Nicht reich, aber glücklich

Adrian Lüthi (48) nimmt sich viel Zeitfür «seine Girls», wie der Hobby-Imker seine Bienen nennt. Bild: Beatrix Bächtold

Jeder Mann weiss: Mit einer Frau zu leben, ist mitunter kompliziert. Wer kann schon immer ergründen, was die Herzdame gerade fühlt und erwartet. Adrian Lüthi lebt gleich mit 1,2 Millionen Frauen zusammen, erfüllt ihnen alle Wünsche, bildet sich ständig in ihrer Psychologie weiter und baut ihnen Traumhäuser. Und oh weh! Wenn er es nicht schafft, sie zufriedenzustellen, so kann es schon sein, dass sie sich für die Unaufmerksamkeit höchst schmerzhaft revanchieren. Lüthis Leidenschaft ist die Imkerei, und die Bienen der vierzig Völker, die er besitzt, nennt er liebevoll «meine Girls». Auch wenn diese ihn gelegentlich «angeln», wie er es nennt, wenn er gestochen wird, so sieht er es gelassen und sagt: «Es heisst, Bienengift macht weniger anfällig für Rheuma.» Tatsache ist: Die Imkerei ist für Lüthi seit sechs Jahren eine Leidenschaft. «Sie taugt nicht für den Broterwerb, aber für meinen Seelenfrieden», philosophiert er auf dem Weg zum Bienenhaus an einem Waldrand in Pfungen. Und dann erzählt der gelernte Schreiner, der in einer 100-Prozent-Anstellung als Berufsschullehrer beim Gewerblichen Bildungszentrum Weinfelden (GBW) tätig ist, wie er zur Imkerei kam. Damals suchte er eine Freizeitbeschäftigung, etwas total Neues, etwas Praktisches, etwas, worüber er noch gar nichts wusste. «Als ich im Dorf wieder einmal Honig kaufte, machte es klick. Ich wollte mehr über diese schönen und nützlichen Tiere erfahren und legte los», berichtet er. Lüthi tüftelt extrem gerne, und es bereitet ihm richtig Freude, einen Vorgang oder ein Produkt zu optimieren.

Und offensichtlich ist es bei der Imkerei auch noch ein Vorteil, wenn man Schreiner ist. Sowohl das Bienenhaus als auch die einzelnen Bienenkästen hat Lüthi selbst gemacht. Und während er noch betont, dass er die Imkerei nur mit Unterstützung und Wohlwollen seiner Familie betreiben kann, ist er am Bienenhaus angekommen. Im Nu umhüllt ihn ein Gesumme, ein Gebrumme. Eine Biene fliegt ihn schnurstracks an, macht dann kehrt. «Oh. Das wirkte eben gar nicht freundlich. Schnell rein, bevor sie Verstärkung holt», sagt er, betritt das Hüttchen, atmet auf. Drinnen hängt an einem Haken die Imkerbluse, doch in der Regel lassen ihn die Tierchen in Frieden, wenn er helle Kleidung trägt, die Haare unter einem Hut versorgt, auf Duftwässerchen verzichtet und keine zappeligen Bewegungen ausführt. Lüthis Bienen machen einen munteren Eindruck.

Die Jungen umschwirren den Eingang des Stocks, um sich ihren Standort einzuprägen, während die Älteren Pollen und Nektar sammeln und Wasser herbeitragen. Lüthi bildet sich zurzeit zum «Imker mit eidgenössischem Fachausweis» weiter, seine Imkerei ist mit dem Goldsiegel zertifiziert. Das bedeutet, dass er sich an die strengen Qualitätsvorgaben des Vereins deutschschweizerischer und rätoromanischer Bienenfreunde hält.

Weiterbildung und Zertifizierung sind ihm wichtig. «Das Wissen um die Bienen ist komplex und extrem wertvoll. Durch die Ausbildung hat die Imkerei Fortbestand», sagt er. Betrachtet man das emsige Treiben der Girls, so hat man den Eindruck, dass das allseits heraufbeschworene Bienensterben weit weg von hier stattfindet. Lüthi schüttelt den Kopf und erklärt: «Vieles nur Panikmache.» Einige hundert Kilo Honig verkauft er jährlich im Dorfladen. Die Imkerei erweist sich nicht als Goldesel. Lüthi drückt das so aus: «Reich wird man nicht, aber glücklich.»

«Als ich im Dorf wieder einmal Honig kaufte, machte es klick. Ich wollte mehr über diese schönen und nützlichen Tiere erfahren und legte los.»

beb

Veröffentlichung: 20. Juli 2017 / Ausgabe 29-30/2017

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