Chancen in der Nische

Die Romanshorner Überbauung «Silberholz» mit 42 Wohneinheiten. Der mehrgeschossige Holzbau wird weiterhin als Wachstumsmarkt erachtet. Bild: Schöb AG

Holzbau in der Schweizer Holzkette.  Die Schöb AG setzt auf individuelle Ein- und Mehrfamilienhäuser im mittleren und oberen Segment, während sich die Naef AG mit einem selbst entwickelten Produkt, speziellen Umbauten und Sanierungen am Markt platziert.

Das Buch «Holzbau mehrgeschossig» aus dem Faktor Verlag (siehe auch SchreinerZeitung Nr. 17/2013, Seite 55) belegt eindrücklich die rasante Entwicklung, welche der mehrgeschossige Holzbau in den vergangenen Jahren in der Schweiz genommen hat: Vor allem im Grossraum Zürich, aber auch in Bern oder Basel, bauen professionelle Bauherrschaften Wohnsiedlungen mit 150 bis 200 Wohneinheiten in Holzbauweise. Doch auch die zahlreichen kleineren Projekte, die in der ganzen Schweiz realisiert wurden und werden, zeugen davon. Nach Ansicht von Christoph Starck, Direktor von Lignum – Holzwirtschaft Schweiz, gibt es für diese Entwicklung zwei Ursachen: zum einen die Liberalisierung der Brandschutzvorschriften seit 2005, die mit Holz sechs Geschosse bei Wohnbauten und acht Geschosse bei Fassaden ermöglichen. Das habe einen grossen Schub gebracht. Zum anderen komme, als ebenso starker Treiber, die Thematik des energieeffizienten Bauens hinzu, im Grossraum Zürich insbesondere das Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft. Viele Experten sagten, die Zielwerte der 2000- Watt-Gesellschaft seien fast unmöglich zu erreichen, ohne den Einsatz eines Anteils nachwachsender Rohstoffe, sprich Holz, so Christoph Starck.

Die Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) überarbeitet die Brandschutzvorschriften jeweils im Zehn-Jahres-Rhythmus. Das aktualisierte Vorschriftenwerk soll 2015 in Kraft treten. Die überarbeitete Norm und die Richtlinien waren bis Ende Mai 2013 in der Vernehmlassung. Grundtenor der Revisionsvorschläge ist laut Lignum eine weitere Öffnung für die Anwendung des Baustoffes Holz.

Vergrösserung in der Schweiz …

Die Schöb AG in Gams bewegt sich im eingangs angesprochenen Markt. Die positiven Entwicklungen im Holzbau haben das Unternehmen im vergangenen Jahrzehnt stark beeinflusst: Seine Produktionskapazitäten und der Personalbestand haben sich laufend vergrössert, so dass der Familienbetrieb heute 67 Mitarbeiter zählt. Er umfasst die Bereiche Architektur, Bauleitung, Holzsystembau, Leimerei, Schreinerei sowie Immobilien. Schöb deckt also viele Leistungen selbst ab. Das Hauptsegment ist der Neubau von Ein- und Mehrfamilienhäusern. Gemäss Nicola Sanzo, der seit Anfang 2013 Geschäftsführer der Schöb AG ist, kommen vermehrt auch Gewerbebauten hinzu. Die Hauptmärkte sind die Deutschschweiz und Liechtenstein, punktuell auch der internationale Markt. Im Jahr 2009 konnte Schöb beispielsweise Türen für einen Hotelneubau nach Kenia liefern.

Laut Angaben von Sanzo hat die Firma letztes Jahr etwa 2500 m3 Holz von der Schweizer Waldwirtschaft bezogen. «Das heisst, dass wir circa 4500 m2 Holz aus Wäldern in der näheren Umgebung verarbeitet haben.» Die Sägerei Lippuner, die in unmittelbarer Nähe liegt, beliefert das Werk. Im Einfamilienhaus- und wenn möglich auch im Mehrfamilienhausbereich setzt Schöb Holz aus der Region ein. Bei Grossprojekten kommt es vor, dass Stangenware zugekauft werden muss. Diese kann auch aus dem Ausland stammen.

