Der Schreiner und sein Brauchtum

Altes Brauchtum hat es Andreas Winet (39) angetan. Mit Leiden-schaft stellt er Masken, Geisseln und Joche her. Bild: Claudia Waldmann

Bezeichnend für die ganze «Usserschwyzer» Fasnacht ist der frühe Beginn am Dreikönigstag, und so ist vergangenen Samstag die fünfte Jahreszeit mit dem Einschellen offiziell eingeläutet worden. Im Schwyzer Gebiet der March ist das Maskenbrauchtum unvergleichlich vielfältig und verbreitet. Neben den Treicheln und Glocken, den Geisseln und den traditionellen weissen Hirtenhemden, die allesamt althergebrachte und unverzichtbare Requisiten für die närrische Zeit sind, steht seit Mitte des 19. Jahrhunderts der Märchler Rölli im Mittelpunkt des fasnächtlichen Treibens.

Dieses hölzerne «Gesicht» – die Larve – hat es dem Schreiner Andreas Winet angetan. Seit vier Jahren erweckt er den Rölli in seiner Brauchtums-Werkstatt in Reichenburg SZ zu neuem Leben. Er gibt ihm sein traditionelles Antlitz, bemalt ihn im typischen dunklen Ocker-Ton, verziert ihn mit Sorgenfalten auf der Stirn, mit Schnauzbart, Brille, einem zähnezeigenden Lächeln und mit dem typischen Grübchen am Kinn. Doch der Rölli wird niemals einfach nur kopiert. Jeder Rölli ist einzigartig. Ursprünglich wurden die einzelnen Masken unterschiedlich hergestellt, zum Beispiel hatte der Rölli keine Brille auf der Nase, und der Schnauzbart variierte von lang und hochgezwirbelt bis kurz und herunterhängend.Winet orientiert sich an diesem Ursprung und schnitzt heute seine eigenen, unterschiedlichen Röllimasken. Bevor der 39-Jährige begann, die Masken herzustellen, beschäftigte er sich intensiv mit der Fuhrmanns- Geissel für den «Chrüzlistreich», den traditionellen Wettkampf im «Geisselchlepfe». Anfangs fertigte er nur die Geisseln für seine Familie an. Allerdings bemerkten immer mehr Leute um ihn herum die gute Arbeit, und so begann er, stetig mehr zu produzieren. Nach einer Europareise mit seiner jetzigen Frau fing Winet dann das Schnitzen an.

Dafür besuchte er einen zweiwöchigen Grundkurs an der Schnitzerschule und begann, aus Lindenholz die Masken für den Usserschwyzer Rölli herzustellen. Schliesslich kam noch das Joch für die Trychler dazu, bei dem er ebenfalls mit endloser Geduld ausprobiert und experimentiert hatte, um das optimale Ergebnis zu erhalten. Heute bedeutet für ihn die Zeit in seiner Brauchtums-Werkstatt ein leidenschaftliches Hobby und den Ausgleich zu seiner Haupttätigkeit als Schreiner.

Die Herstellung von Masken, Geisseln und Jochen für die Trychler hat Winet autodidaktisch erlernt. «Beim Experimentieren geht immer einmal etwas daneben. Wichtig ist mir aber, dass die Qualität stimmt und das Produkt möglichst perfekt ist.» Um beispielsweise ein Joch mit individuell besticktem Leder herzustellen, braucht es etwa zweieinhalb bis drei Stunden. Wobei der hölzerne Rahmen schon vorgefertigt ist. Dies erledigt der Schreiner natürlich selbst.

Winet erzählt von der Arbeit in seiner Brauchtums-Werkstatt mit einer Lebendigkeit und Leidenschaft, dass es Freude macht zuzuhören. Keine Frage, dass bei ihm auch ein gewisser Stolz auf die alten Traditionen mitschwingt: «Wenn man eine alte Tradition lebt, sollte man dem Ursprung folgen und diese nicht ‹verfremdet› weiterführen. Tradition verpflichtet.»

«Wenn man eine alte Tradition lebt, sollte man dem Ursprung folgen und diese nicht ‹verfremdet› weiterführen. Tradition verpflichtet.»

cw

Veröffentlichung: 11. Januar 2018 / Ausgabe 1-2/2018

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