Falsche Scham macht nicht reich

Anfallende Kosten müssen so rasch wie möglich mit dem Bauherren besprochen werden – auch diejenigen für die Projektierung. Bild: Isabelle Spengler

Projektierungskosten.  Der Umbau ist fertig und der Schreiner kann seinem Kunden die Rechnung ausstellen. Doch wenn es ums Geld geht, ist das Potenzial für Ärger gross. Wer einige Regeln befolgt, kann die heiklen Klippen in der Verrechnung seiner Arbeit gekonnt umschiffen.

Eines muss an dieser Stelle vorweggenommen werden: Wer sich an das Sprichwort «Reden ist Silber, Schweigen ist Gold» hält, kommt in Teufels Küche. Zumindest wenn es darum geht, dem Kunden seine Arbeit zu verrechnen. Die einzige Devise, die hier zählt, ist reden, reden und nochmals reden. Doch alles der Reihe nach. Denn bevor eine Rechnung gestellt werden kann, muss gearbeitet werden.

Breites Fachwissen

«Gerade wenn es um einen Umbau geht, muss sich der Schreiner schon im Vorfeld darüber bewusst sein, welche Rolle er gegenüber seinem Kunden einnimmt. Das hat einen Einfluss darauf, welche Kosten er schliesslich verrechnen kann», sagt Daniel Furrer, Leiter Technik und Betriebswirtschaft des Verbands Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM). Der Schreinerberuf ist vielfältig. Dadurch kann der Schreiner sein Fachwissen in vielen Bereichen einbringen, die weit über die Holzarbeiten hinausgehen. «Deswegen übernimmt er häufig einen Grossteil der Planungs- und Koordinationsarbeiten bei einem Umbauprojekt. Das Problem ist, dass der Schreiner diese Planungsarbeiten oft nicht verrechnet. Dies weil der Kostendruck sehr gross ist oder er das Gefühl hat, er könne dies nicht machen. Dem Kunden dagegen ist das oft nicht mal bewusst. Er schätzt es einfach, wenn er nur einen Ansprechpartner hat», sagt Furrer weiter. Das ist für den Schreiner auf Dauer nicht nur frustrierend, es muss vor allem auch nicht so sein. Denn in den meisten Branchen käme niemand auf die Idee, dass die Planungsarbeiten gratis sind. Man stelle sich den Einbau einer neuen Heizung vor, deren Planung kostenlos ist. Undenkbar.

Sich seiner Rolle bewusst sein

Der Schreiner kann einen Umbau aus verschiedenen Positionen begleiten:

  • Als Schreiner, der eine Leistung erbringt, die durch einen Architekten geplant und in einem Werkvertrag geregelt wurde. Das kann zum Beispiel das Einbauen einer Küche oder der Ersatz von Fenstern sein.
  • Als Schreiner, welcher nach Kundenvorstellung und dessen Planung Arbeiten ausführt. Die Planungs- und Projektierungsleistung kommt dabei vom Kunden.
  • Als Schreiner, der für den Kunden die Projektierung des Umbaus macht. Dazu gehören die Bedürfnisaufnahme, Planungsvorschläge, Beschreibung der Leistung, Einbezug weiterer Handwerker, Kostenabklärungen, Vergabeberatung, Terminplanung, Bauleitung und Abnahme.

Die Konsequenzen

Je nach Rolle, die man dabei innehat, kommen zusätzliche Aufgaben auf einen zu, die weitere Arbeitsaufwände nach sich ziehen. Man muss sich zum Beispiel fragen, ob man über das entsprechende Know-how verfügt oder ob andere Spezialisten hinzugezogen werden müssen. Schliesslich wird man bei einem Umbau mit Fragen rund um Bauphysik, Brandschutz oder Bauvorschriften konfrontiert. Dabei sollte man sich der Konsequenzen bewusst sein. «Wenn ich in der Rolle des Projektierers bin, kann ich auch für Planungsfehler haftbar gemacht werden», gibt Furrer zu bedenken. Darum sollte spätestens an diesem Punkt mit dem Kunden die Rollenverteilung geklärt werden.

Guter Lohn für gute Leistung

In dieses erste Gespräch gehört auch die Abklärung, in welchem Rahmen sich das Budget des Bauherrn bewegt. Das hilft, um sich über die finanziellen Möglichkeiten des Kunden sowie die Ernsthaftigkeit seiner Auftragsanfrage Gewissheit zu verschaffen. «Stelle ich dem Kunden spezifische Fragen zu seinen Vorstellungen, merke ich rasch, ob er ernsthafte Absichten hat oder ob er lediglich eine Gegenofferte einholen will», sagt Furrer weiter.

Jeder Schreiner macht seine Vorkalkulation auf eigene Art und Weise. Einige greifen auf ihren Erfahrungsschatz zurück, andere schlagen die Arbeiten über den Daumen oder rechnen sie annähernd genau aus. Entscheidend ist, wie der ermittelte Aufwand dem Kunden als Angebot unterbreitet wird: «Oftmals sieht sich der Unternehmer dem Preisdruck am Verdrängungsmarkt ausgesetzt und gibt unter seinem Kalkulationspreis ein. Wünschenswert wären doch Aufträge, bei denen der Unternehmer sich überlegen könnte, was ist dem Kunden die Ausführung dieser Arbeit wert. Insbesondere dann, wenn sich mit dieser Überlegung ein höherer Verkaufspreis erzielen lässt, als in der Vorkalkulation ermittelt», sagt Furrer.

