Die Stempeluhr in der Hosentasche

Eine moderne Zeiterfassungmuss mit dem ERP der Schreinereizusammenarbeiten können. Bild: Borm-Informatik AG

Zeiterfassung.  Viele Unternehmen erfassen ihre Arbeitszeiten digital und vernetzt mit dem jeweiligen Branchenprogramm. Schreinereien nutzen die Möglichkeiten der Zeiterfassung oftmals noch nicht durchgängig, obwohl branchengerechte Lösungen vorhanden sind.

In vielen Unternehmen wird die Arbeitszeit noch unzureichend oder überhaupt nicht erfasst. In der Schweiz ist die Erfassung klar vorgegeben, und im europäischen Raum steht sogar die Pflicht zur elektronischen Regelung vor der Tür. Als im September 2022 das deutsche Bundesarbeitsgericht mittels eines Präzedenzfalles entschieden hat, dass die Zeiterfassung für deutsche Unternehmen Pflicht ist, kam es einer anfallenden politischen Debatte zuvor. Denn bereits 2019 hat der Europäische Gerichtshof alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verpflichtet, gesetzliche Regelungen zur elektronischen Zeiterfassung zu erlassen. Ein explizites Gesetz zur elektronischen Zeiterfassung besteht in der Schweiz zwar nicht, doch die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung ergibt sich aus dem Artikel 46 des 1996 in Kraft getretenen Arbeitsgesetzes (ArG) und aus den Artikeln 73a und 73b der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz (ArGV 1) von 2016. Damit sind in der Schweiz alle Arbeitgeber dazu verpflichtet, genaue Aufzeichnungen über die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer zu führen, um die Zahl der geleisteten Arbeits- und Überstunden zuverlässig zu erfassen. Dies wiederum soll Arbeitnehmenden Schutz vor Überlastung und unbezahlter Arbeit bieten. Ob in naher Zukunft auch in der Schweiz eine Pflicht zur elektronischen Zeiterfassung eingeführt wird, bleibt abzuwarten.

Häufig mangelhaft

Die vermehrten Arbeitszeitkontrollen im Rahmen der Lohnbuchkontrollen der Zentralen Paritätischen Berufskommission Schreinergewerbe (ZPK) zeigen, dass die vorhandene Zeiterfassung oder die Tages- und Wochenrapporte, welche in vielen Betrieben eingesetzt werden, den gesetzlichen Anforderungen meist nicht Stand halten. «Aus der Arbeitszeitkontrolle muss ersichtlich sein, wie viele Stunden täglich gearbeitet wurde, um welche Zeit die Arbeit begonnen und beendet und an welchem Wochentag sie geleistet wurde», sagt Urs Sager, Geschäftsführer ZPK. Obwohl die Arbeitszeitkontrolle für alle dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) unterstellten Mitarbeitenden geführt werden sollte, führen laut Sager viele Schreinerbetriebe überhaupt keine Zeiterfassung: «In diesen Fällen müssen wir eine Bestrafung für den jeweiligen Betrieb aussprechen.» Die separate Erfassung der Reisezeiten und des genauen Arbeitsortes ist ebenfalls mangelhaft. Die Ausweisung der Reisezeit wäre jedoch für die korrekte Abrechnung ausschlaggebend. So fällt auf die Reisezeit kein Überstundenzuschlag von 25 Prozent an. Für die korrekte Zeiterfassung ist der Arbeitsbeginn und das Arbeitsende festzuhalten. «Das Erfassen des Tagestotals reicht nicht aus», sagt Sager. Auf der Website der ZPK sind ein Merkblatt, ein Tages- sowie ein Wochenrapport zum Herunterladen aufgeschaltet.

Einheitlich und weiterverwendbar

Ob verpflichtend oder freiwillig, die digitale Erfassung der Arbeitszeit bietet einer modernen Schreinerei viele Vorteile. Bei der manuellen Zeiterfassung benötigt es auch immer eine zusätzliche Lösung, damit die Arbeitnehmenden ihre Zeit dem jeweiligen Projekt zuordnen können. Oftmals kommen hier analoge Listen zur Anwendung. «Die moderne Zeiterfassung kann nicht nur für sich alleine gesehen werden, sondern ist ein Bestandteil der Betriebsdatenerfassung. Die erfassten Daten geben eine direkte Rückmeldung für die Ressourcenplanung und dienen in der Nachkalkulation beispielsweise für die Abrechnung von Regiekosten», sagt Christof Jeker, zuständig für den Vertrieb Mittelland und Zentralschweiz bei der Triviso AG aus Solothurn. Die Daten aus der Zeiterfassung fliessen automatisch in die Lohnbuchhaltung und das Projektmanagement ein, können für die Einsatzplanung und die Kennzahlengewinnung verwendet werden oder geben Auskunft über die aktuelle Personalplanung, Personalverfügbarkeit und Betriebsauslastung. «Obwohl die Ansprüche an eine moderne Zeiterfassung in puncto Präzision und Informationsumfang grösser sind als früher, sollte der Aufwand dafür so gering wie möglich bleiben», sagt Christoph Köbelin, zuständig für das Marketing bei der ComputerWorks AG aus Münchenstein BL. Möglich machen das die Digitalisierung und die damit aufkommenden mobilen Möglichkeiten.

