Richtig vor der Wand montiert

Bild: Foppe Systeme

Vorwandmontage.  Bei Fenstern, die vor der tragenden Wand montiert werden, hört man immer wieder Geschichten von Schadenfällen aufgrund einer falschen Planung oder Montage. Die SchreinerZeitung hat bei einem Fachmann nachgefragt, wo denn genau Probleme auftauchen.

Damit in Gebäuden mit optimierten Dämmsystemen im Bereich der Fenster keine Wärmebrücken entstehen, gehören diese in der Dämmebene platziert. Das bedeutet, dass der Fensterrahmen vor der tragenden Wand montiert werden muss, also vorgesetzt ist. Diese Montageart stellt besondere Anforderungen an die Befestigungspunkte, die Bauanschlüsse und den Montageablauf. Der Fenstermonteur hat einiges zu beachten, damit keine Schäden am Fenster, an der Fassade oder am Gebäudekern entstehen.

Erschwerende Bedürfnisse

Die Fenster werden durch die erhöhten Anforderungen im Bereich des Schall- und Einbruchschutzes immer schwerer. Zugleich sind die Wandkonstruktionen immer weniger tragfähig, und durch die Vorwandmontage entstehen erhöhte Hebelkräfte. Diese Gegensätze erschweren die Arbeit des Fenstermonteurs zusätzlich. Der Toleranzbereich wird so klein, dass schon minimale Ungenauigkeiten zu grossen Schäden und somit zu hohen Folgekosten führen können.

Aufklärung und Weiterbildung

Sei es durch einen betriebsinternen Workshop oder eine Produkteschulung durch den Systemhersteller – die Mitarbeiter müssen die eingesetzten Produkte kennen, verstehen und fachgerecht einsetzen.

Viele Fehler entstehen bei einer unsachgemässen Montage oder der falschen Anwendung der Produkte.

Im nachfolgenden Interview erläutert ein Branchenfachmann, wo die häufigsten Fehler passieren, die zu unangenehmen Schadensfällen, speziell auch in der Vorwandmontage, führen.

Interview über die Vorwandmontage

Josef Knill ist Inhaber und Geschäftsführer der Fensterinform GmbH in Siegershausen TG sowie Co-Präsident des Schweizerischen Fachverbandes Fenster- und Fassadenbranche FFF. Dank seiner vielseitigen Arbeit hat er grosse Erfahrung und Branchenkenntnis im Bereich Fenster.

SchreinerZeitung: Herr Knill, Sie sind mit Ihrer Firma seit 14 Jahren in den Bereichen Planung, Beratung und Überwachung von Fensteraufträgen tätig. Was kommt Ihnen beim Begriff Vorwand- montage spontan in den Sinn?

Josef Knill: Ich muss gleich zu Beginn sagen, dass die Vorwandmontage für den Fensterbauer ein sehr herausforderndes Thema ist. Wir erleben laufend, dass dieses Thema unterschätzt wird und zu bösen Überraschungen führt. Viele Fensterbauer erkennen nicht, ab wann es sich nicht mehr um einen normalen Fensterauftrag, sondern um einen Auftrag im Bereich der Fassade handelt. Im Schadenfall kann das für ein Unternehmen sehr unangenehm und sogar existenzbedrohend werden.

Was ändert sich für den Fensterbauer, wenn der Auftrag als ein Fassadenauftrag gilt?

Die Vorwandmontage kommt mehrheitlich aus der Fassadenbranche. Doch eine Fassade hat ganz andere Anforderungen als ein einzeln verbautes Fenster und wird in der Regel von einem Fassadenfachplaner individuell konstruiert. Übernimmt der Fensterbauer einen solchen Auftrag, begibt er sich meist, ohne dies zu wissen, in den Bereich der Fassade hinein. Da gelten dann ganz andere und verschärfte Bestimmungen. Zum Beispiel benötigt es bei einer Fassade für jede einzelne Fenstergrösse einen separaten Nachweis, es benötigt eine Nutzungsvereinbarung, und auch für die Gläser gibt es erhöhte Anforderungsprofile.

