Den Anschluss nicht verlieren

Aufgrund ihrer Komplexität werden Anschlussdetails vermehrt dreidimensional dargestellt.

Bauanschlüsse.  Die Fensterbranche hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt und macht vieles richtig. Aufgrund ihrer Komplexität sind aber Flachdachanschlüsse nach wie vor ein Sorgenkind. Die gute Nachricht: Es gibt Lösungen und eine Sensibilisierung findet statt.

34 Prozent aller Mängel im Hochbau ordnen Forscher der ETH Zürich in der Studie «Baumängel im Schweizer Wohnungsbau – Eine Ursachenanalyse auf Ebene der Entscheidungsträger» dem Fenster- und Terrassenbereich zu. Als dies 2013 veröffentlicht wurde, war es für die Fensterbranche eine unerfreuliche Botschaft.

Langwieriger Lernprozess

Seither hat man in diesem Bereich grosse Anstrengungen unternommen, um Architekten, Planer und Fensterbauer für diese Thematik zu sensibilisieren. Insbesondere der Schweizerische Fachverband Fenster- und Fassadenbranche (FFF) hat hier entsprechende Schulungen vorangetrieben: 2015 besuchten über 1000 Personen den Kurs «Risikofaktor Bauanschlüsse im Fensterbau», und ab Juni 2016 werden weitere Folgekurse angeboten (siehe Box) . «Solche Prozesse dauern aber relativ lange», sagt FFF-Co-Präsident Josef Knill. «Bei den Dampfbremsen hat es etwa 15 Jahre gedauert, bis in allen Bereichen ein entsprechendes Niveau erreicht wurde.»

Die positive Nachricht ist, dass die Fensterbauer grosse Fortschritte gemacht und die seitlichen sowie obenliegenden Bauanschlüsse mittlerweile im Griff haben. «Problematisch sind heute hauptsächlich die Flachdachanschlüsse bei Fenstern und Schiebetüren», sagt Knill, der gleichzeitig Geschäftsführer der Fensterinform GmbH in Siegershausen TG ist.

Ansprüche und Ausnahmeregelungen

Diese Bauteile müssen umfangreiche Anforderungen erfüllen wie Schlagregendichtheit, Wärmeschutz, Aufnahme von Kräften aus Windlast, Eigenlast und Bedienung usw. Zudem gilt es, weitere Ansprüche wie behindertengerechte Ausführung, Schallschutz, Einbruchschutz und Ästhetik zu berücksichtigen. Insbesondere der schwellenlose Übergang stellt hier eine grosse Herausforderung dar und birgt viel Schadenpotenzial. Ein grosses Problem dabei ist die sogenannte Hinterläufigkeit. Sprich wenn aufgrund ungenügender oder fehlerhafter Abdichtungen Feuchtigkeit hinter die Abdichtungsebene dringt.

Ein Aspekt, dessen sich viele nicht bewusst sind, ist, dass man sich deshalb beim Flachdachanschluss mittlerweile in den meisten Situationen im Bereich von Sonderlösungen bewegt. Denn gemäss der SIA 271 «Abdichtungen von Hochbauten» müssen zwischen OK (Oberkant) Nutzschicht und OK Freibord (in der Regel OK Abdichtung) mindestens 60 mm liegen. Kleinere Distanzen sind nur aufgrund einer Ausnahmeregelung unter Ziffer 5.2 zulässig. Diese Ausführungen erfordern aber zusätzliche Schutzmassnahmen.

Das Thema auf den Tisch bringen

Oft geschehen die Fehler in diesem Bereich bereits in der Planung aufgrund fehlender oder missverständlicher Kommunikation zwischen den Beteiligten. Der Anfang vom Übel sei dabei die Ausschreibung, erzählt Josef Knill. «Eigentlich braucht es hier bereits ein Detail, damit entsprechend geplant werden kann.» Ob dann effektiv mit diesem oder einem anderen vergleichbaren System gebaut wird, spiele keine grosse Rolle. «Wichtig ist, dass überhaupt geplant wird und das Thema auf den Tisch kommt.»

Spätestens nach der Unterzeichnung des Werkvertrages müssen Planer, Fensterbauer und Flachdachabdichter an einen Tisch sitzen und sich auch die unbequemen Fragen stellen. Eine Situation, die aufgrund des Zeit- und Kostendruckes gerade für junge Projektleiter schwierig zu meistern ist.

Mit kleineren, nicht gravierenden Fällen hatte die 1a Hunkeler Fenster AG aus Ebikon LU ebenfalls schon zu tun. Dort stellt man fest, dass seit eineinhalb Jahren bei den Systemlieferanten für Schiebetüren, den Architekten und Fensterbeschlagherstellern ein Umdenken stattfindet. «Die Sensibilisierung ist vermehrt vorhanden; man ist bereit, gemeinsam Lösungen zu finden. Denn wenn es Probleme gibt, hängen sowieso alle mit drin», sagt Rolf Hunkeler. Um auf die Thematik aufmerksam zu machen, hat das Unternehmen im vergangenen Jahr sogar zwei eigene Seminare für Architekten und Planer organisiert.

3D-Darstellungen erleichtern Arbeit

Eine weitere Erkenntnis, die sich herauskristallisiert hat, ist, dass gewöhnliche 2D-Pläne und -Schnitte bei der Darstellung dieser wichtigen und komplexen Details an ihre Grenzen stossen. Deshalb will der FFF die Darstellung mittels 3D-Plänen weiter vorantreiben. Selbstverständlich ist das zeit- und kostenintensiv für die Unternehmen. Bei 1a Hunkeler hat man insbesondere Innen- und Aussenecken von Hebeschiebetüren als 3D-Modell dargestellt: «Es erleichtert Planung und Kommunikation enorm», bestätigt Rolf Hunkeler. Künftig werden 3D-Daten in der gesamten Bauplanung ohnehin eine immer wichtigere Rolle spielen. Der Grund dafür ist das Building Information Modeling (BIM; siehe SZ Nr. 9/2016, Seite 10) , wo die Daten für weitere Kalkulationen und Berechnungen Verwendung finden.

