Sicherheit geniesst erste Priorität

Ob Maske, Schutzbrille oder Akkuwerkzeug: Wenn etwas kaputt geht, gehört dies gemeldet und geflickt. Bild: Stefan Hilzinger

Meldepflicht.  Wer als Schreiner Personal beschäftigt, oder wer als Schreinerin als Angestellte arbeitet, ist mit einer Vielzahl von gesetzlichen Pflichten konfrontiert. Viele davon dienen der Arbeitssicherheit und der Gesundheit - sofern sie eingehalten werden.

Montagmorgen in einer Schreinerei. Die Monteurin belädt den Bus mit den zu montierenden Teilen und dem nötigen Werkzeug. Doch da stellt sie fest: Das Netzkabel an der Kappsäge ist beschädigt. Da hat wohl jemand beim letzten Gebrauch nicht aufgepasst und das Kunststoffkabel angesägt. Was nun? Die Zeit drängt, in einer halben Stunde sollte sie auf der Baustelle sein, der Kollege wartet schon. Also nix wie los!? «Halt, nein!», sagen hier die arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Wer als Arbeitnehmer einen Mangel feststellt, welcher den Gesundheitsschutz beeinträchtigt, muss diesen entweder selbst beheben oder ihn umgehend dem Vorgesetzten melden (siehe Kasten).

Daher benötigt jeder Betrieb ein Prozedere, das regelt, wie mit festgestellten Mängeln an Maschinen und Geräten sowie an der persönlichen Schutzausrüstung umgegangen wird. Häufig ist der Sicherheitsbeauftragte (Sibe) des Betriebs die erste Ansprechperson, die oft auch als Produktionsleiter amtet. Einer dieser Sibe ist Oliver Hermann von der Schreinerei R. Brunner AG in Zürich. «Die Sicherheit der Mitarbeitenden fängt bei der Arbeitskleidung an, geht über die persönliche Schutzausrüstung bis hin zur Sicherheit an den Maschinen. Dazu gehört, dass die Vorschriften der Maschinenhersteller eingehalten werden», sagt Hermann.

Schreinerzeitung: Wie setzen Sie die Vorschriften im Betrieb durch?
Oliver Hermann: Damit ich die Vorschriften durchsetzen kann, arbeite ich regelmässig selbst an den Maschinen. So sehe ich, wo die Probleme liegen. Wenn ich durch den Betrieb gehe und jemand an der Kreissäge sehe, der die Schutzhaube nicht abgesenkt hat, dann drücke ich sie hinunter. Das gehört halt auch zu meinem Job. Das Thema Sicherheit ist weitläufig, auch Treppen und Absturzsicherungen gehören dazu.
Was ist das Prozedere, wenn etwas kaputtgeht?
Was wir können, reparieren wir selbst. Wenn etwas an der persönlichen Schutzausrüstung kaputtgeht, bestellen wir Ersatz. Wenn es sein muss, kommt ein Monteur vorbei und repariert den Defekt.

Wenn ein Monteur auf der Baustelle einen Defekt an einer Maschine feststellt, beispielsweise einen Wackelkontakt, was muss er dann unternehmen?

