Restaurator mit Guru-Status

Möbelschreiner Hanspeter Strang (54) hat als Restaurator seine Berufung gefunden. Bild: PD

Leute. Im Hof des Dominikanerinnenklosters in der Äbtestadt Wil SG ist es still. Der Abendwind schleicht sich an, die letzten Rosen lassen ihre Köpfe hängen, es riecht nach Schnee und Feierabend. Hinter den Fenstern im Erdgeschoss leuchtet noch immer ein warmes Licht. Hier wirkt Hanspeter Strang als Restaurator.

Wer eintritt, sieht zuerst mächtige Türflügel. «Die gehören zur Kirche Dussnang, in drei Wochen ist Eröffnung, es eilt», sagt der gebürtige Wiler. In Dussnang hat er bereits die Bodenbeläge restauriert und drei Altäre. Im ehemaligen Kloster St. Katharinental in Diessenhofen ist er aktuell für die Empore zuständig. «Dort befinde ich mich quasi auf einer geschützten Baustelle», erzählt er mit einem Schmunzeln: «Ich bin über Stunden ganz allein an diesem schönen alten Ort.» Genau das ist es, was er an seinem Beruf mag: die Arbeit an alter Baukunst in einer geschichtsträchtigen Umgebung, der er mit Respekt und Sorgfalt zu neuem Glanz verhilft. Zu seinen Auftraggebern gehören die Stiftsbibliothek St.Gallen ebenso wie das Baronenhaus in Wil und jetzt der Hof zu Wil. Vor sechs Jahren zog er in die Werkstatt im Wiler Frauenkloster ein. Wo früher Kisten und Möbel lagerten, warten heute Kirchentüren, Kommoden oder Stühle auf Strangs Hände, sein Wissen und seine Erfahrung. An der Wand hängt Werkzeug, das in Schreinereien kaum mehr genutzt wird – in der Restauration kommt es fast täglich zum Einsatz. «Ich wüsste nicht, was besser zu mir und meiner Arbeit passen würde als dieses historische Umfeld», sagt der ausgebildete Möbelschreiner. Zwar sei er offiziell ein gewöhnlicher Mieter, doch für «sein» Kloster mache er fast alles.

So restaurierte er unter anderem schon eine Marienfigur mit Jesuskind, diverse Heiligenfiguren oder Kerzenständer. Was er am liebsten mache? «Oje.» Strang schüttelt den Kopf: «So kann ich das nicht sagen: Ich mag kleine Arbeiten, wie das Zusammenleimen eines Stuhls, genauso wie die monatelange Restauration einer Orgelfassade. Jeder Auftrag ist einmalig, und jeder fordert mich wieder anders heraus.»

«Es gibt keine zweite Chance für das Objekt – wenn die Malerei weg ist, ist sie weg.»

Und bei keinem sind Fehler erlaubt. Deshalb gilt für den Restaurator: Bevor er die Ärmel nach hinten krempelt, ist Kopfarbeit angesagt. Dann entwickelt er Lösungen, fertigt ein Muster an und testet, ob seine Idee hält, was sie verspricht. Falls nicht, tüftelt er weiter, bis ihn das Resultat zu 100 Prozent überzeugt. Nicht, weil er ein pingeliger Typ wäre. Sondern weil «es keine zweite Chance für das Objekt gibt – wenn die Malerei weg ist, ist sie weg». Anspruchsvolle Projekte fordern ihn weit über den Feierabend hinaus, räumt er ein, doch schlaflose Nächte bescherten sie ihm bisher keine. Hilfreich sei der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Da habe sich in den letzten Jahren einiges getan: «Früher war jeder Restaurator eine One-Man-Show, hielt mit seinem Wissen hinter dem Berg, auf dass die Konkurrenz nicht abkupfere.» Tempi passati. Sehr zur Freude von Strang bringen junge Berufsleute heute frischen Wind in die Szene: «Sie sind offen, erzählen von ihren Erfahrungen, fragen um Rat. Die Zeit der Einzelkämpfer scheint vorbei zu sein.» Auch er selber erhalte zahlreiche Anfragen, berate oft persönlich oder am Telefon, öffne die Tür auch für Praktika. «Nach so vielen Jahren ‹im Geschäft› habe ich nun einen Guru-Status», sagt er und lacht herzhaft.

Strang hat guten Grund zu lachen: Seine Auftragsbücher sind voll, 2024 ist ausgebucht, aber egal, wie schmal seine Lücken im Terminkalender sind: Kommt «sein» Kloster mit einer Anfrage, findet der Restaurator immer ein Zeitfenster.

Franziska Hidber

Veröffentlichung: 05. Februar 2024 / Ausgabe 5/2024

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