Alles schön im Fluss halten

Bei der Schreinerei Stadler AG führt der Produktionsweg im Uhrzeigersinn um die Maschinen herum: Zuerst schneiden, dann Kanten leimen, dann CNC, dann bearbeiten. Bild: Beatrix Bächtold

Warenfluss.  Ist Material zügig von der Idee bis zur Auslieferung unterwegs, so ist das Lean-Management in Reinkultur. Drei Schreiner berichten, wie sie interne Abläufe optimiert haben. Im Zentrum stehen bei allen die mitdenkenden, gut ausgebildeten Mitarbeitenden.

Erstes Beispiel ist die Schreinerei Stadler AG in Rorschacherberg SG. Betritt man die Werkstatt spürt man Gelassenheit. An der Nähe des Bodensees kann das nicht liegen. Vielmehr kommt die Ruhe von innen. Doch die zwölf Mitarbeitenden und die Lernende betreiben kein Yoga. Grund für die Ausgeglichenheit ist ein klug gestalteter Arbeitsbereich. Der wurde nämlich so neu gedacht, dass niemand und nichts sich behindert. Geschmeidig wandert das Material von Produktionsschritt zu Produktionsschritt. Diese Idealform einer Schreinerwerkstatt entstand nicht von selbst. Vielmehr war es ein Prozess, der vom Inhaber Norbert Stadler einiges an Unternehmergeist und finanziellen Ressourcen forderte. Die Mitarbeitenden steuerten ihre Erfahrung und Ideen bei, und generierten mit maximaler Flexibilität ein maximales Ergebnis. Und: Die gemeinsame Anstrengung schweisste zusammen.

Wenn neu, dann gleich richtig

Die Schreinerei Stadler AG, gegründet 1962, präsentiert sich als gut eingerichtetes Unternehmen, das noch lange im gleichen Stil hätte weiterarbeiten können. Doch Stadler, selbst gelernter Schreiner, dachte voraus. Statt nach und nach zu renovieren und ein Flickwerk zu erhalten, entstand um die bestehende Werkstatt herum ein neues Gebäude auf 30 mal 18 Metern Grundfläche. Grösser, höher als das alte. In den Sommerferien 2018 wurden dann die Maschinen umgestellt. Alle packten mit an. Bei den grossen Geräten halfen Monteure der Hersteller. Wenn Michi Wohlgensinger (Bild) davon erzählt, hört man gerne zu. Der 38-jährige Familienvater schloss bei Stadler im Jahre 2004 seine Lehre ab. Er blieb im Betrieb und ist jetzt in der Planung und Avor. 2017 absolvierte er an der Höheren Fachschule Bürgenstock die Ausbildung zum Fertigungsspezialisten. Kürzlich nahm er am Seminar «Arbeits- und Organisationsprozesse optimieren» teil. «Man muss nicht denken, dass man nach einem Seminar hingehen und sagen kann, jetzt kremple ich den ganzen Laden um. Aber wenn ich Details gewinnbringend umsetzen kann, hat sich der Kurs gelohnt», findet er. Es sei auch nicht so, dass man alles, was der Referent sage, wörtlich nehmen müsse, erklärt er. Häufig kann man aber die Inputs den Verhältnissen des eigenen Betriebs anpassen.

In einem Seminar habe er gehört, man solle möglichst nichts in Schubladen unterbringen. «Das seien Buchten, in denen alles verschwinde und Unordnung entstehe», berichtet Wohlgensinger. Aber weil es im Umbaukonzept bei der Stadler AG einen zentralen Werkzeug-Hub geben sollte, um kreuzende Wege zu eliminieren, war ein Schrank mit Schubladen trotzdem die beste Lösung. Für eine gute Übersicht stellte man für jede Schublade einen Einsatz her, worin jedes Werkzeugteil seinen passgenauen Platz hat.

Magische Zahl 5

Für Anlieferung und Abholung wurde vor dem Gebäude exakt ein Platz definiert –und zwar ein waagrechter, obwohl der Vorplatz leicht schräg ist. «Ein Herumkurven auf dem Areal entfällt. Früher parkten die Lieferwagen oft in der Schräge. Wenn man denn mit dem Hubstapler verladen wollte, gab es Probleme», sagt Wohlgensinger. Das angelieferte Material gelangt neu durch ein fünf Meter breites Tor. Zwei Meter breiter als bisher. 5 war bei der Planung die magische Zahl. Die Gänge müssen fünf Meter breite Platten durchlassen. Der Lift hat fünf Meter Tiefe, diagonal noch mehr. Die Zuschneidemaschine steht nahe beim Eingang. «Damit man mit der grossen Platte nicht durch die ganze Werkstatt zirkeln muss», sagt er.

