Produzieren statt umstapeln

Verschiedenste Teile sind ohne Umstapeln von allen Seiten her immer griffbereit. Bild: Philipp Heidelberger

Transport.  Oft wird unterschätzt, wie viel Aufwand in einer Schreinerei auf das Transportieren und Umschichten von Teilen sowie Material fällt. Mit den richtigen Transportwagen kann man Zeit sparen, die Qualität verbessern und Mitarbeiter entlasten.

Transportwagen sind in Schreinereien oft dermassen knapp, dass sich die Mitarbeiter einen regelrechten Sport daraus machen, dem Kollegen einen Wagen abzuluchsen. Zugegeben, das führt manchmal zu lustigen Situationen und der Spass soll ja bei der Arbeit auch nicht zu kurz kommen. Aus produktionstechnischer Sicht kann es aber auch zu einer schlechteren Effizienz führen und Kosten verursachen. Für die Schreiner in der Werkstatt können zu wenige oder ungeeignete Transportmittel höhere physische Belastungen zur Folge haben. Dadurch ermüden sie schneller und die Verletzungsgefahr steigt.

200 Wagen gezählt

Ein Unternehmen, welches sich eingehend mit der Transportsituation innerhalb der Werkstatt auseinandergesetzt hat, ist die Obrist Interior AG. Das Laden- und Innenausbauunternehmen mit über 50 Mitarbeitenden zog Anfang 2018 von Luzern in eine neu gebaute Produktionsstätte in Inwil LU. «Als wir am alten Standort eine Bestandsaufnahme machten, waren wir ziemlich überrascht», sagt der operative Leiter des Geschäfts, Dominique Studerus. Über 200 Transportwagen in verschiedenen Ausführungen und Zuständen habe man gezählt. «Da war für uns klar, dass wir auch in diesem Bereich etwas investieren müssen», erzählt Studerus.

Viele Schreinereien setzen zwar auf Euro-Paletten. Sie sind verhältnismässig günstig, einfach in der Handhabung, haben eine hohe Traglast und sie lassen sich gut stapeln. Für den Transport innerhalb der Werkstatt sind sie dennoch nicht immer ideal. Insbesondere für Schreinereien, die sehr individuell produzieren und viele Elemente bereits in der Werkstatt zusammenbauen, eignen sich Paletten nur bedingt.

Zu diesem Schluss kam man auch bei der Firma Obrist: «Nur auf Paletten zu setzen, kam für uns nicht in Frage. Da wir im höchstwertigen und individuellen Innenausbau tätig sind, haben wir viele verschiedene Teile in allen möglichen Grössen und Formen», erzählt Dominique Studerus. Diese lassen sich also nur schlecht stapeln und meistens befindet sich das für den Zusammenbau benötigte Teil sowieso mitten im Stapel. Spätestens der Schreiner am Bank ist dann häufig damit beschäftigt, die Teile umzustapeln, um an das richtige Element zu gelangen. Das ist nicht nur unproduktive Zeit, ein ständiges Umschichten und Umherschieben birgt auch eine grössere Gefahr von Beschädigungen an den Teilen.

Stehend statt liegend transportieren

Insbesondere im Küchen- und Möbelbau haben sich deshalb Transportwagen durchgesetzt, die eine stehende Lagerung der Teile erlauben. Spätestens nach der maschinellen Bearbeitung werden die Werkstücke nach Kommission und Bauteil in Regalwagen einsortiert. Im Bankraum kann der zuständige Schreiner dann bequem das jeweilige Element entnehmen – ohne Umschichten und mit einem geringeren Risiko, die Oberfläche zu verkratzen.

Da im Küchen- und Möbelbau die Grösse der Teile aufgrund der Einteilungen und modularen Bauweise meistens vorgegeben ist, müssen die Regalwagen nicht sonderlich flexibel aufgebaut sein. Oft handelt es sich um Modelle mit fix vorgegebenen Fächern. Manche Betriebe fertigen sie selber aus Holz, andere wiederum bevorzugen geschweisste Stahlgestelle – der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt. Manchmal entstehen so aber abenteuerliche Transportwagen, die keinen sehr stabilen oder standfesten Eindruck machen.

Mit dem Wagen auf der sicheren Seite

Anhaltspunkte zu sicheren Transportwagen und zum Umgang mit ihnen finden sich beispielsweise in der Suva-Checkliste Nr. 67026.d «Transport von Holz- und Kunststoffplatten». Darin werden Themen wie der Schwerpunkt der Last, Anstellwinkel oder Radabstände behandelt. Ebenfalls hilfreich könnte die Checkliste Nr. 67194.d «Transport und Lagerung von Flachglas im Betrieb» sein, welche die Sicherheit in Zusammenhang mit Transportböcken und -gestellen thematisiert.

