Sägemehl ist immer mit von der Partie

Seit letzter Saison auf Augenhöhe mit den bösesten Eidgenossen: Philipp Gloggner (links) im Sägemehl mit Adi Laimbacher. Bild: Schlussgang, Manuel Röösli

Anpacker.  Vielleicht liegt es ja an der Nähe zum Sägemehl, dass viele Schreiner auch ausgezeichnete Schwinger sind. Nicht nur – die «hölzigen» Zwilchhosenathleten sind begehrte Mitarbeiter und bekunden auf der Baustelle keine Mühe, sich Respekt zu verschaffen.

Die Schwingerkönige Silvio Rüfenacht, Jörg Abderhalden und Kilian Wenger haben nebst ihrem sportlichen Steckenpferd auch beruflich etwas gemeinsam: die Liebe zum Holz. Wenger, Schwingerkönig von 2010, hat vor fast zwei Jahren erfolgreich seine Lehre als Zimmermann abgeschlossen, Rüfenacht (1992) ist Inhaber einer Holzbaufirma und der dreifache König Abderhalden (1998, 2004, 2007) – seines Zeichens eidgenössisch diplomierter Schreinermeister – steht als Chef einer Holzmanufaktur vor, die im Bereich Innenausbau und Möbelbau produziert.

Zuverlässig, engagiert und loyal

Ausnahmen sind die drei beileibe nicht. Gerade unter Schreinern ist das ambitionierte Hobby Schwingen äusserst verbreitet. Weshalb? Paul Vogel, Schreinermeister aus dem luzernischen Ruswil, selber ehemaliger Schwinger (siehe SZ-Nr. 43/2013, Seite 9) und seit wenigen Wochen neuer Obmann des Eidgenössischen Schwingerverbandes (ESV), muss nicht lange überlegen: «Da treffen zwei Tätigkeiten aufeinander, die typischerweise in ländlichen Gebieten ausgeübt werden.» Und so sei es nicht mehr als logisch, dass der eine oder andere junge Schwinger sich bei der anstehenden Berufswahl für eine Ausbildung zum Schreiner entscheide.

In Vogels 70-köpfiger Belegschaft finden sich mit Philipp Gloggner, Martin Suppiger, Herbert Vogel, Patrick Stadelmann und Thomas Wisler aktuell gleich fünf aktive oder ehemalige Schwinger und Ringer. Der Unternehmer lacht: «Die Liebe zum Schwing-sport ist sicher nicht das alles entscheidende Anstellungskriterium – aber als Arbeitgeber schätze ich die Schwinger natürlich ausserordentlich.» Nicht selten wird Vogel von seinen Vorstandskollegen auf die hohe Dichte an Schwingern in seinem Betrieb angesprochen. Für den demissionierten ESV-Obmann Mario John ist klar: «Schwinger sind in der Regel gut ausgebildete, engagierte und äusserst zuverlässige Berufsleute, die mit beiden Beinen auf dem Boden stehen und ein gesundes Mass an Loyalität gegenüber ihrem Betrieb leben.» Diese Tugenden sind heutzutage nicht mehr selbstverständlich, das weiss jeder Chef. Mario John, Inhaber eines mittelständischen Unternehmens für Haustechnik, blickt denn auch gleichermassen anerkennend wie auch ein wenig neidisch auf seine Kollegen in der Holz verarbeitenden Branche. Welch Wunder auch, die Zwilchhosenquote in seinem Betrieb beläuft sich auf 0 %.

Ein Zweimeter-Hüne auf Montage

Im Beruf wie im Sport seinen Mann steht, wie erwähnt, Philipp Gloggner. Der bald 24-Jährige hat im Jahr 2012 überraschend das Luzerner Kantonalschwingfest gewonnen und darf sich seit dem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest 2013 aufgrund seiner Leistung und des gewonnenen Kranzes wegen «Eidgenosse» nennen; in den zehnten Rang hat er sich letztlich geschwungen, und das bei über 270 Teilnehmern. Nach der Lehre zum Möbelschreiner wechselte Gloggner auf die Baustelle, wo er sein Können als Montageschreiner einsetzt. Nun ist er in der ganzen Zentralschweiz unterwegs. Der Zweimeter-Hüne ist sich sicher: «Wer gelernt hat, im Sägemehl zu reüssieren, kann sich auch im Beruf durchsetzen.» Dazu gehöre, auch mal einen Fehler zu machen – machen zu dürfen –, diesen aber einzusehen und umgehend zu korrigieren, um dann unbelastet weiterzumachen. Zudem komme es sowohl im Ring als auch auf der Baustelle häufig darauf an, richtig zu taktieren.

