Die Küche wird anders

Bei Gro hat man alles Wichtige im Blick durch das Licht. Die Lebensmittel werden bei opimalen Temperaturen in den Korpussen gelagert. Bild: Christian Härtel

Küche der Zukunft.  Die Küche ist und bleibt ein spannendes Arbeitsfeld mit permanenter Bewegung, angetrieben von den grossen Strömungen hinsichtlich Technik und Konzepten. Die Schreinerzeitung hat bei den Akteuren mehrere Trends von übermorgen ausgemacht.

Wie Küchen in Zukunft aussehen werden, sorry, das weiss niemand. Aber: Es wird davon abhängen, wie sich unsere Ernährungsgewohnheiten entwickeln, und schlicht auch davon, wie wir künftig wohnen und leben werden. Kulturelle Gewohnheiten entscheiden über Antlitz und Ausstattung der Küche.

Man denke nur an das überall präsente Street Food in den Ländern Südostasiens. Dort essen die Menschen viel und oft unterwegs und unter freiem Himmel. Zu Hause gibt es irgendwo unter einem Dach als Schutz vor Regen einen Gasbrenner, und fertig ist die Küche.

Aber auch schon in Europa führen Eigenheiten zu unterschiedlichen Küchen. Abtropfschränke oder Gestelle auf der Spüle sind aus italienischen Küchen kaum wegzudenken. Trotz vorhandenen Geschirrspülers und edler Küchenentwürfe hält sich dieses lebensnahe Detail bis heute hartnäckig. Die Bialetti will versorgt sein.

Die empirischen Untersuchungen aus den letzten Jahren zeigen, dass in der Schweiz am Mittag überwiegend ausser Haus gegessen wird. Laut dem Online-Portal Statista sagen zwei Drittel der Bevölkerung aber auch, dass sie praktisch täglich selbst kochen.

Zurück an den Herd

Einigkeit besteht weitestgehend mit den Beobachtungen der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, wonach Herr und Frau Schweizer das Kochen zu Hause während der Pandemie für sich wiederentdeckt hätten. Corona hat uns an den eigenen Herd zurückgebracht. Klar ist auch: Die Ernährung ist der wichtigste Faktor für die menschliche Gesundheit. Unsere Ess- und Konsumgewohnheiten sind jedoch weder dem Klima noch der Ökosysteme zuträglich. Wir verbrauchen zu viel von unseren Grundlagen.

Hier setzt das Konzept «Gro» von Electrolux an. «Wir wollen die Leute dazu befähigen, eine optimale Ernährung für ihre Gesundheit und den Planeten zu finden», sagt Stefano Grasso, verantwortlich für die Kommunikation bei Electrolux Schweiz in Zürich. Der Hersteller von Küchengeräten zeigte an der letzten Möbelmesse in Mailand einen Entwurf für die bessere Küche.

«Die Art und Weise, wie wir uns heute ernähren, ist zu belastend für die Umwelt. Gro ist ein visionäres Küchensystem, das vollständig auf nachhaltige Ernährung ausgerichtet ist», erklärt Grasso. Was bei der Konzeptstudie auffällt, ist die Präsenz pflanzlicher Kost. Generell werden die Lebensmittel nicht versteckt, sondern sichtbar gemacht. Denn was man vor Augen hat, dort greift man eher zu. Während also Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte und andere gesunde Lebensmittel ins Auge stechen, finden sich Fleisch, Wurst und Käse in der «Jewelery Box», der Schatztruhe, und damit eher etwas verborgen. Gro ist aber keine vegetarische oder gar vegane Küche. Es geht vielmehr darum, die einzelnen Lebensmittel besser einzusetzen und neue, vielfältige Proteinquellen zu entdecken, die eine gesunde Lebensweise fördern. «Wir wollen nicht bevormunden und keinen Verzicht predigen, sondern Alternativen bieten und Angebote unterbreiten», sagt Grasso.