… und Erschliessung neuer Märkte

Thomas Röthlisberger, der bis Ende 2012 während neun Jahren Geschäftsführer der Schöb AG war, betreut heute für Schöb noch die Tochterfirma «Just Swiss» in London. Diese wurde 2006 von drei Schweizer Unternehmen gestartet, welche den Markt im Grossraum London erschliessen wollten. Dazu gehörten neben der Schöb AG die Lehmann Arnegg AG sowie die Virtuellbau Holding AG. Virtuellbau ist im Prinzip ein Bauteam, das durch betriebsübergreifende Zusammenarbeit Bauleistungen aus einer Hand realisiert. Mittlerweile gibt es in der Deutschschweiz mehrere solcher Virtuellbau-Gruppen.

Mit dem Einsetzen der Finanz-, Wirtschafts- und Währungskrise brach der englische Baumarkt jedoch ein. Schöb ist trotzdem in London geblieben und realisiert noch einzelne Projekte. Da gemäss Angaben des Unternehmens der Schweizer Markt sehr gut läuft, bearbeitet es jenen in England im Moment nicht so stark. Der wichtigste Partner dort ist die neue Holzbau AG, mit der Schöb ebenfalls in der Schweiz zusammenarbeitet. «Die neue Holzbau AG ist in England sehr aktiv, da es, im Gegensatz zum Elementbau, im Ingenieurholzbau praktisch keine Mitbewerber gibt», so Röthlisberger.

Schöb AG hat sich auf Nischenmärkte konzentriert: individuelle Architektur im mittleren und oberen Segment. Dort sei der Preiskampf nicht so gross, sagt Sanzo. Das Unternehmen wolle diese Strategie weiter verfolgen, teste aber auch das Potenzial neuer Marktsegmente, zum Beispiel jenes der Typenhäuser. Die Idee sei, ein Marken-Typenhaus zu kreieren. Das Pilotprojekt startete Ende Januar in Murg mit dem Spatenstich für das erste derartige Einfamilienhaus von Schöb.

Potenzial Umbau und Sanierung ...

Diverse Experten sind der Ansicht, dass die Herausforderung für die Erreichung der klima- und energiepolitischen Ziele im Gebäudebestand liegt. Heute beansprucht der Gebäudebereich der Schweiz rund 50% des inländischen Energiebedarfs. Zahlen von Bak Basel zeigen einen steigenden Trend bei den realen Hochbauaufwendungen für Umbau und Unterhalt seit 2008. Das Potenzial für Umbau- und Sanierungsinvestitionen, die zwischen 2015 und 2018 im Schnitt um über 2% pro Jahr zulegen dürften, sei weiterhin gross, so Bak Basel. Von diesen Entwicklungen profitiert genauso der Holzbau ( siehe Box ).

Das spürt auch Walo Brunner, Inhaber der Naef AG im appenzellischen Speicher. Der Schwerpunkt seines Holzbaubetriebs, der zehn Mitarbeiter beschäftigt, liegt bei speziellen Umbauten und Sanierungen alter Häuser, insbesondere auch von Appenzellerhäusern. Auf diesem Gebiet besitzt Walo Brunner eine mittlerweile 30-jährige Erfahrung. «Es gelingt nicht immer, ein Appenzellerhaus energetisch auf den allerneuesten Stand zu bringen, aber es lässt sich sehr viel herausholen», so Brunner.

Ebenfalls die für die Appenzellerhäuser typischen gestemmten Fassaden sind ein Spezialgebiet des Betriebs, der vor allem regional tätig ist. «Es kommen vermehrt Aufträge für energetische Verbesserungen alter Gebäude», so Walo Brunner. Der Schweizer Markt zeige sehr viel Potenzial im energietechnischen Bereich für Firmen wie die Naef AG, die nicht ausschliesslich auf Elementbau setzten, um ihr Know-how im Umbau und Sanierungsbereich einzubringen.