Denn bei aufwendigen Arbeiten kann nicht nur der Kunde keinen Preisvergleich herbeiziehen, sondern auch der Schreiner nicht. Urs Wüthrich, Geschäftsführer der Wüsba GmbH im aargauischen Oftringen, empfiehlt zudem: «Man sollte nie voreilig verschiedene Varianten rechnen, bevor der Auftrag nicht klar abgesteckt ist.» Und er weiss, wovon er spricht. Wüthrich hat sich darauf spezialisiert, für KMU aus der Holz verarbeitenden Branche administrative und betriebswirtschaftliche Dienstleistungen zu erledigen und zu optimieren. Er sieht dabei häufig, dass Schreiner viel Zeit aufwenden, die sie dann nicht verrechnen können.

Regelung über die Entschädigung

Sind sich Kunde und Schreiner einig, dass sie weiterhin miteinander arbeiten wollen, geht es darum, eine Regelung über die Entschädigung aufzustellen, sei es mit Offerte und Bestellung, einem Werkvertrag oder mit einem separaten Planungs- und Projektierungsvertrag. So unterschiedlich die Aufträge sind, so verschieden sind auch die Arten der Abrechnung. Die schlechteste aller Lösungen ist es, seinen Planungs- und Beratungsaufwand als «Goodie» kostenlos anzubieten. Das dient niemandem. Besser ist es, dem Kunden für die Planung einen Pauschalbetrag zu verrechnen. Der Betrag kann bei Auftragserteilung immer noch angerechnet oder erlassen werden. Ist der Umbau komplex, so lohnt es sich alleweil, einen Planungs- und Projektierungsvertrag abzuschliessen.

Der Pauschalbetrag für die Planungsarbeit wird in der Regel vorgängig oder beim Erstellen der Offerte in Rechnung gestellt.

Den Riegel schieben

Leider gibt es auch komplizierte Kundschaft. So kann es vorkommen, dass man Pläne zigmal abgeändert hat oder von Grund auf neu machen muss. Rasch ist so die vorgängig budgetierte Pauschale dahingerafft. Natürlich, auf Kundenwünsche muss man eingehen, aber alles muss man dann doch nicht mitmachen. Auch hier gilt es den Kunden frühzeitig zu informieren: Änderungswünsche werden gerne vorgenommen, die Arbeit dafür wird aber, nach Überschreitung einer gewissen Anzahl Arbeitsstunden, in Rechnung gestellt.

Sich an die eigenen AGB halten

Ist man sich über Rahmenbedingungen und Offerte einig, kann der Umbau losgehen. Wüthrich, der an Fachhochschulen wie der BHF Biel sowie an der HF Bürgenstock Betriebswirtschaft unterrichtet, sagt: «In vielen Branchen ist es üblich, dass der Kunde eine Anzahlung leistet.» Er stellt bei den Schreinern aber häufig fest, wie sie sich hier stark zurückhalten. Wüthrich kann diese falsche Scham nicht nachvollziehen. «Jede Schreinerei hat Allgemeine Geschäftsbedingungen, die AGB, worin die Zahlungskonditionen geregelt sind. Dazu gehört auch die Möglichkeit von Teilzahlungen, die zum Beispiel bei Vertragsabschluss fällig werden. Es ist doch nur normal, wenn man sich an die eigenen Regeln hält.»

Der Rapport ist pures Geld wert

Die Schreiner seien generell zu nett oder zu zurückhaltend, wenn es darum geht, Posten zu verrechnen: «Jeder Elektromonteur verrechnet seinem Kunden eine Gebühr für das Deplatzieren seines Autos. Bei den Schreinern sehe ich das fast nie», sagt Wüthrich weiter. Er empfehle seinen Schülern, mit einer geringen Gebühr anzufangen: «Es müssen ja nicht gleich 65 Franken pro Kunde sein. Man kann auch mit 20 Franken starten, und man wird sehen, kein Kunde wird sich beschweren.»

Wüthrich sieht ein weiteres Manko, das viele Schreiner hätten: Sie schreiben nicht gerne. «Gerade im Rapportwesen kann das schliesslich viel Geld kosten.» Man müsse zwingend seine Zeiten beim Kunden genau erfassen und die Arbeiten rapportieren, die man ausgeführt hat. Nicht nur der Kunde müsse wissen, was auf der Baustelle gemacht wurde, sondern auch das eigene Büro. Wie sonst sollte derjenige, der die Rechnung Tage später schreibt, noch nachvollziehen können, was gemacht wurde?