Einer Verschwendung von Lebensmitteln begegnet Electrolux durch unterschiedlich klimatierte Aufbewahrungskorpusse. Dadurch bleiben die Lebensmittel länger frisch. Zum Konzept gehört auch ein digitaler Assistent, der Coach. Dieser meldet etwa, ob ein Lebensmittel vielleicht rasch verarbeitet werden sollte, und macht auch Vorschläge für Rezepte aus dem aktuellen Warenbestand in den Boxen. Denn: Der Verlust an Lebensmitteln ist enorm, auch wenn die Zahlen mit grossen Unsicherheiten behaftet sind. Laut WWF Schweiz gehen rund ein Drittel aller Lebensmittel verloren. Pro Kopf sind das 300 kg im Jahr. Davon fällt fast die Hälfte im eigenen Haushalt an.

Ein Bestandteil von Gro und gleichzeitig eine Besonderheit, die wohl schon heute umgesetzt werden könnte, ist der «Nordic Smoker». Die gekapselte Räucherkammer ermöglicht die Veredelung von Lebensmitteln durch Rauch. «Wir ermutigen dazu, neue Techniken anzuwenden und das Spektrum an Zubereitungsarten zu erweitern. Auch Gemüse und insbesondere Pilze können eine neue geschmackliche Note in die Küche bringen», sagt Grasso. Und: Dank ihrer bissfesten Konsistenz und ihres Geschmackes bieten geräucherte Pilze eine gute Alternative zu Fleisch. «Das Küchenkonzept ist in dieser Form nicht erhältlich. Wir werden die daraus gewonnenen Erkenntnisse aber in die Produktentwicklungen einfliessen lassen und so Schritt für Schritt unsere Vision realisieren», sagt Grasso. Der Weg jedoch scheint manifest, nämlich hin zu mehr Nachhaltigkeit.

Bereits vor einigen Jahren betrat die Vegi-Küche «Vooking» von Formquadrat aus Österreich mit einigen ähnlichen Ansätzen für eine bessere Ernährung die Bühne. Inzwischen ist «Vooking» aus dem Rampenlicht verschwunden. Die Küche ist für die Zielgruppe derjenigen gedacht, die sich vegetarisch oder vegan ernähren.

www.electrolux.chwww.formquadrat.com

 

Grünes aus dem Schrank

«Vertical Farming» oder «Micro Greens» lauten die Bezeichnungen, die uns in verschiedenen Formen vermehrt das stetig heranwachsende und allzeit erntefrische Grünzeug direkt aus dem Küchenschrank auf den Teller bringen. Was früher am Fensterbrett hie und da mehr oder weniger vor sich hinwuchs, hat heute ein Wachstumspad untendrunter und eine LED-Pflanzenleuchte obendrüber. Dazwischen bleibt es dabei: Frische Kräuter, Sprossen und geheime Zutaten für die exzellente Küche in Reichweite haben sich angesamt und sind für künftige Exzellenz durchaus ein Qualitätsnachweis. Das üppige Grün in der Küche ist bislang eher selten zu bestaunen. Doch die Zeichen stehen klar auf Wachstum, so hat Hailo als Beschlaghersteller als Erster eine integrierbare Schublade samt Beleuchtung auf den Markt gebracht. In der Schweiz wird Hailo durch Häfele vertreten.

Zartes Grün ohne Erde

Vor gut drei Jahren hat der Küchengerätehersteller Miele seinen Einstieg in das Zukunftsfeld «Vertical Farming» durch das Unternehmen Agrilution verkündet. Aktuell hat das Stammhaus von Miele in Deutschland nun die Einstellung der Aktivitäten zum 30. Juni 2023 bekanntgegeben. Jetzt darf man gespannt sein, ob und wie dieses Feld künftig seitens der Anbieter bearbeitet wird. 

www.haefele.ch

 

Mit weniger glücklicher sein

Ein Trend bei Küchen, der sich in den letzten Jahren verfestigt hat, entstammt der Kategorie «Simplify your life». Waren minimalistische Küchenentwürfe in der jüngeren Vergangenheit eher als Verzichtsmodelle mit eingeschränkten Möglichkeiten und wenig Sinn für Gestaltung am Markt, ändert sich das gerade. Und die Spielarten der Mini-Lösungen werden vielseitiger.

