Das gerettete Wrack

Das Heck der Vasa im heutigen Zustand – farblos, aber sonst exzellent erhalten. Bild: Karolina Kristensson

Vasa.  Die Bergung des Wracks enthüllte prachtvolles Handwerk aus dem Barock. Aber auch die Schiffbautechnik, die jämmerlich versagte, kam ans Licht. Denn das mächtige Kriegsschiff Vasa versank kurz nach den Salutschüssen vor dem Hafen Stockholms.

Das über und über mit prächtigen Bildhauerarbeiten ausgestattete Kriegsschiff Vasa sollte den Feinden die Stärke der schwedischen Seemacht vor Augen führen. Doch daraus wurde nichts.

Das Schiff sank bei seiner Jungfernfahrt nach wenigen hundert Metern. «Schuld daran war, wie wir heute wissen, eine Kombination aus schlechtem Design, unnötig schwerer Konstruktion und ungeschickten operativen Entscheidungen am Tag des Untergangs», erklärt Fred Hocker, der das Schiff als Forschungsdirektor des Vasa-Museums in Stockholm vermutlich so gut kennt wie kein zweiter.

Auf der Stockholmer Werft arbeiteten dreihundert Menschen, darunter Schreiner, Zimmerleute und Schmiede. Die Werft war damals Schwedens grösster Betrieb überhaupt. Zimmerleute begingen die Wälder mit Schablonen der Vasa und wählten geeignete Bäume aus. «Für das Schiff mussten mehrere tausend Eichen gefällt werden. Dazu kam das Holz, das verheizt werden musste für den Guss der Kanonen und für die weiteren Schmiedearbeiten», sagt Hocker weiter.

Macht vor Augen führen

Die Vasa war ein Kriegsschiff, das den Feinden Schwedens eine grossartige Kriegsmacht vor Augen zu führen hatte und die eigene Mannschaft durch ihre prächtige und symbolträchtige Ausgestaltung zu aus-sergewöhnlichen Leistungen anspornen sollte. Entsprechend war sie überbordend mit Ornamenten und Figuren ausgestattet. Die Bildhauer hatten eine wichtige Rolle.

Da Fachleute im Schiffbau und in der Ausgestaltung fehlten, motivierten die Schweden Handwerker aus Norddeutschland und den Niederlanden. Drei Meister, die die Skulpturen der Vasa geschaffen haben, sind sogar namentlich überliefert. Der wichtigste ist der norddeutsche Marten Redtmer, der den Grossteil der Skulpturen geschaffen hat. Eine eigene künstlerische Handschrift war trotz des fest vorgegebenen Bildprogramms durchaus geduldet. So lassen sich auch bei der abschliessenden Bemalung, die heute nur noch in winzigen Spuren vorhanden ist, aufgrund der verwendeten Techniken, wie etwa der Art der Grundierung, verschiedene Künstler unterscheiden.

Dekorationen als Botschaften

Da die Bildhauer erst mit der Arbeit beginnen konnten, nachdem Teile des Schiffes fertiggestellt worden waren, blieb ihnen wenig Zeit. Hocker erläutert: «Form und Anlage der wichtigsten Kompositionen mussten an die Form des Schiffes angepasst werden. Daher blieben vermutlich nur anderthalb Jahre für die Arbeit an den Skulpturen und den geschnitzten Details.»

Die meisten Dekorationselemente bestehen aus Linden- und Kiefernholz. Das Schiff selbst ist natürlich aus Eiche. Die überreiche Dekoration mit Skulpturen und Schnitzereien barg für die Zeitgenossen klare Botschaften. Dass die Vasa gleich zwanzig Skulpturen römischer Imperatoren zieren, zeigt beispielsweise, dass sich der König selbstverständlich in einer Linie mit diesen ruhmreichen Vorgängern sah.

Der Löwe als Symbol der Stärke

Am Bug thront ein drei Meter grosser Löwe im Sprung. Er hält das Wappen der Vasa- Dynastie zwischen seinen Vorderpfoten. Der Löwe symbolisiert seine Stärke im Kampf. Die Feinde sollten schon von Weitem sehen, mit wem sie es aufnehmen mussten. König Gustav II. Adolf, der später auch «der Löwe des Nordens» genannt wurde, liess dieses Symbol schwedischer Könige so anbringen.

Die Seiten des Schiffes zierten Gestalten aus der klassischen Mythologie sowie kriegerische biblische Figuren. Über die obere Galerie des Hinterschiffs ziehen zum Beispiel, in Posaunen und Hörner stossend, gleich 23 der 300 Krieger Gideons aus dem alttestamentlichen Buch der Richter. Sie besiegten der biblischen Überlieferung nach ein Heer von 135 000 Mann. Selbstverständlich wurde auch mit Zierrat wie Putten, Nixen und Monstern aller Art nicht gespart. All das war nicht nur kunstvoll geschnitzt, sondern auch prachtvoll bemalt.

Hocker erklärt, dass der prunkvolle Zierrat im Barock als schlichte Notwendigkeit angesehen wurde: «Die Vasa sollte ein funktionales Kriegsschiff sein. Sie vereinigt zwei gleichwertige Funktionen, eine physische und eine metaphysische. Was wir heute als Prestigeobjekt betrachten mögen, ist die aus der zeitgenössischen Sicht unerlässlich notwendige metaphysische Funktion, die den Ehrgeiz, die Politik und das Selbstverständnis des Königreichs kommuniziert.»

