Beruf und Familie nähern sich an

Egal ob Mann oder Frau: Der Wunsch nach Teilzeit und flexiblen Arbeitszeiten wächst. Bild: VSSM

Arbeitszeitmodelle.  Homeoffice, Gleitzeit und eine gute Work-Life-Balance gewinnen immer mehr an Bedeutung. Nicht erst seit der Corona-Pandemie. Um verschiedene Möglichkeiten für die Schreinerbranche aufzuzeigen, erscheint in loser Folge eine neue Artikelserie.

Nur Teilzeit arbeiten, um sich besser um die Familie kümmern zu können? Dank Gleitzeit früher nach Hause gehen, weil das Wetter so schön ist? Oder einen Tag im Homeoffice verbringen? Die Nachfrage nach flexiblen Arbeitszeitmodellen scheint immer grösser zu werden. Die Arbeitnehmenden wünschen sich eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wie man von allen Seiten hört. In anderen Branchen gehören Teilzeitstellen und Gleitzeitarbeit bereits zum Alltag. Doch wie sieht es mit den Bedürfnissen der Angestellten in der Schreinerbranche aus? Muss sich diese anpassen, um zukünftigen Fachkräftemangel zu verhindern?

«Die Flexibilisierung der Arbeitszeit hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen», sagt Mario Fellner, Direktor des Verbandes Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM). «Die traditionelle Normalarbeitszeit mit einheitlichen und normierten Regelungen ist in der Schweizer Unternehmenslandschaft immer seltener gefragt.» Auch die Bedürfnisse der Arbeitnehmenden hätten sich in den letzten Jahren gewandelt.

Corona hat den Wandel verstärkt

Heutzutage sieht sich die Gesellschaft stärker denn je mit neuen Technologien konfrontiert. Auch Lebensmodelle und -vorstellungen verändern sich, was die Nachfrage nach flexiblen Arbeitszeitmodellen rasant ansteigen lässt. Nicht zuletzt hat die Corona-Pandemie diesen Trend noch stärker zum Vorschein gebracht, da sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber auf verschiedenste Weisen gefordert werden. Sie sind regelrecht dazu gezwungen, sich in kürzester Zeit neu zu organisieren und flexible Lösungen anzubieten, welche allen Anspruchsgruppen gerecht werden.

Experten sind sich einig: Die 40-Stunden-Woche sei ein Auslaufmodell, berichtet die Online-Business-Plattform Xing. Nachdem in Schweden in den letzten Jahren ein Experiment mit einem Arbeitstag von nur sechs Stunden durchgeführt wurde, hätten sich mehrere Firmen dazu entschlossen, ihre Arbeitsstunden entsprechend zu senken. Denn es habe sich erwiesen, dass Angestellte konzentrierter, motivierter und mit einer geringeren Fehlerquote arbeiteten, wenn sie von vornherein ein Arbeitszeitfenster von nur sechs Stunden hätten, heisst es. Je länger der Arbeitstag, desto geringer die Produktivität. In der Schweiz ist dies allerdings noch Zukunftsmusik.

Höchstarbeitszeit pro Woche - Rückgang um über drei Stunden

Im Jahr 1964 wurde in der Schweiz die Höchstarbeitszeit geregelt. Gemäss dem Schweizerischen Arbeitsgesetz beträgt die wöchentliche Höchstarbeitszeit für Angestellte in industriellen Betrieben, Büropersonal, technische und andere Angestellte sowie Verkaufspersonal in Grossbetrieben des Detailhandels 45 Stunden. Für alle übrigen Arbeitnehmenden gilt eine Höchstarbeitszeit von 50 Stunden pro Woche.

Der Ursprung des Acht-Stunden-Arbeitstages, umgangssprachlich «nine-to-five» genannt, ist auf die Industriegesellschaft zurückzuführen, wo die Arbeitsstunden auf den Takt von Maschinen abgestimmt werden mussten.

Gemäss Bundesamt für Statistik hat sich die Normalarbeitszeit bei den Arbeitnehmenden in Vollzeit zwischen den Jahren 1973 und 2003 konstant verringert. Sie ist von 45,1 Stunden pro Woche auf 41,7 Stunden gesunken. Dies entspricht einem Rückgang von 3 Stunden und 21 Minuten. Seit 2003 sei die Normalarbeitszeit stabil geblieben, heisst es. Dies zeigt, dass in dieser Angelegenheit ein gewisser Wandel bereits stattgefunden hat.

Ivana Nagels

Über ein Drittel arbeitet Teilzeit

Der Anteil erwerbstätiger Personen in der Schweiz, die in einem Teilzeitpensum arbeiten, betrug zuletzt 37 Prozent. Und die Zahl steigt stetig an, wie das Bundesamt für Statistik 2019 publizierte. Mehr als jeder dritte Arbeitnehmende ist demnach in einem Teilzeitpensum tätig, wobei Frauen den Hauptanteil ausmachen. Zurzeit gingen 6 von 10 Frauen, aber nur 1,8 von 10 Männern einer Teilzeitarbeit nach, heisst es. Dieser Trend scheint demnach nicht vorübergehend zu sein, sondern zur Normalität zu werden.

Moderne Familien fordern Flexibilität

Das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco hat in einer Studie zum Thema Stress errechnet, dass sich die volkswirtschaftlichen Kosten wegen arbeitsbedingter Gesundheitsstörungen jedes Jahr auf mindestens acht Milliarden Franken belaufen. Stützt man sich auf weitere Studien, gewinnt die Work-Life-Balance immer mehr an Bedeutung. Beruf und Familie sollen vereint werden können.

Die Aufteilung, bei der der Mann die Brötchen verdient und die Frau zu Hause bleibt und sich um die Kinder kümmert, scheint immer mehr aufzuweichen. Moderne Familien wünschen sich eine flexible Aufteilung der Aufgaben. Väter möchten sich um die Erziehung ihrer Kinder kümmern, und Mütter wollen ihren Beruf weiterhin ausüben können.

Das soll auch in der Schreinerbranche möglich sein. «Mit dieser Artikelserie möchte der VSSM die neuen und zeitgemässen Arbeitszeitmodelle den Mitgliedsbetrieben näherbringen, sodass der Schreinerberuf für Frauen und Männer weiterhin attraktiv bleibt», sagt Mario Fellner.

Ivana Nagels

Serie Lohn- und Arbeitszeitmodelle: Sind 80 die neuen 100 Prozent?

Die Arbeitswelt verändert sich, neue Berufe werden geschaffen, intelligente Programme und Roboter werden eingesetzt und die Digitalisierung erlaubt ein hohes Tempo. Nur eines blieb unverändert: die 42-Stunden-Woche. Hat das Modell Normalarbeitszeit ausgedient? Wie sieht das Arbeitsmodell der (nahen) Zukunft aus? Welche Ansprüche stellt die neue Generation an die Arbeitswelt? Ist das 80-Prozent-Pensum die neue Vollzeit? Die lose Serie «Neue Lohn- und Arbeitszeitmodelle» geht diesen Fragen nach.

Veröffentlichung: 03. September 2020 / Ausgabe 35/2020

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