Vom Wochen- zum Tagesrapport

Die Beschleunigung durch die Digitalisierung hat auch einen Einfluss auf die Anwendung der Zeiterfassung in den Schreinereien selbst. «Der Prozess wurde beschleunigt, vom handgeschriebenen Wochenrapport auf eine tägliche Verbuchung der erfassten Zeiten», sagt Marco Russo, Geschäftsführer der Swiss-Soft Solutions GmbH aus Gossau SG. Bei dieser Veränderung gilt es, die Mitarbeitenden mitzunehmen und klar die Vorteile der täglichen Zeiterfassung aufzuzeigen. So sind beispielsweise eine Live-Auslastungsplanung im Betrieb oder die aktuelle Kostenübersicht laufender Projekte auf möglichst aktuelle Zeitdaten angewiesen. Bei der täglichen Erfassung wird meistens am Folgetag kontrolliert, dies hat zur Folge, dass die Mitarbeitenden selbst anschliessend keine Korrekturen mehr in der Zeiterfassung vornehmen können.

Durchgängig genaue Daten

Wenn man beachtet, wie exakt ein moderner Schreinereibetrieb seine Projekt- und Auslastungsplanung in Angriff nimmt, ist es kontraproduktiv, diese anschliessend durch eine ungenaue Zeiterfassung wieder zu verwässern. Hier ist eine offene und einheitliche Kommunikation zentral. «Hier gilt es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wieso die Zeiten täglich erfasst werden müssen und wofür die Daten anschliessend im Betrieb weiterverwendet werden», sagt Jeker. Auch für die Verrechnung von Regiestunden ist der Schreiner auf möglichst genaue und rapportierte Stunden angewiesen. «Die Kunden von heute erwarten eine Erfassung und Auswertung des Zeitaufwandes in digitaler Form, damit auch die Rechnungsstellung zeitnah erfolgen kann», sagt Köbelin.

Zunehmender Datenaustausch

Die Ansprüche an den Datenaustausch zwischen Produktion und Büro werden in Zukunft noch höher werden. Das bedeutet auch, dass der Bearbeitungsaufwand steigt, obwohl diese Arbeitsschritte für den Schreiner keine direkte Wertschöpfung generieren. «Deshalb wird es in Zukunft nochmals zentraler, dass die Zeiterfassung mit dem jeweiligen ERP, insbesondere der Abwesenheitsplanung und Spesenerfassung, verknüpft ist», sagt Michael Birrer Vertriebsleiter Borm-Informatik AG aus Schwyz. Denn der benötigte Detailgrad der Erfassungen wird ebenfalls zunehmen. «Unter Einhaltung der geltenden Regelungen gilt es, dem Schreiner einen effizienten Ablauf in der Zeiterfassung zu ermöglichen. Die erfassten Stunden müssen möglichst schnell im System verfügbar sein», sagt Russo. Hier spielt die moderne Zeiterfassung über mobile Geräte mit vermehrten Rückmeldungen eine zentrale Rolle.

Kommende Generationen sind sensibler

Die Sensibilisierung des Schreiners für das Thema Zeiterfassung und generell für das Erfassen sowie Auswerten von Betriebsdaten ist vorhanden. «Wir spüren, dass sich in den letzten zwei Jahren etwas beim Schreiner geändert hat. Es ist sozusagen eine Hürde überwunden worden», sagt Birrer. «Moderne Unternehmer wollen die Kennzahlen ihres Betriebes wissen und strategisch einsetzen.» Dadurch werden auch die Mitarbeitenden sensibilisiert. Wird der Mitarbeitende in den Prozess miteinbezogen und erkennt er die Vorteile für seine Arbeit, gibt es praktisch keine Diskussionen betreffend der Notwendigkeit der Datenerfassung. Die zukünftigen Generationen sind zudem sensibler bezüglich Kennzahlen und deren Auswertungen. «Dadurch steigt der Anspruch an die Qualität der erfassten Daten», sagt Jeker.