Präsenz markieren – und nachgeben

«Auf dem Bau geht es bekanntlich eher ruppig zu und her. Wenn du dir dort nicht den nötigen Respekt verschaffst, kann es gut passieren, dass du eines Morgens vergeblich einen Platz suchst, um deine Arbeiten ungestört auszuführen, weil sich da schon ein anderer eingerichtet hat.» Und so gelte es stets, Präsenz zu markieren – um manchmal im Gegenzug auch ein bisschen nachzugeben. «Es ist genau wie beim Schwingen: Ich fasse Griff, greife an. Und wenn es mit diesem oder jenem Griff nicht klappt, weiche ich aus und wäge ab, wie ich unter den gegebenen Voraussetzungen am besten zum Ziel komme», erläutert Gloggner und staunt selber über die Ähnlichkeiten, die Job und Hobby aufweisen. «Jedes Schwingfest ist anders, jede Baustelle auch. Darauf muss man sich rasch einstellen können.» Mit seinen annähernd 2 m Körpergrösse und 125 kg Lebendgewicht braucht Gloggner auf dem Bau meist sowieso nicht all- zu lange zu lavieren, um sein Ziel – eine ruhige Ecke zum Arbeiten – zu erreichen …

Wenn der «Schrank» kommt

Ehrlichkeit und Bodenständigkeit, das sind zwei Werte, welche automatisch mit dem Schwingsport verbunden werden, und zwei Werte, die der Kunde auch vom Schreiner erwartet. «Es gibt durchaus Kunden, die wissen, was ich neben dem Job so mache», schmunzelt Philipp Gloggner, «und sich auch freuen, wenn ich wieder mal vorbeikomme.» Dann heisse es jeweils: «He, lueg au do: Jetzt schicken Sie uns wieder den Schrank!»

Mit ihren Gardemassen verkörpern die schwingenden Schreiner und schreinernden Schwinger à la Gloggner, Abderhalden und Co. in der Öffentlichkeit denn auch den Prototypen des zupackenden Berufsmannes, der kleinere und grössere Probleme auf unkomplizierte Art und Weise zu bewältigen weiss. Allerdings, so Gloggner, bedinge das auch ein entsprechendes Verhalten: «Ohne erbrachten Leistungsausweis kommen auch wir nicht weiter, egal, ob im Betrieb, auf der Baustelle oder im Sägemehl.» Und bekanntlich sind im Schreinerberuf nicht nur Kraft und Robustheit gefragt, sondern auch Gefühl und viel «Gspüri» für Material und Konstruktion.

Und vom Chef geschenkt erhalten Paul Vogels Schwinger ebenfalls nichts, auch nicht, wenn es um freie Tage geht, beispielsweise, um ein Sondertraining einzuschalten oder um etwaige Blessuren nach einem Festwochenende auszukurieren. «Alles wird mit Überstunden abgeleistet oder über Ferientage abgewickelt», sagt der Firmeninhaber, «egal, ob es sich nun um einen Schwinger handelt oder einen Feldmusikanten.» Dabei sei von beiden Seiten stets ein gesundes Mass an Flexibilität gefordert – ein dauerndes und ausgeglichenes Geben und Nehmen eben. Nur in einem ganz konkreten Fall drückt Paul Vogel als Chef dahingehend ein Auge zu: «Wenn einer ein grosses Fest gewinnt, dann ist klar, dass er am Montag nicht zur Arbeit kommen muss. Dann soll er unbelastet feiern können und am Montag ausschlafen.»

Auf die Thematik angesprochen, schmunzelt Philipp Gloggner. Im Geist scheint er schon den aktuellen Festkalender durchzugehen, um auszurechnen, welchen Montag er als freien Tag einrechnen könnte.

www.vogeldesign.chwww.schlussgang.ch

fc

Veröffentlichung: 08. Mai 2014 / Ausgabe 19/2014

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