Er gibt die Maschine entweder bei mir oder dem Montageleiter ab, und wir geben sie extern zur Reparatur. Probleme gibt es da aber höchstens noch mit älteren Handmaschinen. Wir können sie noch an eine Kleinfirma in der Nähe schicken. Es gibt ja nicht mehr viele Werkstätten, die Handgeräte noch wirklich reparieren können. Wenn wir defekte Geräte an einen Hersteller zurückschicken, sehen wir sie sicher zwei Monate nicht mehr.
Das heisst, im Falle eines Schadens oder Defekts genügt eine mündliche Mitteilung, oder gibt es ein Meldeformular?
Ja, die Meldung wird intern weitergegeben ohne besonderes Formular – häufig auch per Chat in «Teams». «Du, ich hab dir dieses oder jenes defekte Teil dort hingestellt.» Wichtig ist, dass ich weiss, wo das Problem liegt, und dass ein Zettel am Gerät klebt mit einer Notiz wie «Vermutung auf Wackelkontakt» oder «Hey, ich hab das Kabel angeschnitten». Wenn wir etwas einschicken, muss der Reparateur wissen, was fehlt.
Und wenn bei stationären Maschinen etwas nicht läuft?
Dann bekomme ich direkt eine Meldung, entweder persönlich oder per Telefon. Hier ist die Zusammenarbeit im Team entscheidend. Die Kolleginnen und Kollegen kommen sofort zu mir und melden Probleme. Sie arbeiten in der Regel auch nicht weiter, und wir suchen gemeinsam nach einer Lösung. Das Vorgehen ist Teil unserer täglichen Kommunikation.
Und das funktioniert? Die Leute sind diszipliniert?
Ja, das funktioniert. Klar sehe ich ab und zu auch, dass eine Schutzhaube nicht wie vorgeschrieben am Platz ist. Das ist leider so. «I ha schnell müässe en Schnitt go mache.» Das kennt man ja. Doch wir haben eine ganz kleine Unfallrate, meistens nur Bagatellen, einen Schnitt, weil man mit dem Stechbeutel abgerutscht ist. Unlängst war die Suva hier. Unsere Schreinerei hat so wenige Betriebsunfälle, dass jetzt die Nichtbetriebsunfälle ins Zentrum rücken. Hier spielen die Hobbys eine grosse Rolle.
Welchen Einfluss hat der Maschinenpark auf Arbeitsunfälle?
Arbeitssicherheit hängt stark von den Maschinen ab. Mit einem neueren Maschinenpark ist auch die Sicherheit besser gewährleistet. Unser Betrieb hat eine gute Durchmischung an älteren und neueren Maschinen. Auch die CNC hat einen Einfluss, weil dort ohnehin alles abgeschirmt und nicht zugänglich ist, wenn sie läuft. Ich bin jetzt seit sechs Jahren Produktionsleiter und gleichzeitig Sibe, wie das in vielen Betrieben der Fall ist. Und ich kann zum Glück sagen, dass in dieser Zeit nie etwas Gravierendes passiert ist.
Das klingt, als ob es keine Probleme mehr gibt. Oder täuscht das?
Ja, das täuscht. Was mir bei der Arbeitssicherheit und vielmehr noch beim Thema Gesundheitsschutz immer wichtiger wird, sind Fragen der Ergonomie. Lasten zu heben und zu bewegen, gehört halt einfach zum Alltag von uns Schreinern. Hier setzen wir in der Werkstatt beispielsweise auf höhenverstellbare Tische. Unsere Monteure haben auf der Baustelle einen elektrischen Treppenrolli, ausserdem eine Hebehilfe, um die immer schwerer werdenden Türen einzuhängen. Um beim Zuschnitt schwere Platten zu heben, setzen wir auf einen Vakuumsauger. Der Rücken ist ganz klar der neuralgische Ort, hier klagen viele Kollegen und Kolleginnen früher oder später über Beschwerden. Ich verfolge auch die Entwicklung bei den Exoskeletten, etwa jenes von Festool. Ich sehe derzeit jedoch eher noch einen Nutzen für Berufe, die wirklich viel über Kopf arbeiten, wie Maler oder Gipser. Aber die Technologie steckt ja noch in den Kinderschuhen, mal schauen, was da noch kommt.
Sie haben vorhin die Bedeutung des Teams erwähnt. Wie steht es denn um die Fehlerkultur? Es ist ja nicht immer einfach, zu Fehlern zu stehen.
Das klappt eigentlich je länger je besser. Wichtig ist, dass alle gut instruiert sind, «gebrieft», wie man heute sagt. Fehler gehören zum Alltag. So schnell geht etwas kaputt. Wichtig ist, dass der Fehler erkannt und gemeldet wird, dann kann die Sache gemeinsam in Ordnung gebracht werden. Unschön ist, wenn ein Fehler erst auf der Baustelle oder beim Kunden entdeckt wird. Denn dann entstehen der Firma Kosten. Persönlich wird dafür zwar dann niemand verantwortlich gemacht.

www.brunner-schreinerei.ch

 

 

Meldepflicht ist gesetzlich geregelt

Alle stehen in der Pflicht

Bestimmungen und Vorschriften über Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz stützen sich auf das Arbeitsgesetz, das Unfallversicherungsgesetz und auf das Sozialversicherungsgesetz. Die Details sind in einer Vielzahl von Verordnungen geregelt, etwa in der Bauarbeitenverordnung (BauAV) oder in der Verordnung über die Unfallverhütung (VUV). Darin sind in erster Linie technisch-organisatorische Vorschriften festgehalten, etwa zur Helmtragpflicht.

Details zu den Pflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer punkto Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz stehen in der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz (ArG), wozu wiederum eine besondere Wegleitung Details zu jedem Artikel erklärt. Darin geht es auch um Fragen des korrekten Verhaltens und der Zuständigkeiten, wenn beispielsweise die persönliche Schutzausrüstung beschädigt wird oder eine Maschine oder ein Gerät defekt ist. Zentral aus Sicht des Arbeitnehmers ist dabei laut Artikel 10 des Arbeitsgesetzes die Pflicht, Weisungen zu befolgen und Mängel zu melden:

  • «Der Arbeitnehmer muss die Weisun- gen des Arbeitgebers in Bezug auf den Gesundheitsschutz befolgen und die allgemein anerkannten Regeln berücksichtigen. Er muss insbesondere die persönlichen Schutzausrüstungen benützen und darf die Wirksamkeit der Schutzeinrichtungen nicht beeinträchtigen.»
  • «Stellt ein Arbeitnehmer Mängel fest, welche den Gesundheitsschutz beeinträchtigen, so muss er sie unverzüglich beseitigen. Ist er dazu nicht befugt oder nicht in der Lage, so muss er den Mangel unverzüglich dem Arbeitgeber melden.»

Diese «Meldestelle» ist in vielen Schreinereien, wenn nicht der Chef oder die Chefin, meist der oder die Sicherheitsbeauftrage. Wer sich nicht durch Gesetze, Verordnungen und Wegleitungen lesen will, findet manch Informatives und Nützliches auf der Website der Sicherheitskommission für das Schreinergewerbe (Siko).

www.siko2000.ch

 

 

Stefan Hilzinger, hil

Veröffentlichung: 21. Dezember 2023 / Ausgabe 51-52/2023

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