Die Ansprüche an die Zeiterfassung eines modernen Schreinerbetriebes sind in Sachen Präzision und Informationsumfang gestiegen. Um diese und die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, sollte der Schreiner den anfallenden Aufwand im Auge behalten und auf durchgängige und branchenorientierte Lösungen zurückgreifen. Auf den folgenden Seiten sind ein paar Möglichkeiten zur mobilen Zeiterfassung zu finden.

www.borm.swisswww.computerworks.chwww.swiss-soft.chwww.triviso.chwww.zpk.ch

 

Bilder für die Ablage

Mit dem Modul e-Zeit von Swiss-Soft Solutions kann eine Schreinerei selber entscheiden, wie die Arbeitszeiten und Spesen erfasst werden. Es ist vieles möglich, vom Barcodescanner über eine App bis hin zum Arbeitsplatz-PC oder Touchscreen in der Werkstatt. Über das Modul e-Zeit werden nicht nur die exakten Zeiten und die Lage der Pausen protokolliert, auf Wunsch können auch die Arbeitsorte und Reisezeiten bei Montageeinsätzen gespeichert werden. Neben dem Erfassen von Auftragszeiten ist auch das Übermitteln von Bildern, der Upload von Daten via Internet und die Einsatzplanung möglich. Beim Übermittlungsvorgang werden dann die erfassten Zeiten und Fotos an den Server übermittelt und automatisch auf dem entsprechenden Auftrag abgelegt. Zudem bietet die App eine einfache Kontrollfunktion der erfassten Zeiten. So werden die übermittelten Zeiten beispielsweise auf die verschiedenen Block- und Gleitzeitmodelle geprüft und bei Fehlerfassungen plausible Korrekturen vorgeschlagen.

www.swiss-soft.ch

 

Vereinigung der Daten

Triviso ERP führt die Betriebsdatenerfassung (BDE) in der Zeitabrechnung zusammen. Auf diese Weise werden Ferienguthaben automatisch berechnet, Kompensationssaldi ausgewiesen und angefallene Spesen aufgelistet. Damit werden die administrativen Arbeiten des Schreineralltages vereinfacht. Die Rückverfolgbarkeit von Personal zu Projekt und umgekehrt ist jederzeit gewährleistet. Die Zeiterfassung kann direkt im Triviso ERP oder über die browserbasierte Erfassung auf einem Bildschirm, Tablet oder Smartphone durchgeführt werden. Die Einträge erfolgen immer personalbezogen und projektspezifisch. Die Erfassung der Daten kann wahlweise in Echtzeit, Präsenzzeit oder über die Mengenerfassungen vorgenommen werden. Neben den Normalarbeitszeiten sind Erfassungen zu Spezialzeiten oder Schichtarbeitszeiten abbildbar. Zudem können die Abwesenheitsplanung, Spesenerfassungen und die projektbezogene Wochenplanung integriert werden.

www.triviso.ch

 

Erfassung per Knopfdruck

Eine flexible Lösung für die elektronische Zeiterfassung bietet Multical von der ComputerWorks AG. Für den Einsatz wird kei- ne Hardware benötigt, und es kann frei zwischen verschiedenen Erfassungsoptionen ausgewählt werden. So kann mit einem Standard für das gesamte Unternehmen oder mittels individueller Einstellungen für einzelne Mitarbeitende oder Abteilungen gearbeitet werden.

In Kombination mit dem Modul Ferienverwaltung wird die Zeiterfassung noch leistungsstärker: Dank dieser Integration weiss die Zeiterfassung automatisch, wann Mitarbeitende abwesend sind. Multical kann die Arbeitszeit optional mittels eines kunden- oder projektbezogenen Zeitknopfs verbinden. Ein solcher Zeitknopf zur Erfassung des Arbeitsaufwands ist schnell erstellt und mit den gewünschten Infor- mationen ergänzt. Die Mitarbeitenden können frei auf die Zeitbuchungen zugreifen und ihre Zeiten ortsunabhängig verwalten.

www.multical.org

 

Per App oder Browser

Die Borm-Informatik AG bietet die Zeiterfassung für den Schreiner über die Borm-App und den Browser an. Die App besticht dabei mit ihrer intuitiven Oberfläche, der einfachen Bedienung und der Möglichkeit, Barcodes direkt einzuscannen. Über den Browser hat der Nutzer zusätzlichen Zugang zu allen ERP-Daten, kann Dokumente und Fotos für Projekte hochladen und hat direkten Zugriff auf die Einsatzplanung, kann Routen für Monteure generieren und Produktionsunterlagen herausgeben. Mittels dieser zwei Zugriffsvarianten kann jedes Unternehmen individuell entscheiden, welche Mitarbeitenden die intuitive App nutzen können und welche die spezifischeren Möglichkeiten des Browserzuganges benötigen. Für die übersichtliche Spesenerfassung können die Belege direkt eingescannt und dem jeweiligen Projekt zugeordnet werden. Über die Abwesenheitsplanung können Anträge direkt erstellt und von der vorgesetzten Stelle einfach kontrolliert und verwaltet werden.

www.borm.ch

Noah Gautschi, NJG

Veröffentlichung: 09. März 2023 / Ausgabe 10/2023

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