Mangelnde Berechnungsmöglichkeiten

Neben ihrem beträchtlichen Gewicht wurde der Vasa bei ihrer Jungfernfahrt schliesslich auch zum Verhängnis, dass sie eine Art Prototyp für eine neue Schiffsklasse war. Das musste sie sein, denn sie war mit 64 ungeheuer schweren Kanonen bestückt.

Um alle unterzubringen, setzte Henrik Hybertsson, der Schiffbaumeister, zwei Kanonendecks übereinander. Mit einem zweiten Kanonendeck aber hatte Hybertsson noch keinerlei Erfahrung. So vertraute er auf mündlich überlieferte Berechnungswerte. Dass es noch an den mathematischen Mitteln fehlte, den Ballast und die Anpassungen am Schiffsrumpf für die stabile Lage im Wasser zu berechnen, sollte sich umgehend rächen. Dazu kam, dass Hybertsson im Frühling 1627 starb, lange vor Fertigstellung. Sein Assistent musste übernehmen.

Die Jungfernfahrt fand also wie geplant unter grossem Pomp statt. 1628 stach das stolze Schiff in See. Um dem feierlichen Ereignis Nachdruck zu verleihen, fuhren die Kanonen aus ihren Pforten und feuerten Salutschüsse ab. Bald kam leichter Wind auf und die Vasa kam derart ins Schwanken, dass sie nach nur 1300 Metern sank. Sie riss dreissig Menschen in den Tod. Der Grossteil der Mannschaft konnte sich retten.

Diese riesige Blamage sollte sich mehr als drei Jahrhunderte später als grosses Glück erweisen. 1956 nämlich wurde die Vasa wiederentdeckt. Sie ist heute das besterhaltene Schiff aus dieser Zeit, das es überhaupt gibt. 98 Prozent des Holzes haben die Jahrhunderte im Schlick überdauert. So erzählt sie uns heute über die Handwerkskunst der Vorväter. Die Hebung dauerte viereinhalb Jahre. Das Ganze glich einem gigantischen Puzzle. Es mussten unzählige Einzelteile aus dem Schlamm geborgen werden.

Längst kann man das gesamte Schiff in einem eigenen Museum in Stockholm besichtigen. Mehrere Faktoren haben dazu geführt, dass die Vasa derart gut erhalten ist. Die Baltische See ist relativ kalt, sodass alle chemischen und biologischen Prozesse sehr langsam ablaufen und damit auch der Verfall eines Schiffswracks. Dazu ist sie sauerstoffarm, weshalb die Bakterien, die für die Zersetzung des Holzes nötig wären, nicht überleben können. Vor allem aber half der einzigartig niedrige Salzgehalt. Er ist der Hauptgrund, warum es dort keine Schiffswürmer gibt. Sie hätten die Planken sonst längst vernichtet.

Wiederentdeckung und Zerfall

Während der Bergung mussten die Fachleute 600 Tonnen wassergetränkter Eiche an die Luft bringen, die sich 333 Jahre im Brackwasser befunden hatten. Um das Holz vor dem Zerfall an der Luft zu bewahren, griff man zu einer noch nie in diesen Dimensionen angewandten Konservierungsmethode. 17 Jahre lang wurde das Wrack ununterbrochen mit Polyethylenglykol (PEG) besprüht. Es sollte langsam das Wasser in den Zellen des Holzes ersetzen und damit Schrumpfen und Rissbildung verhindern. Nach der Behandlung musste die Vasa neun weitere Jahre trocknen. Mit Heissluft wurde das PEG an der Oberfläche des Schiffes geglättet. Daher hat die Vasa heute eine leicht glänzende Oberfläche. Im Grunde hat das alles prächtig funktioniert.

In der Zwischenzeit hatte man dem Schiff in Stockholm ein eigenes Museum gebaut. Jahre später bildeten sich zunehmend weisse und gelbe Flecken am Holz. Analysen zeigten, dass es sich um eine Kombination von Schwefel und Eisen handelte, die mit ihrem hohen Säuregrad das Holz angriff. Die eisernen Schiffsnägel sowie die Kanonenkugeln im Bauch des Schiffes hatten für massenweise Rost gesorgt. Sobald das Holz mit Sauerstoff in Berührung kam, startete durch eine chemische Reaktion die Zerstörung.

Neue Bolzen gegen Rost

Die Schiffsnägel hatten sich unter Wasser längst aufgelöst. Rückstände aber waren noch im Holz, und bei Kontakt mit dem Sauerstoff der Luft begann sich Rost zu bilden. Bei der Bergung waren daher neue rostfreie Nägel und bis zu zwei Meter lange Stahlbolzen eingesetzt worden. Diese Bolzen begannen jedoch alsbald zu rosten. Rost aber wirkt über chemische Reaktionen zerstörerisch auf die Substanz des Holzes.

Um zumindest weiteren Rosteintrag zu unterbinden, wurden über mehrere Jahre etwa 4000 dieser Bolzen durch eine Speziallegierung ersetzt. Etwa weitere 1500 verbleiben vorerst noch im Schiff, da sie nicht entfernt werden können, ohne das Schiff zu zerlegen. Die neuen Bolzen sollen das Holz nun für mindestens die nächsten 150 Jahre zusammenhalten.

www.vasamuseet.se/de

ava

Veröffentlichung: 14. März 2019 / Ausgabe 11/2019

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