Von der einstigen Studentenküche, an der alles dran ist, bis hin zu zustellbaren Herdplatten reicht das Spektrum. Ein wichtiger Treiber dabei ist das Unternehmen Fabita. Mit mobilen und flexiblen Induktionsplatten entstehen neue Küchen. Die Platten werden nur dann von der Wand- oder Tischhalterung oder sogar aus der Schublade genommen, wenn tatsächlich gekocht wird. Ansonsten steht die kostbare Fläche als Arbeitsbereich zum Rüsten zur Verfügung.

Mini ist heute auch modular

Damit minimalistische Lösungen auch salonfähig werden, bieten sich modulare Konzepte an. Wie bei den grossen Küchen auch definiert man die Ansprüche und damit die Ausstattung und kann dann mögliche Lösungsvarianten planen. Dank Modularität können auch einfache Lösungen in ein repräsentatives Umfeld eingebettet werden. So könnte ein kleinerer, monolitischer Küchenblock aus edlen Materialien nur die Spülstelle enthalten. Küchengeräte wie Backofen oder Kühlschrank finden dann in einer Art Rack übereinander platziert ihren Platz. Allein die Ausgliederung der Herdplatten schafft neue Möglichkeiten für Küchenentwürfe. Bei Küchenhersteller Aran hat man einen variablen Arbeitstisch entworfen, bei dem sich die Thekenfunktion durch einen mechanischen Beschlag nach unten einklappen lässt. Weitere Funktionalitäten sind mittels Beschlägen bei Bedarf verfügbar. Ansonsten ist das sogenannte Worktop einfach ein Tisch.

www.fabita.itwww.arancucine.it

 

Digital bewegt

Die sogenannte Smart Kitchen tritt zweifelsohne bei vielen neuen Küchenkonzepten an unterschiedlichen Stellen in Erscheinung. Digital vernetzte Geräte lassen uns auf dem Bildschirm einen Blick in den Backofen werfen, während der Kühlschrank die Einkaufsliste schreibt, weil die künstliche Intelligenz dahinter unsere Gewohnheiten kennt.

Der Küchenchef als Zuschauer

Wenn ein Informatiker sich eine Küche ausdenkt, kommt dabei mutmasslich eine digitale Variante heraus. Im Falle von Mark Oleynik in London ist es gleich eine Roboterküche geworden. Moley heisst sein Unternehmen, das die weltweit wohl ers- te vollständig robotergestützte Küche anbietet.

Der Koch wird zum Zuschauer, wenn die Roboterarme seitlich aus den Hochschränken ausfahren und einfach alles Schritt für Schritt erledigen. Es wird abgemessen, umgefüllt, gerührt und warmgehalten. «Der Roboter kocht nicht nur komplette Mahlzeiten, er sagt auch, wann Zutaten ersetzt werden müssen, schlägt Gerichte vor, die auf der Vorratshaltung basieren, lernt, was die Bewohner mögen, und reinigt die Oberflächen nach dem Kochen selbst», schreibt das Unternehmen auf seiner Website. Mit der Vision einer künftigen Küche will Oleynik das angewandte Wissen über Kochen und Ernährung auf den Kopf stellen. Den Menschen soll das Ganze Zeit sparen, indem die Küche den Tag von der Routine des Kochens befreit.

Konkurrenz am Herd

Die künstliche Intelligenz plant das Menü nach verschiedenen Prioritäten wie hinterlegten Diäten oder gespeicherten Lebensstilen. Das Ganze natürlich unter strikter Kontrolle von Kalorienanzahl und dazu mit der Möglichkeit, Gerichte aus aller Herren Länder zu geniessen. Auch einige bekannte Hersteller von Küchengeräten arbeiten in diese Richtung und greifen vermehrt auf die künstliche Intelligenz zurück. Die Anzahl der digitalen Assistenten und smarten Technologie-Features nehmen permanent zu. Die Frage, inwieweit eine Technik den Menschen dient oder ob der Mensch einer möglichen technologischen Entwicklung dienlich folgt, bleibt eine ganz persönliche Entscheidung.

www.moley.com

Christian härtel, ch

Veröffentlichung: 13. April 2023 / Ausgabe 15/2023

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