Allgemein stellt die Suva zahlreiche Hilfsmittel und Unterlagen zum Umgang mit Lasten und deren Transport zur Verfügung. Denn über alle Branchen gesehen, kommt es in der Schweiz im innerbetrieblichen Verkehr und bei der Lagerung immer noch zu rund 70 000 Unfällen pro Jahr, die überhaupt gemeldet werden. Diese verursachen ungefähr 40 Prozent aller durch Berufsunfälle bedingten Kosten.

Ein Raster bringt Flexibilität

Bei der Obrist Interior AG machte man sich aus den genannten Gründen also auf die Suche nach einem möglichst modularen Transportwagen. Dabei stiess man auf die Produkte von Eduard Kurmann aus Greppen LU. Schon seit 1985 tüftelt der gelernte Maschinenmechaniker an Hilfsmitteln für den Schreiner.

Angefangen hat alles mit Winkelgeräten, unter anderem auch für die «Striebig». Heute ist Kurmann insbesondere für seine Scherenhubtische bekannt, er hat aber ebenfalls verschiedene Transport- und Kommissionierwagen entwickelt. Sein Konzept ist simpel, aber effektiv: Eine am Wagen befestigte Rückwand aus Stahl ist mit einem Lochraster versehen. In diese Löcher lassen sich Stangen einhängen und somit den Transportwagen vertikal unterteilen. Die Konstruktion ist so stabil, dass man auch Zwischenböden einhängen kann, um den Wagen für kleinere Teile zusätzlich horizontal zu unterteilen. Damit die unbenutzten Stangen nicht irgendwo in der Werkstatt rumliegen, ist der Wagen auch gleich mit einem entsprechenden Fach ausgestattet. «Einigen Betrieben ist dieser Wagen allerdings zu gross und der Preis liegt im oberen Segment», sagt Eduard Kurmann.

Damit sie nicht im Weg stehen

Gemäss Dominique Studerus war in ihrem Fall allerdings ein anderer Grund entscheidend, um nicht auf dieses Modell zu setzen: «Wir wollten einen Transportwagen, der rundum zugänglich ist und sich bei Nichtgebrauch auch stapeln lässt.»

Letzteres ist ein weiteres, wichtiges Puzzleteil, welches oft unterschätzt wird. Klassische Bockwagen und Gestelle brauchen meistens relativ viel Platz, weil sie sich weder stapeln noch ineinanderstellen lassen. Für den Fensterbau gibt es zwar entsprechende Modelle, beispielsweise von der deutschen Ruchser GmbH. Diese sind aber für grosse Fensterelemente und weniger für den Möbel- und Innenausbau ausgelegt.

Deshalb hat Kurmann noch ein weiteres Modell entwickelt, dieses Mal aber ohne Rückwand. Stattdessen ist die Wagenfläche mit einer rechteckigen Rasterung versehen.In diese kann man wiederum Stangen einstecken, um die Werkstücke daran anlehnen und sichern zu können. Die Stangen weisen dafür die passende Neigung auf und können je nach Bedarf um 90, 180 oder 240 Grad gedreht werden. Dadurch kann man grosse Teile problemlos längs und kurze quer auf den Wagen stellen – oder sogar beides gleichzeitig. «Für unsere Bedürfnisse ist das wirklich toll, weil wir so die maximale Flexibilität haben», erzählt Dominique Studerus. Und das sei nicht nur in der Theorie so, sondern die Mitarbeiter nutzen die Verstellmöglichkeiten effektiv.

Lösungen für Euro-Paletten

Dreissig solche Wagen hat die Obrist Interior AG nun im Einsatz. Einige Wagen vom alten Standort habe man dennoch mitgenommen, aber nur jene, die noch in einem guten Zustand waren. «Wir konnten ja nicht von heute auf morgen alles komplett umkrempeln, der Umzug war auch so schon eine grosse Herausforderung», erklärt Studerus.

Dennoch, auch die Paletten hat das Unternehmen nicht komplett aus der Produktion verbannt. Aber man hat dafür ein paar spezielle Palettenhalter gekauft. Der Clou daran ist, dass man so das Palett ohne Rolli in der Werkstatt umherschieben kann. Damit die Halter beim seitlichen Verschieben nicht abknicken, sind die Rollen allerdings relativ klein gehalten. «Man muss deshalb etwas aufpassen, dass man sie nicht überlädt», sagt Studerus.

Selbstverständlich haben solche Lösungen ihren Preis und oft sind die Vorteile nicht sofort messbar. Dennoch sind es auch solche Details, die dazu beitragen, dass eine Produktion rentabel ist.

www.obrist-interior.chwww.kurmann-mechanik.chwww.ruchser.com

ph

Veröffentlichung: 08. November 2018 / Ausgabe 45/2018

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