber immer die Frage, wie viel Zeit und Geld man dafür investieren will. Prinzipiell lassen sich die Visualisierungen in drei Stufen unterteilen.

Niedrig: Direkt aus dem CAD werden einfache dreidimensionale Darstellungen generiert. Oft wird auch von der «OpenGL»-Darstellung gesprochen. Dabei handelt es sich um einen Standard, der die Echtzeitdarstellung von 3D-Szenen ermöglicht. Die Berechnung erfolgt dabei durch die Grafikkarte.

Mittel: Ab diesem Punkt kommen Render-Programme zum Einsatz, die separat dazugekauft werden müssen, oder, je nach Hersteller, auch im CAD integriert sind. Die Programme rechnen die 3D-Modelle aus dem CAD mithilfe des Prozessors unter Berücksichtigung der Lichtverhältnisse, Oberflächenbeschaffenheit, Schatten etc. in ein Bild um.

Hoch: In diesem Bereich kommt professionelle Render-Software zum Einsatz, die auch in der Film- und Videospiel-Industrie verwendet wird. Die zwei bekanntesten Programme sind «3ds Max» von Autodesk und «Cinema 4D» von Maxon. Damit lassen sich realistische Animationen unter Einbezug der physikalischen Eigenschaften von Materialien erstellen. Also wenn man zum Beispiel virtuell eine Kugel auf eine weiche Oberfläche fallen lässt, dann bewegen und verformen sich Oberfläche und Kugel wie in der Realität.

Einfacher zu bedienen

Gemäss den Software-Anbietern gibt es allerdings kaum Schreinerbetriebe, welche sich ein professionelles Render-Programm leisten. Selbst Architekturbüros lassen ihre Visualisierungen meistens von externen Spezialisten erstellen. Für Franz Lipp ist das alles eine Frage der Verhältnismässig-keit: «Wenn man für einen Millionenauftrag Visualisierungen erstellen muss, ist das etwas anderes, als wenn es um ein Badmöbel für einige tausend Franken geht.»

Insofern sind für die meisten Belange im Schreinerbereich die ins CAD integrierten Render-Programme ausreichend. Zumal es sich dabei oft um abgespeckte Versionen der professionellen Render-Software handelt, oder deren Technologie als Grundlage verwendet wird.

Wesentlich verbessert und vor allem vereinfacht haben die Software-Entwickler die Bedienerfreundlichkeit. Gute Visualisierungen lassen sich nun speditiver und auch von weniger geübten Anwendern erstellen. Musste man sich früher durch zahlreiche Einstellungen und unbekannte Begriffe klicken, erweiterten inzwischen die Hersteller die Palette an vordefinierten Stilen, Objekten und Funktionen. Grafisch unterstützt lassen sie sich mit wenigen Klicks in die Visualisierung integrieren und anpassen.

Visualisierungen brauchen Licht

Ein grosses Thema ist dabei immer das Einstellen und Platzieren von Lichtquellen, denn ohne diese wäre eine Visualisierung einfach schwarz. Gute Ergebnisse lassen sich hier bereits mit einfachem Tageslicht erreichen. Dadurch entstehen unterschiedlich beleuchtete Flächen und Schatten, was der Visualisierung Tiefe verleiht. Wichtig für die Zeichnung ist: Die Objekte müssen in einem Raum mit Fenstern oder einer grossen Öffnung platziert werden, damit das künstliche Tageslicht in den Raum gelangt und Schatten wirft.

Im digitalen Fotostudio

Franz Lipp hat dafür eine Art digitales Fotostudio eingerichtet, wo alle Einstellungen und Hintergründe voreingestellt sind. So muss er den Raum nur noch in den Dimensionen anpassen und die Objekte platzieren. Dadurch kann er sehr schnell Visualisierungen in verschiedenen Varianten erstellen. «Das bedingt natürlich, dass man sich am Anfang gründlich mit den Einstellungen auseinandersetzt und Vorlagen erstellt», fügt Franz Lipp an.

