Schreiner, ein Lebenstraum

Seit der Pensionierung restauriert Heinz Weidkuhn (83) ein1839 erbautes Hausim Safiental. Bild: Andreas Arnheiter

Der Junge will Schreiner werden. Seine Mutter schenkt ihm eine Werkbank, doch nach der Matur heisst es, einen akademischen Beruf zu ergreifen.

«Damals hörte man noch auf seine Mutter», erzählt Heinz Weidkuhn, heute 83-jährig. Für die Ausbildung zum Primarschullehrer entschied er sich, weil es das kürzeste Studium war. Er und seine Frau Yvonne wollten weg aus dem engen Basel. Noch am Tag ihrer Hochzeit zogen sie ins abgelegene Safiental GR.

Den Winter über unterrichtete er hier die Primarschüler, und im Sommer, wenn die Kinder beim Heuen mithalfen, arbeitete er in der nahen Schreinerei. So besserte er das Jahresgehalt von 6000 Franken auf, das er als Lehrer verdiente. Daneben studierte Weidkuhn an der Universität Zürich Sprachen, schloss mit 50 Jahren seinen Master an der Universität im englischen Exeter ab und unterrichtete bis zur Pensionierung auf Gymnasialstufe. Bis vor zwei Jahren bildete er auch selber Lehrer aus: Als Experte beriet er in der Ukraine, in Nepal und in Myanmar angehende Lehrer. Heute reist Weidkuhn nur noch zum Vergnügen. Die meiste Zeit bringt er damit zu, ein Haus in Gün GR zu restaurieren. Steil am Hang steht das 1839 erbaute Safienhaus. Von dessen Vorplatz überblickt man die mächtigen Bündner Berge, so auch Weidmanns Lieblingsberg, das Bruschghorn. 100 Jahre lang war dieses «kleinste und bescheidenste Haus im ganzen Tal» leer gestanden, als Weidkuhn es kaufte. Abgesehen von den fünf Strickwänden war die Bausubstanz völlig unbrauchbar: Die Grundmauern bröckelten, Türen und Fenster fehlten, das Täfer war wurmstichig und die Böden von Nagelschuhen ausgetreten.

Seit dem Kauf sind 50 Jahre vergangen. Jetzt endlich ist das Haus wieder bewohnbar. Die Aussenwände hat der Handwerker aus Leidenschaft mit Eisenprofilen verstärkt und aufgerichtet. Zahlreiche Sickerleitungen hat er verlegt, die das Hangwasser erfassen und ableiten. In der Stube war der Raum zu niedrig für den hochgewachsenen Mann, Weidkuhn hat deshalb die Böden so weit abgesetzt, dass er darauf nun aufrecht stehen kann. Alles, bis auf die Fenster, macht er selber. «Der Mensch kann so viel mehr, als wir meinen. Nur weiss das heute kaum noch einer», antwortet er auf die Frage, wo er die nötigen Fertigkeiten für eine solch umfassende Restaurierung erworben hat. Was sich an Materialien noch verwenden lässt, bleibt erhalten oder wird an einem neuen Platz eingesetzt.

Die früheren undichten Fenster dienen nun als Schranktüren, die Treppe stammt vom Kirchturm in Versam. Doch Heimatromantik soll dabei nicht aufkommen. Weidkuhn kombiniert das Ursprüngliche mit Neuem. Neben dem Bettgestell, wo schon vor 200 Jahren die Bewohner des Safienhauses schliefen, steht der Computer. Hier schreibt Weidkuhn Gedichte und Geschichten. Vier Bücher des Baslers sind bereits erschienen. Über einen Basler Architekten, einen regionalen Glasmaler, Verse über Abzockerei und zuletzt die eigene Geschichte: von einem Ehepaar, das aus der Stadt in die Berge flüchtete und dort sesshaft wurde. «Weil man hier noch sein kann», sagt Weidkuhn, und damit verabschiedet er sich von seinen Besuchern.

In der Werkstatt gibt es viel zu tun. Dort steht auch die Werkbank aus seinen Jugendjahren – den Berufstraum hat er sich also doch noch erfüllt.

«Der Mensch kann so viel mehr, als wir meinen. Nur weiss das heute kaum noch einer.»

ho

Veröffentlichung: 06. September 2018 / Ausgabe 36/2018

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