«Man muss die Optik schon sehr mögen»

Bild: SchreinerZeitung

Streifenoptik.  Stehend verleimte Multiplexplatten verleihen der Oberfläche ein Streifenmuster, das jenem von Riftholz ähnelt. Einige Anbieter führen derzeit solche Halbfabrikate im Angebot. Die teuren Produkte sind jedoch herausfordernd in Verarbeitung und Anwendung.

Es ist eigentlich verrückt: Da entwickelte man das Sperrholz nicht zuletzt auch deshalb, um in den Mittelschichten der kreuzweise verleimten Platten minderwertige Furniere einsetzen zu können. Als Konsequenz des Schichtens entsteht an der Werkstoffkante eine gestreifte Optik, die wiederum zu gefallen scheint und deshalb in der Folge als optisches Element für weitere Produkte aufgegriffen wird.

Beispiele gibt es einige: Gestreifte Kantenmaterialien – zuweilen sogar in ABS – verwandeln eine normale Spanplatte kurzerhand in vermeintliches Sperrholz. Auch die sogenannte «Tigerkante» mit den schräg angeschnittenen Holzschichten und der glanzvollen Lackierung fällt in eine ähnliche Kategorie.

Ein «Blickfang» als Beispiel

Bei der Möbelwerkstätte an der Töss GmbH aus Turbenthal gehört die Streifenoptik bereits fast zur Firmenphilosophie. Etliche Produkte von Tossa sind durch die typischen Multiplex-Linien gezeichnet, unter anderem der Tisch «Mesa 11», der seit 17 Jahren auf dem Markt ist. «Unsere Produkte sind aus stehend verleimtem Multiplex zusammengesetzt», sagt Ralf Geckeler – der Tisch ist also gewissermassen massiv. «Man kann ihn bei Bedarf mehrmals abschleifen», erläutert Sonia Loosli, Mitbegründerin des Labels Tossa ihren Entscheid, die Flächen des «Mesa 11» nicht zu furnieren.

Die Wertschöpfung geschieht bei Tossa zu einem grossen Teil inhouse. Dicke Birkensperrholzplatten werden eingekauft und von den Tossa-Schreinern zu einzelnen Lamellen aufgetrennt. Diese lässt man anschliessend auf die gewünschte Holzfeuchtigkeit abtrocknen, um sie auf einem Leimständer stehend erneut zu einer Platte zu verleimen.

Gute Werkstoffqualität gefordert

Im Fall von «Mesa 11» ist die Qualität der Mittelschichten zentral. Nicht nur, dass man im stehend verleimten Multiplex auf der Tischfläche jegliche Schichtfehler sehen würde – das zur Herstellung der Platte verwendete Holz muss auch technischen Anforderungen genügen: «Wir verwenden fast ausschliesslich Platten mit Holz aus Wintereinschlag», sagt Ralf Geckeler. Ebenfalls müsse das Holz genügend lang und schonend getrocknet worden sein. Es sollte sich bei Feuchteveränderungen so ruhig wie möglich verhalten. Denn die Eigenschaften von Sperrholz sind bei einer stehenden Verleimung ausgehebelt: Da die Mittelschichten der einzelnen Lamellen meist aus Schälfurnier bestehen, müssen in der Breite die radialen Schwundmasse der eingesetzten Holzart berücksichtigt werden. «Ein ‹Mesa 11› in stehend verleimtem Birkenholz wächst in der Breite also ähnlich wie ein Tisch aus echtem Massivholz», sagt Ralf Geckeler – «eher mehr».

Das muss der Schreiner auch wissen, sollte er ähnliche Konstruktionen anstreben. Doch Geckeler warnt: «Viele haben versucht, uns nachzuahmen, viele sind dabei gescheitert.»

Die grosse Herausforderung

Wer das sagt, wird seine Gründe haben. Trotzdem klärt Geckeler über Details auf: Bei der Konstruktion müsse berücksichtigt werden, dass jede zweite Furnierlage aus stehendem Holz bestehe. Der dadurch entstehende Schiefer-ähnliche Aufbau mache die Platte in der Breite besonders anfällig auf Scherkräfte. Beim Tisch «Mesa 11» begegnet Tossa dem Problem mit stirnseitig angefügten, verstärkenden Zargen, aus denen die Beine hervorgehen. Die Dicke der Tischplatte beträgt ungefähr 40 mm; die maximal erhältliche Länge liegt bei diesem Modell bei 2980 mm und die Breite ist begrenzt auf 1000 mm.

Aber auch in der Länge ist das Holz geschwächt, weil die Faser nur bei jeder zweiten Furnierlage durchläuft. Bei genanntem Tisch setzt man deshalb auf die Vorspannung mit geeigneten Beschlägen.

Fährt man mit der Hand über die fertig lackierte Oberfläche, werden die Unebenheiten spürbar, welche durch das unterschiedliche Quellverhalten von Längs- und Hirnholz zustandekommen. «Viele unserer Kunden lieben genau das», sagt Ralf Geckeler. Und seine Schreiner wissen, wie sie bei der Behandlung dieser nicht einfach zu meisternden Oberfläche vorgehen müssen. «Mesa 11» gibt es lackiert und geölt.