Wie kann man als Unternehmer unterscheiden, ob es sich um einen Fenster- oder einen Fassadenauftrag handelt?

Dies ist eine Frage, die man so nicht pauschal beantworten kann. Es gibt keine abschliessende Definition, ab wann es sich um eine Fassade handelt. Eine sichere Möglichkeit, einen Auftrag einzuschätzen, ist die Ausschreibung mit deren Leistungsverzeichnis. Hier erkennt der Unternehmer, ob es sich um eine Ausschreibung im Bereich BKP 221 Fenster oder BKP 215 Fassadenbau handelt.

Es ist also möglich, das Risiko abzuschätzen. Wieso achten Unternehmer nicht genauer auf die Ausschreibungen?

Solange kein Schaden entsteht und der Auftrag ohne Komplikationen verläuft, interessiert sich oft niemand für die erforderlichen Nachweise. Wir müssen leider sagen, dass bei vielen Schadensfällen, die wir erleben, das Bewusstsein bei den meisten Beteiligten fehlt. Weder dem Architekten, der Bauleitung noch dem Unternehmer sind die erhöhten Anforderungen ein Begriff, und die eingesetzten Systeme werden deshalb nur teilweise oder gar nicht geprüft.

Was raten Sie einem Fensterbauer, wenn eine Ausschreibung in den Fassadenbereich hineingeht?

Die erhöhten Anforderungen einer Fassade benötigen einen Fachspezialisten in der Planung. Fehlt dem Unternehmen das fachliche Wissen, kann ein so komplexes Projekt wie eine Fassade nicht fehlerfrei umgesetzt werden. In einem solchen Fall rate ich deshalb, einen Fachplaner miteinzubeziehen. Rein theoretisch können mit klassischen Fenstersystemen ganze Fassaden umgesetzt werden, wenn die Nachweise korrekt und erbracht sind. Ist sich der Fensterbauer dessen nicht bewusst, übernimmt er die gesamte Verantwortung. Eine solche Planung und die dazugehörige Verantwortung ist Sache des Fassadenfachplaners, des zuständigen Architekten und des Bauherrn. Sie muss zudem schon in der Vorbereitungsphase einer Ausschreibung im Detail, inklusive aller Leistungseigenschaften, erstellt werden.

Was hat es für Konsequenzen für ein Unternehmen, wenn sich bei einem Schaden herausstellt, dass die verwendeten Bauteile ungeeignet sind?

Handelt es sich laut Ausschreibung um eine Fassade nach BKP 215, hat der Unternehmer die geforderten Leistungseigenschaften zu erfüllen. Ansonsten kommt er dem Werkvertrag nicht nach und ist für das fehlerhafte Werk und die daraus entstandenen Folgeschäden verantwortlich. Hier müssen wir leider auch betonen, dass ein Unternehmer, der diese Problematik erkennt und den Architekten darauf aufmerksam macht, den Auftrag in der Regel nicht erhält. Die Ausschreibung geht dann meist an ein Unternehmen, welches die Risiken unwissend übernimmt. Bei einem Einfamilienhaus ist dieses Risiko meist noch überschaubar, bei einer grösseren Überbauung kann es existenzbedrohend sein.

Kommen wir zu der vorgesetzten Montage. Hier geschehen viele Fehler aufgrund einer nicht sauber ausgeführten Planung. Was macht die Vorwandmontage so heikel?

Durch die unterschiedlichen Systeme und Befestigungsmöglichkeiten sowie Bauanschlüsse und Materialien müssen viele unterschiedliche Faktoren in der Planung beachtet werden. Oft sind die exakten Anforderungen bei der Ausschreibung noch nicht genau definiert. So ziehen sich Fehler meist durch den ganzen Auftrag, was zu grösseren Schäden führt.