Der Produktionsweg und damit der Warenfluss führt kreisförmig im Uhrzeigersinn um die Maschinen herum: Zuerst schneiden, dann Kanten leimen, dann CNC, dann bearbeiten, Massivholz und Spanplatten in verschiedenen Bereichen. Für die Fertigmontage und zur Oberflächenbehandlung trifft man sich wieder im Bankraum.

Im ersten Stock wird hauptsächlich Verbrauchsmaterial bereitgehalten. Früher bewahrte man vom Gummipuffer bis hin zum Möbelband alles in einem separaten Lagerraum mehr oder weniger geordnet auf. Kürzlich schaffte man ein übersichtliches Schubladensystem an, welches mitten im Raum auf gut einem Quadratmeter Platz findet. Keine aufgerissenen Plastiksäcke mehr. Man nimmt die Lieferung in Empfang und kommissioniert sie unverzüglich in die transparenten Boxen. So überblickt man zentral den Bestand. «Das Lager ist auch Teil des Materialflusses. Was nützt die schönste Schublade, wenn man die Auszüge nicht findet, neu bestellt und erst später merkt, dass sie ja bereits da sind», sagt Wohlgensinger.

Mitarbeit am Werkstatt-Layout

Bereits in der Planung der Werkstatt-Neuorganisation wirkten die Mitarbeitenden mit. «Gestandene Schreiner, die sich schon oft geärgert hatten, wenn ein Weg versperrt oder etwas nicht an seinem Platz war und man quer durch die Werkstatt laufen musste, um es dann doch nicht zu finden», sagt er. Um die Vorschläge zu visualisieren, erstellte man Grundrisspläne der Werkstatt. Für die Maschinen schnitt man massstabsgetreue Zeichnungen aus und in Zweiergruppen machte sich das Team dann Gedanken über das optimale Layout der Werkstatt. Und so schoben die Männer die «Maschinen» auf den Plänen hin und her und wägten Vor- und Nachteil ab. Schon bald setzte sich der Kreis als Idealform für den künftigen Materialfluss durch. Inhaber Norbert Stadler vertraute auf die Fähigkeiten und das Fachwissen seiner Mitarbeitenden. Er schenkte ihnen Entscheidungsfreiheit und Vertrauen. «Das erzeugte unglaubliche Motivation im Team», berichtet Michi Wohlgensinger.

www.schreinerei-stadler.ch

OPtimierte Abläufe

Kleine Schritte, kein grosser Wurf

Der gelernte Schreiner und Holzingenieur Stephan Zürcher (Bild) ist unter anderem auch Referent des Kurses Arbeits- und Prozessoptimierung an der Höheren Fachschule Bürgenstock (siehe «Bildung», Seite 26). «Die Beispiele in diesem Beitrag zei- gen auf, wie wichtig der Einbezug der Mitarbeitenden in die Veränderung, eine proaktive Kommunikation und vor allem der Durchhaltewille sind», sagt er. Seit zehn Jahren führt Zürcher mit seinem Unternehmen Ecoholz die Schreinereien hin zur Fliessfertigung, schlanken Prozessen und optimierten Arbeitsplätzen. Dabei sieht er immer wieder: Je kleiner die Firma, desto direkter und schneller greift die Methode. «Das ist verblüffend und motivierend», sagt er. Bei grösseren Unternehmen bildet Ecoholz interne Mitarbeitende zu Moderatoren aus. Diese verankern und multiplizieren das Fachwissen und die Methodik unter den Mitarbeitenden. Oft hilft es intern, einen «Mister-Lean» zu delegieren, der diesen Elan weiterträgt. Zürcher sagt: «Das Tagesgeschäft lässt oft leider zu wenig Freiräume für kontinuierliche Workshops. Dann verpufft die Wirkung, denn diese kann bei jedem Workshop immer direkt beobachtet werden. Dies ist dann für alle Mitarbeitenden ein richtiger Motivationsschub. Viele kleine Schritte bewirken mehr, als ewiges Warten auf die Umsetzung eines grossen Projektes. Langfristig bescheren die kleinen Zeitinvestitionen in kurze Workshops also die saftigsten Zinsen.»

www.ecoholz.ch

Beatrix Bächtold, BEB

Veröffentlichung: 30. Juni 2022 / Ausgabe 26/2022

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