Raumwunder mit Kochfunktion

Die Berner Raumküche verspricht maximale Flexibilität, was ihren Einsatzort angeht, und ist als Systemmöbel auch erweiterbar. Bild: Maade

Küche in Bewegung  Seit der Frankfurter Küche, dem Urtyp der Einbauküche, ist viel passiert. Vorbild war damals der rationale Industriearbeitsplatz. Heute gilt die Küche als pulsierendes Herz in offenen Wohngrundrissen. Variable Möbelmodule antworten dem Zeitgeist.

Offenes Wohnen ist keine Neuigkeit mehr. Küchenkonzepte reagieren auf die zunehmende Verschmelzung von Wohnraum und Küche. Im Wettbewerbsumfeld bilden sich ständig neue Varianten der Kochinsel. Etwas Anspruchsvolles zu schaffen, ist nicht leicht. Es gibt Entwürfe, die den Anforderungen an maximale Flexibilität und Individualität folgen. Für den Planer entstehen Herausforderungen in der Montage.

Raumtrenner, variabel anpassbar

«Die Küche in einem offenen Raum ist nicht mehr nur Kochstelle», lautet die Idee von Björn Ischi und Daniel Bangerter aus Bern. Die Küche soll Kochfunktion und Stauraum bieten, aber auch als Raumteiler fungieren, so die Grundgedanken des Duos, das sich hinter dem Label Maade verbirgt.

Die Nähe zum englischen Wort «made» ist gewollt, das zusätzliche A nimmt regional Bezug zur Berner Aare. Björn Ischi, Industrie- und Produktdesigner, entwarf die sogenannte Berner Raumküche. Das Möbel mit den abgerundeten Ecken kann flexibel im Raum platziert werden, wenn dieser die entsprechende Grösse hat. Der modulare Aufbau des Möbels ermöglicht eine Länge von 2,4 bis maximal 4,8 m. Die Tiefe liegt bei 60 plus 30 cm, die Arbeitshöhe bei 92 cm. Die Standardbreite der Module beträgt 60 cm. Theoretisch könnte man noch weiter in die Länge bauen, aber dann funktioniere das Design und der Konstruktionsaufbau nicht mehr, sagt Daniel Bangerter, verantwortlich für den Vertrieb. Für das Design-Duo war das zentrale Thema, eine variabel anpassbare Küche zu entwerfen. Deren weitere Besonderheit ist die beidseitige Nutzungsweise, wobei die Geräte nur von einer Seite zu bedienen sind. Gastgeber und Gäste können zusammen rüsten. Und wer wenig Platz hat, kann das Möbel auch als Wandküche nutzen – mit 60 cm Tiefe.

Unsichtbare Anschlüsse

Die Anschlüsse für Strom und Wasser erfolgen aus dem Boden, der Dampfabzug ist über Umluft gelöst. «Wir orientierten uns beim Entwurf an den Standardmassen für Küchengeräte», sagt Bangerter. So ist eine Umluft nach unten über einen Abzug zwischen den Induktionsplatten möglich. Ausserdem braucht es einen Sockellüfter. Auch Abluftlösungen über den Korpus nach oben seien denkbar, so Bangerter, entscheidend sei die rechtzeitige Planung.

Ein Wermutstropfen blieb bei aller Experimentierfreude des Berner Labels, das auch Gebrauchsgeräte und diverse Möbel entwickelt. Eine Schweizer Fertigung der Designmöbel wäre zu teuer gekommen, die de- signaffine, jüngere Kundschaft könne sich das leider häufig nicht leisten. Inzwischen wird also in Deutschland produziert.

Nicht gebaut, sondern gepresst

Unter dem Motto «Wir bauen keine Küche, wir pressen sie» wirbt Maade für eine wischfreundliche Küche ohne Rillen und Fugen. Diesem Grundsatz folgt die Materialisierung der inneren und äusseren Formteile aus gepressten Mineralwerkstoffen. Die schwarzen Fronten bestehen aus dem thermoplastischen Kunststoff PET und kommen von einem italienischen Lieferanten. Produziert wird in einer bayrischen Schreinerei. Hasenkopf formt die Mineralwerkstoffe. Montiert wird vor Ort mit Schweizer Handwerkern. Bei der Berner Raumküche handelt es sich um Einzelstücke für Privatkunden. Für den Schweizer Vertrieb ist ein Showroom im Aufbau.

Universalmöbel zum Kochen

Auch das deutsche Traditionsunternehmen Poggenpohl erfindet die Küche als Möbel wieder einmal neu – und blickt dabei auf eine 125-jährige Geschichte zurück. Zum Jubiläum wurde eine bewegliche Küche für offene Wohnhorizonte präsentiert: «Venovo» heisst das Konzept, das «die Grenzen zwischen Küche und Wohnen konsequent auflöst». Von Beginn an wurde ein Möbel geplant. So entstand ein Korpus, der einzelne Module über die gesamte Breite von drei Metern trägt, und zwar auf zwei hoch belastbaren und doch filigranen Stützen. Auf den u-förmigen Kufen lagert rund eine Tonne. Eine einzigartige, verdeckte Trägerkonstruktion ermöglicht dies.