Hier könnten also mit einer frühzeitigen und genauen Planung viele Fehler vermieden werden?

Ja, die Planung hat einen grossen Anteil, was die erfolgreiche Durchführung eines Fensterauftrages angeht. Genauso wichtig sind jedoch eine gewissenhafte Qualitätskontrolle und laufende Anpassungen an bauliche Änderungen. Wir treffen häufig auf Fehler, die auf eine unsachgemässe Planung und Qualitätskontrolle zurückzuführen sind. So könnte beispielsweise die Anlieferung einer falschen Fenstergrösse rasch erkannt oder eine falsche Montage durch laufende Kontrollen einfach vermieden werden.

Wie könnte eine solche Qualitätskontrolle in der Praxis aussehen, und wer ist dafür verantwortlich?

Grundsätzlich sollte jeder Unternehmer in seinem Bereich die eigene Planung, die Generalbaupläne und die Montagesituation vor Ort selbst überprüfen. Hier hat er auch die Hinweispflicht, fehlerhafte Planungen sofort dem Architekten oder dem verantwortlichen Bauleiter zu melden. Auf der Baustelle selbst muss eine Qualitätskontrolle oder eine Bauabnahme durch die Planer und die Bauherrschaft organisiert sein. Oftmals erleben wir jedoch, dass dieses Qualitätssystem der gesamten Planung nicht oder nur bedingt funktioniert. Die Verantwortlichen sind mehrheitlich überfordert und nehmen Arbeiten ab, die fehlerhaft geplant oder ausgeführt sind. Ihnen fehlt das nötige Fachwissen, und um den Baufortschritt nicht zu bremsen, werden Arbeiten einfach durchgewunken. Auf diese Weise können grosse Folgeschäden entstehen.

Spielt es bei Schäden eine Rolle, was für ein Vorwandsystem eingesetzt wurde?

Komplette Systeme sind heutzutage so ausgereift, dass hier eigentlich keine Fehlerquellen mehr existieren. Solche Vorwandsysteme sind etwas teurer, bieten dafür jedoch Systemsicherheit und sind bei Bedarf mit den nötigen Nachweisen erhältlich. Etwas problematischer sieht es jedoch bei universellen Befestigungssystemen aus. Es gibt beispielsweise Montagewinkel, die laut Hersteller für alle Rahmen und Profile verwendet werden können. Bei solchen Produkten sollte man jedoch vorsichtig sein, da die Bauabdichtung separat geplant werden muss und so schlussendlich etwas teurer ausfällt. Universelle Systeme hatten vor zehn Jahren ihre Berechtigung, da es nichts anderes gab; für die heutigen Bedürfnisse finde ich eine solche Konstruktion sehr herausfordernd.

Durch die erhöhten Anforderungen werden moderne Fenster immer grösser und schwerer. Was hat das für Auswirkungen auf das Befestigungssystem, und wo sind die Grenzen?

Bei einem vorgesetzten Fenster wirken erhöhte Kräfte auf die Befestigungspunkte. Dem ist sich so mancher Unternehmer nicht bewusst, denn mit jedem Zentimeter, um den ein Fenster weiter nach aussen gehängt wird, erhöht sich die Kraft exponentiell. Ein Limit bei der Fenstergrösse gibt es grundsätzlich nicht, wenn die richtigen Befestigungen eingesetzt werden. Je nach Fensterkonstruktion kann es aber sogar sein, dass die Befestigungskonstruktion mehr kostet als das gewünschte Fenster. In solchen Fällen ist die fachmännische Aufklärung des Kunden ein sehr wichtiges Kriterium. Fenster, die sich aufgrund einer ungenügenden Befestigung absenken, erfüllen nicht die Leistungseigenschaften und verursachen zudem mehrheitlich grosse Folgekosten.

Betreffend Fensterbefestigung: Wie sieht es mit dem Ersatz eines Fensters aus, das in der Dämmebene montiert ist?