Die Arbeit auslagern

Einer, der von seinen Bauleitern jeden Abend einen Rapport von der Baustelle verlangt, ist der Architekt Romeo Andrea Corbanese von der Firma Meier-Zosso aus dem Zürcher Oberland. Das Unternehmen, das ursprünglich als Schreinerei gegründet wurde, ist heute in drei selbstständige Firmen aufgesplittet: die Schreinerei Meier-Zosso AG, die Meierzosso Planungs AG und die MZ Generalunternehmer GmbH. Dieses Geschäftsmodell hat Vorteile: «Wenn ein Kunde ein Planungsbüro engagiert, gibt es auch keine Diskussionen über das Verrechnen des Planungsaufwands», sagt Corbanese, Mitinhaber der Meierzosso Planungs AG und der MZ Generalunternehmer GmbH. Das Unternehmen hat sich einen Namen beim Um- und Neubau von Arzt- und Zahnarztpraxen gemacht.

Die eigene Schreinerei bewirbt sich

Eine Garantie, dass die hauseigene Schreinerei immer den Zuschlag für einen Auftrag aus dem eigenen Planungsbüro erhalte, gäbe es nicht, erklärt Corbanese weiter. Schliesslich hätten die Planer auch eine treuhänderische Funktion und damit die Aufgabe, für alle Arbeitsgattungen mehrere Offerten einzufordern, sofern der Kunde dies wünscht. Wenn die Meier-Zosso-Firmen zusammen ans Werk gehen können, erleichtere dies die Arbeit aber in vielerlei Hinsicht: «Die Kommunikationswege sind im eingespielten Team kürzer, und es braucht weniger Zeit, um die Aufträge zu besprechen. Das senkt die Kosten und erhöht die Qualität.»

Gemeinschaftlich agieren

Auf ein branchenübergreifendes und ebenfalls gut eingespieltes Team kann auch Thomas Zulauf zurückgreifen. Der Geschäftsleiter des Schreinerbetriebs H & T Raumdesign AG aus Aarau ist Gründungsmitglied der Handwerkerkooperation Handwerk Plus. Insgesamt acht Firmen haben sich im Kollektiv zusammengeschlossen. Zu den beteiligten Unternehmen gehören zum Beispiel eine Bauunternehmung, ein Elektroinstallationsbetrieb oder auch ein Maler-Gipser. Die Idee dafür kam Zulauf vor zehn Jahren, als er die Bauleitung eines Umbaus übernahm. Das Unterfangen scheiterte am Architekten. «Ich hatte nur Ärger und einen immens grossen Aufwand, den ich niemandem verrechnen konnte», erinnert er sich. Kurze Zeit später las er von einer Handwerkerkooperation in Deutschland und entschloss sich, selbst eine solche zu gründen. «So kann ich mit Partnern zusammenarbeiten, die ich gut kenne und von denen ich weiss, dass auf sie Verlass ist.»

Geteilte Kosten

Handwerk Plus hat sich aufs Umbauen, Renovieren und Modernisieren spezialisiert. Gemeinsam haben sie drei Innenarchitektinnen angestellt, die sich um die Kundenberatung kümmern. Ausserdem betreiben sie in Buchs AG eine Ausstellung auf einer Fläche von 300 Quadratmetern. Die Kosten dafür teilen sich die beteiligten Betriebe gemeinschaftlich. «Keiner von uns könnte sich das im Alleingang leisten. Ausserdem bringen wir so eine Qualität in der Ausstellung hin, die alles umfasst: Küchen, Bäder, Öfen, Spanndecken, Fenster, Fassaden sowie Wand- und Bodenbeläge», beschreibt Zulauf das Geschäftsmodell weiter.

Das Marketing nach aussen

Auslagern oder sich zusammenschliessen. Nüchtern betrachtet, sind beide Geschäftsmodelle ein organisatorisches Konstrukt, um seine Arbeiten besser zu vermarkten. Denn jeder Schreinerbetrieb muss planen und organisieren. Ob diese Arbeit nun von der Avor oder vom Innenarchitekten ausgeführt wird, macht in der Sache keinen Unterschied. Dem Kunden muss bewusst gemacht werden, welche Aufwände hinter dem Umbau stehen. Und das erreicht man nur, wenn man mit dem Kunden darüber spricht.

Isabelle Spengler

www.e-calc.ch
www.hta.ch
www.hwplus.ch
www.meierzosso.ch

VSSM-Praxismerkblatt

Leistungen für Projektierung und Planung in Rechnung stellen

Der Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM) bietet seinen Mitgliedern eine übersichtliche Wegleitung, wie der Schreiner seinen Aufwand für eine Verkaufspräsentation verrechnen kann. Denn je nach Ausgestaltung der Offerte und der dem Unternehmer zur Verfügung gestellten Unterlagen, ist der Offertaufwand mehr oder weniger gross. Das VSSM-Praxismerkblatt «Planungs- und Projektierungsleistungen für Schreinerarbeiten» zeigt auf, wie solche Vorarbeiten korrekt verrechnet werden und wie der Schreiner diese im Auftrag unterbringen kann.

Isabelle Spengler

www.vssm.ch

Veröffentlichung: 17. September 2020 / Ausgabe 38/2020

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