Die Traglast des Fussbodenaufbaus muss vor der Montage geprüft werden. Das Möbel integriert Herd, Backofen, Spüle und Umluft nach unten. Die Traglasten sind so berechnet, dass Schrankvarianten für alle notwendigen Küchenfunktionen inklusive Ausstattungen eingehängt werden können. Eine aufgesetzte Arbeitsfläche bietet mit einer Tiefe von 82,6 cm genug Platz zum Rüsten. Auch die Standardhöhe der unteren Arbeitsfläche erhöht sich dadurch um 8 cm. Der Korpus ist allseitig nutzbar. Zu- und Ableitungen werden zentral über einen elegant gestalteten Trichter unterhalb des Korpus geführt. «Venovo» ist ein Möbel zum Mitnehmen und Wiederaufstellen, überall dort, wo man Küche haben möchte. Poggenpohl orientiert sich damit auch an der ökonomischen Verknappung von Wohnflächen in Städten und nicht ausschliesslich an einem ästhetischen Konzept.

Flexibilität auch in der Ausführung

Ergänzende Hoch- und Sideboards vervollständigen den Solitär. Die Ausführungen sind flexibel. Für die Oberflächengestaltung ist das gesamte Programm von Poggenpohl lieferbar. Eine eigens entwickelte Farbpalette in Pastelltönen ergänzt die Produktfamilie. Der Fokus liegt auf den Kontrasten. Die Arbeitsflächen wurden dunkel angelegt, die Tragstützen sind in Schwarz, Weiss und Chrom erhältlich. Griffe und Armaturen können auf dem Farbschema angepasst werden. Das reduzierte Design von «Venovo» stammt von den beiden Designern Matthias Knigge und Sören Jungclaus.

Ganzheitliches Raumkonzept

Dem Prinzip der Reduktion folgt auch das Designkonzept der Orea AG in Root LU. Gemäss dem Grundsatz «Einfachheit ist die höchste Form der Raffinesse» entstand «Orea X», eine Küche mit geradliniger Formensprache. Der emotionale Wert der Küche als Zentrum des Zusammenlebens stand beim Entwurf im Vordergrund.

Das Unternehmen aus der Zentralschweiz verbindet Raum und Kochen zu einem ganzheitlichen Konzept und entwickelte eine eigenständige Produktionslinie. Mit der edlen Haptik in lackierten Fronten und der fugenlosen Verarbeitung entsteht eine gehobene Optik. Die Arbeitsplatten werden farblich auf die Fronten abgestimmt. Das Innenleben der Möbel ist in Aluminium und Eiche Natur sowie Nussbaum erhältlich. Griffprofile gibt es in Aluminium oder Anthrazit, sie prägen die Linienführung der grifflosen Küche.

Besonderes Geschäftsmodell

«Orea X» besteht nicht nur aus Kochinsel, Spülzeile und Hochboard: Sie kann um Tische, Bänke und Regale in Eiche massiv erweitert werden. Um die Premiumqualität zu einem attraktiven Preis bieten zu können, entwickelt das Unternehmen zurzeit einen Möbelkonfigurator. Das gesamte Sortiment wird in der Muotathal Küchenfabrik AG produziert. Die Orea-Linien entwickeln sich in zwei Dimensionen.

«Orea X» verkörpert das Unikat, weil sie individuell auf die Kundenwünsche anpassbar ist. Luxuriöse Ausführung steht im Vordergrund: In Marmor-Monolithen sind Herd, Spüle, Wärme- und Kühlplatten integriert. Die Monolithe sind auch in Beton, Edelstahl oder Dekton erhältlich. Eine raumhohe Wandzeile mit eichenfurnierten Fronten und Holzrückwand beherbergt Stauraum, Backofen und Kühlschrank.

Luxusprodukte suchen Klientel

Die Orea AG ist auf dem Markt exklusiver Küchen auf dem Vormarsch. Auch im deutschen Regensburg wurde im vergangenen Jahr ein Sitz gegründet, um im europäischen Ausland expandieren zu können.

Ausgefallene Ideen haben ihren Preis. Die Orea-Produktionslinie, die Berner Raumküche und «Venovo» von Poggenpohl sind im Premiumbereich angesiedelt. Damit sie auch für Entwickler rentieren, braucht es eine erfolgreiche Vertriebsstrategie und solide Produktionsstätten. In diesem Segment zu punkten, ist für kleine Hersteller viel aufwendiger als für etablierte Marken.

www.maade.chwww.hasenkopf.dewww.poggenpohl.comwww.orea-kuechen.chwww.kuechenfabrik.ch

MZ

Veröffentlichung: 08. November 2018 / Ausgabe 45/2018

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