Die Nutzung regeln

Josef Knill warnt aber davor, sich in absoluter Sicherheit zu wähnen, wenn man die Flachdachanschlüsse gemäss den geltenden Normen und Vorgaben ausführt: «Eine Norm ist letztendlich keine Garantie für Schadenfreiheit.» Deshalb empfiehlt der Experte, auch das Thema Nutzungsvereinbarung verstärkt miteinzubeziehen, insbesondere wenn es sich um die erwähnten Sonderlösungen handelt. Konkret heisst das, dass in der Vereinbarung auch regelmässige Wartungen und regelmässiger Unterhalt oder der korrekte Umgang mit dem Bauteil geregelt werden.

Das kann soweit gehen, dass beispielsweise unter bestimmten Umständen eine zeitnahe und regelmässige Schneeräumung gefordert wird. Solche Massnahmen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Schäden frühzeitig entdeckt oder verhindert werden. Die Herausforderung hierbei ist allerdings, dass solche Massnahmen dann tatsächlich auch umgesetzt wird.

Anorganische Rahmenverbreiterungen

Schwierigkeiten bereitet den Fensterbauern häufig auch die Situation auf der Baustelle. Schlechter Witterungsschutz und damit zu hohe Feuchtigkeit in der Bausubstanz, die beim beidseitigen Abdichten im Rahmen eingeschlossen wird, oder durchhängende Decken sind keine Seltenheit. Rolf Hunkeler erinnert sich an einen Fall, bei dem sich die Decke innert kurzer Zeit massiv absenkte: «Beim Einbau hatte unser Element 20 bis 30 mm Luft zur Decke, jetzt drückt diese auf das Element.» Bei solch starken Bewegungen kann man nicht ausschliessen, dass auch Bauanschlüsse und Fensterelemente in Mitleidenschaft gezogen werden und irgendwo Feuchtigkeit eindringt. Man geht deshalb davon aus, dass in absehbarer Zeit die Rahmenverbreiterungen im Flachdachbereich fast nur noch aus anorganischen Materialien gefertigt werden. Das löst zwar die Ursache der eindringenden Feuchtigkeit nicht, denn diese kann mit der Zeit auch zu Schäden an der Bausubstanz führen. Aber die Anfälligkeit des Fensterelementes im unteren Bereich lässt sich durch den Einsatz solcher anorganischer Werkstoffe verringern.

Lösungen sind machbar!

In Anbetracht der Entwicklung im Fensterbereich ist es umso wichtiger, hier am Ball zu bleiben. Denn die Elemente und das Auftragsvolumen werden immer grösser. Entsprechend vergrössert sich auch die potenzielle Summe im Schadenfall. Berücksichtigt man dabei zusätzlich die politischen Bestrebungen, wie zum Beispiel die Erhöhung der Verjährungsfristen, können solche Situationen tatsächlich zu einem existenziellen Problem für ein Unternehmen führen. Denn bereits heute gibt es Fälle, in denen die Schadensumme die Millionengrenze überschreitet. Die Experten sind aber überzeugt: Man kann diese Schwierigkeiten lösen.

www.gh-schweiz.chwww.fensterinform.chwww.1a-hunkeler.ch

Risikofaktor Bauanschlüsse im Fensterbau - Teil 2

Fortsetzungsseminar

Im Teil 2/2016 des FFF-Seminars sollen konkrete Praxisvorschläge und Lösungen anhand von 3D-Modelldetailzeichnungen verständlich aufgezeigt und geschult werden. Ziel ist, praxiskonforme Lösungen aus der Norm SIA 271 für Fenstersysteme, Flachdach- und Bauanschlüsse aufzuzeigen und für das Tagesgeschäft zur Verfügung zu stellen. Die Teilnehmenden erhalten einen Leitfaden für die Planung konkreter und normkonformer Bauanschlussdetails.

Kursinhalte

  • Zeichnungen für verschiedene Fenster, Fenstertüren, Hebeschiebtüren inkl. der verschiedenen möglichen Flachdach- und Bauanschlüsse
  • Fixe oder variable Zusammen- bauten «Gerade, Innen- oder Aussenecken» inkl. Grundsatz und dessen Entscheidungskriterien
  • Behindertengerechte Lösungen gemäss SIA 500
  • Offene und geschlossene Nutz- schichtbeläge: Was für Materialien gibt es? Konsequenzen unter- schiedlicher Materialisierung, Lösungen für das Erreichen des 5-%-Fugenanteils
  • Praxisbeispiele für Entwässerung generell, Notentwässerung, Rinnenentwässerung usw.
  • Konkrete Vorschläge für Ausschreibungstexte, manuelle und oder BKP/NPK
  • Was sind die Kriterien bei verrottbaren und nichtverrotbaren Baumaterialien? Welche Lösungen und Alternativen gibt es?

Kursdaten

  • Mi, 1. Juni, Dübendorf ZH
  • Mi, 8. Juni, Oberriet SG
  • Mo, 6. Juni, Emmenbrücke LU
  • Di, 6. September, Winterthur ZH
  • Mi, 7. September, Zollikofen BE
www.fff.ch

ph

Veröffentlichung: 31. März 2016 / Ausgabe 13/2016

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