Nicht nur eine Frage der Zeit

Der handwerkliche Küchenbau hat in der Schweiz seinen festen Platz. Mit wachsender Konkurrenz sind aber Alleinstellungsmerkmale gefragt. Bild: Dade Design AG

Eigen- oder Fremdproduktion.  In der Küchenbranche ist der Preisdruck oft hoch. Die Frage nach Eigen- oder Fremdfertigung stellt sich mit den Kostenvorteilen ausländischer Anbieter massiver als noch vor der Aufhebung des Euro-Mindestkurses.

«Gib nichts aus der Hand, was du besser machen kannst», lautet der Leitsatz bei der Herzog Küchen AG in Unterhörstetten TG nun schon seit über drei Generationen. «Uns ist es wichtig, den Kunden alles aus einer Hand anzubieten. Von der Beratung, Bemusterung, Planung über die Produktion, Montage bis zu speziellen Serviceleistungen», erklärt Marc Herzog, Leiter Verkaufsadministration im Unternehmen. «Die Küchen werden komplett im Haus produziert, und der Kunde schätzt das auch», weiss Herzog. Obwohl das Unternehmen stolze 3000 Küchen im Jahr produziert, gelingt es, mit der eigenen Komplettfertigung konkurrenzfähig zu sein. Dazu hat man zum einen einen industriellen Maschinenpark für die rationelle Produktion der Korpuselemente und anderer Standardteile, zum anderen auch einen klassischen Schreinerbereich. So könne man sowohl Nischen bedienen als auch konkurrenzfähig Standardware produzieren.

Der Kreis derer, die auf Swissmade Wert legen, sei kleiner geworden, sagt Herzog. Einer gewissen Klientel sei dies aber immer noch wichtig. Die Schweizer Küche sei eben ein Investitionsgut und kein Konsumartikel, wodurch sich der Einkaufstourismus jenseits der Grenzen eher in Grenzen halte. «Bei einer Küche schauen die Leute doch etwas genauer hin», so Herzog. Aber: «Die Preisdifferenz darf trotz Swissmade nicht zu gross sein. Wir beschaffen auch einige Rohprodukte im Euroraum und geben den Preisvorteil an die Kunden weiter, wodurch der preisliche Unterschied am Ende nicht so hoch ausfällt», sagt Herzog.

Swissmade ist immer noch wichtig

Seit der Aufhebung des Fixkurses des Frankens gegenüber dem Euro könnte man annehmen, dass der Preisdruck nochmals deutlich gestiegen sein müsste. «Schreiner kaufen seit jeher preisbewusst ein, einer grossen Anzahl von Unternehmern ist es dennoch immer noch wichtig, Swissmade zu beziehen», bestätigt Daniel Blösch von der Lanz-Fronten AG in Roggwil BE die derzeitige Situation. Auch wenn einige Nachrichten wie der Verkauf von Piatti Küchen an den deutschen Küchenhersteller Alno die Branche erbeben liessen. Dies auch, weil der Kunde am Ende nicht mehr weiss, ob er nun tatsächlich eine in der Schweiz produzierte Küche vor sich hat oder ein im Ausland hergestelltes Modell. Hinter vorgehaltener Hand hört man auch, dass nicht immer unbedingt das drin stecke, was draufstehe.

Auch wer die Websites von Schweizer Küchenanbietern besucht, dem erschliesst es sich nicht immer so schnell, ob er am Ende tatsächlich eine in der Schweiz produzierte Küche erhält, zumal viele Küchenanbieter mit unterschiedlichen Anteilen eigene Lösungen und solche von anderen Anbietern im Portfolio haben. «Die Leute, die über die Grenze gefahren sind, um Dinge einzukaufen, die gab es immer. Das hat nicht so stark zugenommen. Was wir aber merken, ist der Preisdruck der Küchenstudios, die etwa deutsche Marken vertreiben und so recht günstig anbieten können. Die machen uns mehr Sorgen als die Grenzeinkäufer», erklärt Herzog.

Agressives Verkaufsverhalten

Anders erlebt es Christoph Leu mit seinen zehn Mitarbeitern bei Se Küchen im thurgauischen Schlatt. «Wir produzieren nichts selber und kaufen direkt bei den Küchenwerken in Deutschland ein. Die Mitbewerbersituation mit den angrenzenden Küchenstudios ist schwierig. Dies nicht aus Preisgründen, sondern wegen der aggressiven Verkäufer mit ihren Planungsverträgen», so der Unternehmer. Auch für Leu sind es neben der hohen Qualität, die seine Kunden verlangen, vor allem ein gutes Netzwerk zu Investoren, Generalunternehmern, Baumeistern, Architekten und die lange Referenzliste der Privatkundschaft, die für Arbeit sorgen – trotz des schwierigen Konkurrenzumfeldes.