… und selbst entwickeltes Produkt

Das Holz, das die Naef AG in der Zimmerei weiterverarbeitet, stammt grösstenteils aus der betriebseigenen Sägerei, in der weitere fünf Mitarbeiter beschäftigt sind. Diese ist speziell auf die Produktion von selbst entwickelten Appenzeller Tillböden ausgerichtet. Sie entsprechen weiterhin den heutigen Anforderungen. Ohne dieses Nischenprodukt könnte die Sägerei heute nicht mehr existieren. Verschiedene weitere Spezialitäten, wie zum Beispiel gebürstete und geölte Riemenböden, gehören ebenfalls zum Sortiment. Auf modernen, computergesteuerten Maschinen werden zudem diverse Sägerei- und Sägereinebenprodukte für Schreinereien, Zimmereien, Saunabauer und Dachdecker hergestellt.

«Früher konnten wir die Tillböden in die ganze Schweiz liefern. Doch mittlerweile gibt es viele Konkurrenzprodukte, und Bauherren beziehungsweise Architekten legen weniger Wert auf Qualität. So konzentriert sich der Verkauf vor allem auf die Region Ostschweiz, wo unser Produkt sehr bekannt ist», so Brunner.

Vielen kleinen und mittelständischen Betrieben ist es oft nicht möglich, Produktneuentwicklungen voranzutreiben. Walo Brunner hat dies gemacht und es ist ihm damit gelungen, sich über die Jahre hinweg einen Nischenmarkt zu sichern.

www.schoeb-ag.chwww.naefag.ch

Hintergrund

Holzbau-Unternehmungen

Gemäss dem Jahresbericht 2010/11 des Branchenverbandes Holzbau Schweiz ist die Anzahl der Holzbau- und Zim-mereibetriebe zwischen 2005 und 2008 von 2018 auf 2080 angestiegen. Damit sind es mehr als 1965 (2025). In derselben Zeitspanne hat auch die Zahl der Beschäftigten von 16 190 auf 17 152 zugenommen. Die Branche ist insgesamt sehr feingliedrig strukturiert: Rund 76% der Betriebe beschäftigten im Jahr 2009 einen bis neun Mitarbeiter, 23% wiesen 10 bis 49 und 1% zwischen 50 und 249 Beschäftigte auf.

Märkte

Erhebungen des «Wood Monitoring 2012» zeigen, dass die Entwicklung bei Neubauten von Einfamilienhäusern in der Schweiz seit 2008 als konstant bis leicht rückläufig einzuschätzen ist. Der Materialanteil von Holz im Tragwerk lag von 2008 bis 2011 ebenso konstant bei etwa 12,5%. Im An- und Umbau hat er in derselben Zeit von 23,7% auf 26,1% zugenommen.

Ein starkes Wachstum erfuhren zwischen 2008 und 2011 der Neubau und insbesondere der Um- und Anbau von Mehrfamilienhäusern mit Holz im Tragwerk. Beim Neubau stieg er von 4,5% auf 6%. Laut Christoph Starck wird das Potenzial beim Neubau von Mehrfamilienhäusern als etwa gleich gross wie bei den Einfamilienhäusern erachtet, also etwa 10 bis 12%. Beim An- und Umbau nahm der Anteil von 15,3% auf 26,1% zu.

Gewachsen sind jedoch auch die Importe von vorgefertigten Gebäuden und Gebäudeteilen. Von 2009 bis 2012 haben sich diese gemäss dem Bundesamt für Statistik von 71,3 Mio. auf 101,5 Mio. Franken gesteigert. Mehr als die Hälfte der Importe stammen aus Deutschland. Die Exporte sind – nach einem Hoch von 9,1 Mio. Franken im Jahr 2009 – bis im vergangenen Jahr wieder auf 3,6 Mio. Franken gesunken.

www.holzbau-schweiz.ch

RW

Veröffentlichung: 13. Juni 2013 / Ausgabe 24/2013

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