«Der Faktor Mensch wird unterschätzt»

Ist der Täter erst mal im Treppenhaus, kann er sich häufig völlig unbehelligt an den meist noch schwach ausgerüsteten Eingangstüren zu schaffen machen. Bild: Schaffhauser Polizei

Sicherheit.  Mit Beschlägen und elektronischen Zutrittssystemen kann die Sicherheit und der Komfort verbessert werden. Häufig scheitern Sicherheitskonzepte aber an banalen Dingen, wie ein Sicherheitsexperte im Interview mit der SchreinerZeitung erklärt.

SchreinerZeitung: Aufgrund aktueller Ereignisse sind Sicherheitsfragen wieder in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Kommt dies auch bei den Türenherstellern und Schliesstechnikspezialisten an?

Jim Steiner: Ja, wenn Ereignisse eintreten, nehmen natürlicherweise auch die Anfragen für entsprechende Sicherheitslösungen zu. Dann werden teilweise auch die Kantone aktiv und ordnen eine Überprüfung an, wie es vor ein paar Jahren in Sachen Amoksicherung an Schulen der Fall war. Aber ob dann Massnahmen umgesetzt werden, ist eine andere Frage.

Inwiefern?
Oft ist den Beteiligten gar nicht klar, von welchen Szenarien und Bedrohungen man überhaupt spricht. Die Tragweite solcher Sicherheitskonzepte wird ihnen erst im Verlauf des Gesprächs bewusst. Es besteht zwar vielleicht Handlungsbedarf im Bereich Amokschutz. Aber man stellt fest, dass es ganz allgemein grosse Defizite in der Bewältigung von viel alltäglicheren Situationen gibt.
Dabei handelt es sich aber oft um komplexe und grosse Projekte. Welche Stellung nimmt der Schreiner oder Türhersteller dabei ein?
Theoretisch müssten die Anforderungen ja in den Ausschreibungen oder Türenlisten aufgeführt sein, damit der Schreiner sie entsprechend fertigen und liefern kann. Nach wie vor ist dies aber nicht immer der Fall, das ist aber ein anderes Thema. Bei kleineren Aufträgen, beispielsweise im privaten Bereich, kann der Schreiner durchaus punkten.
Wo gibt es denn die grössten Sicherheitsdefizite im Privatbereich?
Sehr oft wird unterschätzt, wie abgebrüht viele Täter vorgehen. Während die Hausfrau nebenan in der Waschküche ist, betritt der Täter durch die nicht abgeschlossene Eingangstür das Haus und entwendet den Schlüssel vom Küchentisch. So verschafft er sich Zutritt zur Garage und klaut das Auto. Solche Fälle gibt es immer wieder und zeigen auf, dass Einbrecher längst nicht mehr nur in der Dunkelheit und wenn keiner zu Hause ist zuschlagen.
Was kann der Türenbauer gegen solche Fälle tun?

Im vorliegenden Beispiel hätte wahrscheinlich ein selbstverriegelndes Schloss bereits ausgereicht. Meistens würden also schon ganz einfache Massnahmen ausreichen, um Einbrüche zu verhindern und die Sicherheit zu verbessern.

Also keine elektronischen Zutrittssysteme und Alarmanlagen?
Es ist natürlich schon komfortabel, wenn man die Tür nach der Rückkehr aus dem Keller mittels Code oder Fingerprint öffnen kann. Zusammen mit einem Motorschloss ist die Tür dann stets geschlossen und man muss nicht an den Schlüssel denken. Bei Anfragen von Personen, bei denen kürzlich eingebrochen wurde, stellen wir aber immer wieder fest, dass der Schock tief sitzt und man sich mit elektronischer Überwachung Sicherheit erkaufen will. Vor Ort stellt sich dann aber heraus, dass weder Türen noch Fenster einen minimalen Einbruchwiderstand aufweisen.
Da kann der Schreiner viel mehr bewirken, indem er ein zeitgemässes Türschloss und abschliessbare Fenstergriffe nachrüstet oder allenfalls eine neue Tür mit entsprechender Widerstandsklasse einbaut.
Gibt es noch weitere Punkte, die Ihnen diesbezüglich immer wieder auffallen?
Ein Klassiker ist beispielsweise die Drückergarnitur. Wenn man schon hochwertige Schlösser und Bänder verbaut, dann muss auch der Drücker und das Schild ausreichend massiv sein. Das beste Schloss hilft nur wenig, wenn der Einbrecher das Schild aufbiegen und zum Beispiel den Zylinder abbrechen kann.
Und im Bereich der Planung?
Dauernde Fehlplanungen gibt es bei den Zugängen in der Tiefgarage. Zum Beispiel wird der Zugang zum Haus auch als Notausgang genutzt. Da braucht ein Täter bloss einem Auto durch das offene Garagentor zu folgen und schon kann er über den Notausgang in das Haus vordringen.
Manchmal versucht man dieses Problem zu lösen, indem man nachträglich eine elektronische Überwachung installiert, die Alarm schlägt, wenn jemand den Notausgang benutzt. Der potenzielle Täter ist aber dann ja bereits drin und einen Alarmton in der Tiefgarage hört man im Haus ohnehin nicht. Ausser man installiert im Treppenhaus eine zusätzliche Sirene.
Da hört man aber noch von viel fragwürdigeren Situationen ...