Schweizer Produktion wird schrumpfen

«Es ist heute sehr schwer, technisch immer auf dem neuesten Stand zu sein, das ist sich der Schreiner bewusst. Daher kauft er auch gezielt Produkte ein. Weiter spielen die Lohnkosten immer eine grosse Rolle, daher wird man sich gut überlegen, ob man weitere Mitarbeiter einstellt oder gewisse Produkte bezieht. Der Zukauf ausgewählter Produkte wird zunehmen», prognostiziert Blösch die künftige Entwicklung.

Viel drastischer schätzt Unternehmer Andreas Keel die Lage ein. Dade-Design produziert in Altstätten im St. Galler Rheintal Betonunikate wie Abdeckungen für Küchen in Handarbeit. Hauptabsatzkanäle dafür sind der Premium-Küchenhandel und gehobene Einrichtungshäuser auch jenseits der Schweizer Grenzen. Als die Nachricht vom Entscheid der Schweizerischen Nationalbank raus war, twitterte Keel: «Das wird wohl das Ende meiner Produktion in der Schweiz sein.» Auch heute sieht Keel die Entwicklung als katastrophal für einen produzierenden Betrieb in der Schweiz an. «Rein betriebswirtschaftlich gibt es keinen Grund, warum man nicht in den Euroraum produzieren gehen soll. In unserem Fall etwa ins fünf Minuten entfernte Feldkirch, wo die Personalkosten nun rund 50 % tiefer sind», so Keel. Aber: «Wir bekennen uns zu Swissmade.»

Chance vor allem für Premiumprodukte

Keel sieht für sein Premiumprodukt eine Chance, am internationalen Markt zu bestehen, «trotz der enormen Lohnstückkosten und hohen Grundstückspreise». Um dies halten zu können, hat er verschiedene Massnahmen ergriffen. So wurden die Verkaufspreise in Euro um 10 % erhöht und von den Lieferanten Rabatte eingefordert oder die Zulieferer gewechselt. «Wir haben alle Lieferfirmen zwischen 15 und 40 % runterhandeln können, da diese fast immer im EU-Raum einkaufen», so Keel.

Eine neu geplante Teilfertigung wurde nicht errichtet, sondern nach Vorarlberg ausgelagert. Die Kostenersparnis mit dieser Massnahme beziffert Keel auf 37 %. Dennoch sei und bleibe man Swissmade. Zudem sieht er auch seine soziale Verantwortung als Unternehmer. «Mittelfristig jedoch, wenn etwa das Wachstum eine neue und grössere Produktionsstätte erfordern würde, ist der Schritt ins benachbarte Ausland eine logische Konsequenz. Davon sind wir aber noch weit entfernt, und wir versuchen, uns über Wasser zu halten», sagt Keel.

Eine signifikante Erholung des Wechselkurses gegenüber dem Euro hält der ehemalige Banker für illusorisch. Die Situation werde weiter schwierig bleiben und für produzierende Betriebe ohne Alleinstellungsmerkmal kaum zu bewältigen sein.

Die geografische Lage kann dabei durchaus eine Rolle spielen: «Die Barriere des Bodensees hilft uns etwas in der Ostschweiz. Ein Schreiner in Basel hat da sicher andere Schwierigkeiten», weiss Herzog. Auch für Dienstleister und Zulieferer ist die Situation eine Herausforderung. «Wir spüren die ausländische Konkurrenz, keine Frage. Zum Glück haben wir zur richtigen Zeit investiert und können einigermassen mithalten. In der Schweiz werden wir jedoch nicht mit der tiefen Lohnstruktur aus dem Ausland konkurrieren können. Daher sind Geschwindigkeit und Qualität weitere wichtige Aspekte für uns», sagt Blösch.

Unternehmergeist gefragt

Für viele Schreiner dürfte Ähnliches gelten. Man versucht, die Vorteile des günstigen Einkaufes in Anspruch zu nehmen, und setzt weiter auf Swissness. Für Ruedi Hefti von der Berner Hefti Ins AG ist die Sache einfach und damit auch für seine Kunden klar: «Wir bestellen nur die Apparate und Beschläge bei unseren Lieferanten. Alles andere wird in unserer Schreinerei hergestellt. So sind wir flexibel, garantieren gute Qualität und halten die Wertschöpfung im eigenen Betrieb.»

Noch scheinen die alten Werte zu halten. Aber nicht wenige machen sich auf, um verschiedene Kundensegmente bedienen zu können, wie es auch Herzog Küchen macht. Wer nicht alles unter einem Dach vereint, der geht vielleicht Kooperationen ein. So sind vor einigen Jahren die Veriset AG in Root LU und die Küchenfabrik Muotathal SZ eine Verbindung durch eine Beteiligung eingegangen. Veriset konzentriert sich auf die industrielle Küchenproduktion, das Marketing und den Vertrieb, während die Küchenfabrik Muotathal sich auf die individuellen Küchen fokussiert.

www.herzog-kuechen.chwww.lanzfronten.chwww.sekuechen.chwww.dade-design.comwww.hefti-kuechen.chwww.veriset.chwww.kuechenfabrik.ch

ch

Veröffentlichung: 10. September 2015 / Ausgabe 37/2015

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