In der Offertphase setzt er in der Regel auf den Skizzenstil. Das hat den Vorteil, dass die Masse, Konstruktionen und Materialisierungen nicht schon realitätsnah definiert werden müssen. Möbel und andere Bauteile können dann auch als einfache Volumenkörper gezeichnet werden. So verstrickt man sich auch nicht zu sehr in Details, die in diesem Moment noch keine grosse Rolle spielen.

Anders sieht es aus, wenn man über eine grosse Bibliothek mit standardisierten Bauteilen verfügt, wie es zum Beispiel im Küchenbau oft der Fall ist. So lassen sich auch mit wenig Aufwand fotorealistische Renderings erstellen. Allerdings besteht dann die Gefahr, dass man sich nur noch innerhalb dieser Standards bewegt, statt für den Kunden einzigartige Lösungen zu erarbeiten.

Gute Hardware ist gefragt

Ausserdem beansprucht auch das eigentliche Rendern von fotorealistischen Visualisierungen nach wie vor viel Zeit. Besonders Spiegelungen, Licht- und Schatteneffekte verlangen der Computer-Hardware viel ab. Will man also Render-Zeit sparen, dann lohnt es sich, hier die Einstellungen zu optimieren beziehungsweise die Qualität zu reduzieren. Oft ist es völlig ausreichend, wenn Spiegelungen oder Schatten lediglich angedeutet werden. Ein Rechner mit schnellem Prozessor und High-End-Grafikkarte ist dafür unerlässlich. Aber aufgepasst: Vor dem Kauf eines neuen Rechners lohnt es sich, einen Blick auf die Hardware-Anforderungen und die Kompatibilitätsliste des jeweiligen Programms zu werfen. Denn dieses ist meistens für bestimmte Hardware und Betriebssysteme optimiert. Sprich: Nur mit der richtigen Hardware-Komposition kann das Render-Programm die volle PC-Leistung abrufen.

Dennoch benötigt das Rendern von Visualisierungen häufig mehrere Stunden. Währenddessen ist der Prozessor in der Regel so stark ausgelastet, dass ein paralleles Arbeiten nur noch eingeschränkt möglich ist. Deshalb macht es Sinn, über die Mittagspause oder am Abend zu rendern – oder man legt sich einen Computer nur für diese Aufgabe zu.

In jedem Fall stellt sich die Frage, wie viel Zeit man in der Offert- und Planungsphase in das Rendern der Visualisierungen investieren will. Denn anders als in der Architektur wird das Abrechnen von Entwurfs- und Planungsdienstleistungen in der Schreinerbranche immer noch sehr stiefmütterlich behandelt.

Der Arbeit Wert verleihen

Franz Lipp hat diesbezüglich auch schon schlechte Erfahrungen gemacht. Potenzielle Kunden verwendeten seine Entwürfe, um bei anderen Schreinereien Offerten einzuholen. «Dagegen habe ich dann rechtliche Schritte eingeleitet», sagt Lipp. Seither vermerkt er konsequent auf jedem Dokument, dass die Entwürfe sein Eigentum sind und ohne seine Genehmigung nicht weitergegeben oder für andere Zwecke gebraucht werden dürfen.

Letztendlich bleibt dem Schreiner nichts anderes übrig, als sich vermehrt mit dem Rendering und der Visualisierung auseinanderzusetzen und für sich eine Entscheidung zu fällen. Denn die Entwicklung schreitet unweigerlich voran und der Druck aus dem Markt nimmt zu. Mit vernünftigem Aufwand erstellt und richtig eingesetzt bringen Visualisierungen einige Vorteile mit sich. Und die CAD-Entwickler arbeiten an Lösungen, die es dem Schreiner erlauben, Augmented-Reality- oder Virtual-Reality- Visualisierungen zu erstellen.

www.schreinerei-lipp.chwww.computerworks.chwww.cadt-solutions.com

ph

Veröffentlichung: 15. März 2018 / Ausgabe 11/2018

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