Ja genau, vielfach vergessen gehen auch die Hinter- und Nebeneingänge zum Keller, Veloraum usw., die dann häufig einen direkten Zugang ins Haus aufweisen. Während die Haustür mit einer modernen Dreipunktverriegelung ausgerüstet ist, werden bei solchen Zugängen nur gewöhnliche Einsteckschlösser eingebaut. Da können sich Unbefugte wieder ohne Weiteres Zutritt verschaffen.

Gibt es da auch ähnliche Problematiken im Brandschutz?
Hier spüren wir natürlich auch den Trend hin zu sehr grossflächigen, und somit auch schweren Türen. Dabei machen sich die Planer und Architekten manchmal keine Gedanken über die Gebrauchstauglichkeit.
Als aktuelles Beispiel kann ich hier eine 400 kg schwere Eingangstür in einem öffentlichen Gebäude nennen. Ein Kind oder eine ältere Person hat keine Chance, diese Tür zu öffnen. Also denkt man darüber nach, einen Antrieb nachzurüsten. Das wird aber gar nicht so einfach, überhaupt einen passenden Antrieb zu finden.
Zurück zu den eingangs erwähnten Sicherheitsproblematiken in Grossprojekten. Von welchen Situationen reden wir da?
Oft unterschätzt wird die Problematik in den Spitälern. Die wenigsten Patientenzimmer sind dort abgeschlossen. Da werden ja auch immer wieder Wertsachen gestohlen. Oder es gab schon Fälle, da wurden die Schlüssel geklaut, um die Wohnung des Patienten auszuräumen, weil dieser ja nicht zu Hause ist.

Oder erst kürzlich erlebte ich einen Feueralarm in einem Hotel. Die Sicherheitseinrichtungen haben zwar einwandfrei funktioniert, aber es brach trotzdem ein Chaos aus, weil weder die Hotelangestellten noch die Gäste wussten, was zu tun ist. Bei all den technischen Möglichkeiten darf man deshalb die Organisation und den Faktor Mensch nicht unterschätzen.

Wie lassen sich denn solche Situationen vermeiden?

Wir versuchen die Sicherheitseinrichtungen immer möglichst einfach zu halten. Dafür binden wir die Benutzer in der Planungsphase mit ein. Also in einem Schulhaus sind dies zum Beispiel die Lehrer. Ausserdem weisen wir die Verantwortlichen darauf hin, dass das Personal entsprechend geschult und Notfallsituationen geübt werden müssen. Das gilt im kleineren Rahmen auch für den Privatbereich, also dort wo der Schreiner tätig ist. Die beste Mehrpunktverriegelung nützt nichts, wenn die Tür nicht abgeschlossen wird oder das Fenster daneben schräg gestellt bleibt.

Zur Person

Jim Steiner ist Geschäftsführer der BSW-Security AG und seit 2013 Präsident des Verbandes Schweizer Türenbranche (VST). Das Unternehmen mit Hauptsitz in Zürich ist seit 1977 im Sicherheitsbereich tätig und zählt auch viele Schreiner zu seinen Kunden. Es versteht sich als Komplettanbieter für Sicherheitsschlösser, Türüberwachungssysteme, Notausgangstechnikartikel, Zutrittskontrollanlagen und verschiedenste Sicherheitsbeschläge.

www.bsw-security.ch

Projekt

VSSM-Sicherheitstür

Die bestehende Sicherheitstür musste der VSSM per Ende 2012 aus dem Programm nehmen. Dies, weil die Anforderungen an eine moderne Sicherheitstür in RC2 und RC3 heute wesentlich weitreichender sind und von der bestehenden Konstruktion nicht mehr erfüllt werden konnten. Zudem sind viele für diese Konstruktion notwendigen Materialien gar nicht mehr verfügbar. Deshalb hat der VSSM entschieden, eine neue Sicherheitstür zu entwickeln, welche den künftigen Leistungsanforderungen gerecht wird.

Verschiedene Konstruktionen

Geplant sind jeweils zwei Türkonstruktionen für Stahlzargen sowie Blend- und Blockrahmen. Die eine soll als Wohnungseingangstür im Objektbereich zum Einsatz kommen. Nebst dem Einbruchschutz sind hier auch brandschutz-, schallschutz- und klimatechnische Aspekte von Belang. Folgende Werte hat man sich zum Ziel gesetzt:

  • Brandschutz EI30
  • Wärmeschutz 1,5 W/(m2K)
  • Klimaklasse 3 b/c
  • Schallschutz Rw 37 dB
  • Einbruchschutz RC2 (RC3)

Die andere Tür ist als einfache Sicherheitstür geplant und ist lediglich auf den Einbruchschutz ausgerichtet. Sie soll überall dort zum Einsatz kommen, wo nur minimale Anforderungen an Schallschutz und Klimaklassen gestellt werden. Die ganze Konstruktion soll aber der Schreiner im eigenen Betrieb herstellen können.

Abschluss 2016

Im Zeitplan befindet man sich noch bei den Marktabklärungen. Einerseits hängt dies mit den neuen MuKEn (Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich) zusammen, die 2015 in Kraft getreten sind. Sie schreiben neu einen U-Wert von 1,5 statt 1,6 W/(m2K) für Türen von beheizten in unbeheizten Räumen vor. Andererseits befindet man sich noch in den Verhandlungen mit den Lieferanten von Türblättern und Beschlägen.

Für Mitte 2016 werden dann die ersten Prüfungen angepeilt und Ende 2016 sollen dann auch die VKF-Zulassungen vorliegen.

www.vssm.ch

ph

Veröffentlichung: 05. Februar 2015 / Ausgabe 6/2015

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