Es bestehen Alternativen

Halbfabrikate aus stehend verleimtem Sperr-holz könnten dem Schreiner zur selbstgemachten Streifenoptik verhelfen. So führt die Sperrag AG aus Pratteln das Produkt «BirchUp Birke» von Hersteller Koskisen in zwei Dicken im Angebot. Vom Preis her eignet sich die Platte jedoch nur für den gehobenen Bereich. Auch bei der Hess & Co AG aus Döttingen ist seit mehreren Jahren das Produkt «Fineline» in individueller Anfertigung zu beziehen. Der deutsche Buchenholzspezialist Pollmeier verspricht zudem, mit «BauBuche Paneel» bald ein ähnliches Produkt auf den Markt zu bringen. Wie der Name vermuten lässt, soll es die «Bau Buche»-Produkte aus schichtverleimten Buchenlamellen aber auch für bauliche Anwendungen geben. Technische Daten werden erhältlich sein.

Wer sich auf keine Tests hinauslassen will und sich den konstruktiven Anforderungen nicht stellen mag, dem bietet sich das Furnier «Plywood» von Atlas Holz als Alter- native an. Es ermöglicht, eine Streifen-oberfläche auf gewohnter Trägerplatte einzusetzen. Auch die «Reconstructed Wood Veneers» verhelfen zu den mancherorts beliebten Streifenmustern. Bei den künstlich erzeugten Holzbildern geht es allerdings eher um die Reproduktion von teuren und zum Teil nicht in FSC erhältlichen Holzarten.

Die Herstellung von «Reconstructed Wood Veneers» ist aufwendig. Sie rechtfertigt am Ende den hohen Preis, den man dafür bezahlt. Ein Kurzabriss der Herstellung: Man verleimt einzelne – zum Teil eingefärbte – Schälfurniere zu einem grossen Block und messert diesen anschliessend erneut zu Furnieren.

Sensible Reaktion auf Raumklima

Das Furnier dürfte als Alternative zur «massiven» Bauweise also durchaus gefragt sein, denn letztere eignet sich längst nicht für alles. «Weil die stehend verleimte Multiplexplatte sich gerne wirft, darf sie nur bei gleichbleibend trockenem Innenklima eingesetzt werden», sagt Ralf Geckeler von Tossa. Küchenabdeckungen oder gar Türen, die nicht beidseitig von denselben klimatischen Verhältnissen umgeben seien, kämen nicht in Frage. Als Aufdoppelungen mit einer tragenden Unterkonstruktion sehe er aber keine Schwierigkeiten, solche Werkstoffe einzusetzen. Keinesfalls sei eine vergleichbare Konstruktion im Aussenbereich geeignet. Sollte der Schreiner also lieber davon absehen, Multiplex stehend zu verleimen oder entsprechende Halbfabrikate zu verwenden? Nun, Tossa hat es erfolgreich geschafft. «Aber es steckt viel Erfahrung und Entwicklung dahinter», sagt Ralf Geckeler.

An der ersten Blickfang-Messe im Zürcher Kongresshaus präsentierte Tossa den Tisch «Mesa 11» erstmalig einem breiten Publikum. Das eigenwillige Design mit den Längsstreifen fand nicht nur beim Publikum Anklang. «Mit ‹Neumarkt 17› und ‹Colombo› nahmen ihn gleich zwei Händler in ihr Sortiment auf», berichtet Sonia Loosli von den Anfängen ihres drei Jahre zuvor gegründeten Unternehmens.

Imposante Produktgeschichten

Heute, beim 20-Jahr-Jubiläum von Tossa, ist der «Mesa 11» immer noch das meistverkaufte Produkt der Möbelwerkstätte an der Töss. Tossa zeigte an der letzten Ausstellung «Neue Räume», wie das nun doch schon 17-jährige Produkt zu ausgewählten Themen bereits einige Tischgeschichten zu erzählen weiss:

Holzverbrauch: Würde man die bisher verkauften rund 2500 Mesa-Tische zeitgleich produzieren, fiele beim Zuschnitt ein Stapel von rund 373 000 kg Holz an. Ungefähr vier Fünftel davon entfiele auf Sperrholz, das in Streifen geschnitten und mit stehenden Furnierlagen wiederum zu Platten verleimt wurde. Ein Fünftel wäre Massivholz.

Zusammenbau: Die zwei Möbelschreiner Simon Zangerl und Pedro Pinheiro würden – unterstützt von zwei Lernenden – zusammen rund viereinhalb Jahre lang nur Mesa-Tische bauen.

Oberfläche: Die Oberflächenbehandlung sämtlicher hergestellter «Mesa 11» nähme rund zwei Jahre in Anspruch. Hauptsächlich käme eine Hartölgrundierung und Wachs zur Anwendung. Einige Exemplare wären aber auch lackiert.

Auslieferung: Die meisten der Tische lieferte man an Fachhändler in der Schweiz aus, nur knapp 200 gingen ins nahe Ausland. Für die Auslieferung würde Tossa-Fahrer Wilmar Hübscher ein ganzes Jahr benötigen, wobei er seinen Lieferwagen täglich mit zehn Tischen beladen würde.

Geschäftsführung: Sonia Loosli wiederum würde rund drei Monate lang Aufträge bestätigen sowie Lieferscheine und Rechnungen an die Fachhändler schreiben.

www.tossa.ch

MW

Veröffentlichung: 20. März 2014 / Ausgabe 12/2014

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