Nach der neuen Produktenorm müssen Bauteile ersetzt werden können. Ein Fenster mit einer Lebensdauer von circa 25 Jahren wird in einem Haus mit einer Lebensdauer von 100 Jahren theoretisch drei Mal ausgetauscht. Bei konventionellen Fenstern ist dieser Tausch in der Regel problemlos möglich, doch bei vorgesetzten Fenstern muss dieser Punkt schon bei der Erstplanung berücksichtigt werden. Bei einfachen Befestigungswinkeln müssen die alten Fenster kompliziert herausgeschnitten, die neuen eingesetzt und die Bauanschlüsse mit teilweise riesigem Aufwand neu ausgeführt werden. Mit einer Vorsatzschale könnten die Fenster von innen ausgetauscht werden, ohne dass ein Eingriff in die Gebäudehülle nötig wird. Eine nachhaltige Planung ist ein zentraler Bestandteil eines erfolgreichen Auftrages.

Ist das System gewählt und die Planung kontrolliert, folgt die Montage. Was für Fehlerquellen existieren hier?

Einem Grossteil der Montagefehler lässt sich meist schon mit einer gewissenhaften Planung und Vorbereitung entgegenwirken. Der Untergrund muss das Gewicht der vorgesetzten Fenster tragen können. Bei Stahlbeton ist dies unproblematisch. Sobald jedoch andere Materialien zum Einsatz kommen, muss genau nachgeprüft werden, ob diese das Gewicht und dessen Lastabtragung halten können. Eine Fehlerquelle ist beispielsweise die Einlegeschiene, welche laut SIA immer verbaut sein muss. Wenn wir zu einem Schadenfall gerufen werden, ist diese jedoch praktisch nie vorhanden. Wie schon erwähnt, könnten einige dieser Fehlerquellen mit einem funktionierenden Qualitätsmanagement seitens der Bauführung vermieden oder zumindest frühzeitig erkannt werden.

Sind viele Montagefehler auf das fehlende Wissen, also eine schlechte Ausbildung zurückzuführen?

Die unzureichende Ausbildung, gekoppelt an eine hohe Personalfluktuation, ist sicherlich ein Problemfaktor. Wir müssen sagen, dass unsere Nachbarn in Deutschland und Österreich normtreuer sind als wir Schweizer. Normtreue garantiert jedoch keine Fehlerfreiheit. Fakt ist jedoch, dass wir in der Schweiz sehr grosse Mühe haben, unsere Grund- und Weiterbildungskurse im Fensterbereich zu füllen. Die Anschläger sowie Montagefirmen spielen eine grosse Rolle bei Schäden. Das Montagepersonal muss daher stetig in den sehr schnell ändernden Systemen, Normen und Richtlinien geschult und weitergebildet werden.

Sehen Sie in einer verstärkten Ausbildung den möglichen Schlüssel zum erfolgreichen Fensterauftrag?

Nur gut ausgebildete Fachleute können eine funktionierende Planung erstellen, die nötigen Qualitätskontrollen gewissenhaft durchführen und die Systeme fachgerecht montieren. Es benötigt Spezialisten von der Ausschreibung bis zur laufenden Wartung.

njg

www.fensterinform.ch

www.fff.ch

Aus- und Weiterbildung

Der Schweizerische Fachverband Fenster- und Fassadenbranche bietet jedes Jahr unterschiedliche fensterspezifische Aus- und Weiterbildungskurse an. Lernende, Berufsleute und Quereinsteiger erhalten in den Grundkursen 1 und 2 das nötige Basiswissen.

Für Monteure

Der Tageskurs für Montagefachkräfte bearbeitet neben den bauphysikalischen Grundlagen auch die Bauabdichtung, die Montagetechnik sowie die gesetzlichen Anforderungen.

Weiter können auch Kurse im Bereich Einbruch- und Brandschutz besucht werden.

www.fff.ch/bildung

 

Veröffentlichung: 12. Januar 2017 / Ausgabe 1-2/2017

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